Das neue iPad kann mit dem richtigen Zubehör wie ein Laptop verwendet werden.

Foto: Der Standard/Stefan Mey

Vor knapp einer Woche hat Apple sein neues Line-up der kommenden iPads präsentiert. Der STANDARD hatte bereits die Möglichkeit, das günstigere Gerät – und somit jenes, das potenziell für die meisten Menschen interessanter ist – ein Wochenende lang auszuprobieren. Die Eindrücke werden an dieser Stelle in einem ersten Test geschildert, ein Review des iPad Pro folgt zu einem späteren Zeitpunkt.

Größe und Gewicht des iPad 2022

Das Design des iPad wurde in diesem Jahr gegenüber dem Vorjahresmodell adaptiert. Waren etwa die Ränder im iPad des vergangenen Jahres noch abgerundet, so sitzt man dieses Jahr vor einem Quader.

Dieses Design lässt das neue Modell auch dicker wirken, was de facto aber nicht stimmt: Das Modell des Jahres 2021 war noch 7,5 Millimeter dick, nun sind es sieben Millimeter. Allerdings ragt im neuen Modell die Kamera aus dem Gehäuse hervor, wodurch das 2022er-Modell höher ragt, wenn beide Modelle mit dem Display nach oben nebeneinanderliegen.

Das neue (links) und das alte (rechts) iPad im Vergleich.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Das neue iPad wiegt weniger als der Vorgänger: Die reine Wi-Fi-Version kommt auf 477 Gramm, die Version mit Slot für eine 5G-Karte auf 481 Gramm. Das Modell des Vorjahres kam noch auf 487 beziehungsweise 498 Gramm – dies alles freilich unter der Berücksichtigung, dass man in der konkreten Anwendung nur das Gerät und nicht noch zusätzlich etwaige Cover und Tastaturen in der Hand hält.

Ansonsten misst das neue iPad 248,6 mal 179,5 Millimeter, während das Vorjahresmodell auf 250,6 mal 174,1 Millimeter kommt. Das eine Modell ist also geringfügig länger, das andere ein wenig breiter.

Display des iPad 2022: Groß und glossy

Allerdings wurden die schwarzen Seitenränder auf der Frontseite des Geräts nun reduziert. Was somit bedeutet, dass mehr Platz für das Display ist: Das Liquid-Retina-Display kommt auf 10,9 Zoll Bilddiagonale und bietet eine Auflösung von 2360 x 1640 Pixeln, was 264 Pixeln pro Inch (PPI) entspricht. Die Helligkeit wird mit 500 Nits angegeben.

Zum Vergleich: 10,2 Zoll misst das Retina-Display des alten iPad, was bei einer Auflösung von 2160 x 1620 Pixeln auf haargenau die gleiche Auflösung pro Zoll – also 264 PPI – kommt. Die Helligkeit wird auch hier mit 500 Nits angegeben.

Die Spiegelung ist auch an einem grauen Herbsttag nicht zu übersehen.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Ebendiese Helligkeit beziehungsweise das glossy Display verhalfen dem neuen iPad im Test zu einem Minuspunkt: Denn beim Durchführen eines Serienmarathons spiegelte der Bildschirm trotz grauen Herbstwetters und trotz der Tatsache, dass die Helligkeit auf Maximum eingestellt war. Ein deutlicher Nachteil gegenüber zum Beispiel einem Laptop mit mattem Display.

Entsperren ohne Home-Button

Möglich war das Reduzieren der schwarzen Seitenränder übrigens, weil der im Vorjahrsmodell vorhandene Home-Button nun verschwunden ist – und mit ihm die Möglichkeit, das iPad an dieser Stelle per Fingerabdruck zu entsperren.

Nun hat man stattdessen nicht – wie bei anderen Apple-Geräten – auf das Entsperren via Gesichtscan gesetzt, sondern stattdessen den Fingerabdruckscanner an anderer Stelle untergebracht: in der oberen Taste, die auch zum Sperren des Bildschirms verwendet wird. Anfängliche Skepsis war hier unangebracht, wie die ersten Versuche im kurzen Testzeitraum zeigen: In neun von zehn Fällen klappte das Entsperren per Daumen-Scan problemlos, gefühlt funktioniert dieses System deutlich besser als die Home-Button-Misere der Vorgängermodelle.

Anschlüsse: USB-C, kein Klinkenanschluss

Ein weiterer Unterschied gegenüber dem Vorjahresmodell: Auch beim iPad richtet sich Apple allmählich nach der Mehrheit und ersetzt den Lightning-Anschluss durch einen USB-C-Stecker. Das ist ein längst nötiger Schritt, zumal das Gerät nun nicht mehr nur mit dem mitgelieferten Ladegerät geladen werden kann – sondern auch mit jedem anderen handelsüblichen USB-C-Charger, von denen in jeder Wohnung etliche herumkugeln.

Doch dieser Umstieg kommt auch zu einem Preis. Denn somit funktionieren nicht nur die Lightning-Charger nicht mehr ohne weiteres, auch Apples eigene Kopfhörer mit dem genannten Anschluss lassen sich nun nicht mehr einfach so anschließen.

Besonders bitter ist dies durch einen weitern Schritt, zu dem Apple sich dieses Jahr entschieden hat: Es gibt keinen Port mehr, an den Kopfhörer mit einem klassischen Kleine-Klinke-Anschluss eingestöpselt werden können. Wer sich dieses Gerät also kauft, der kommt an Bluetooth-Kopfhörern endgültig nicht mehr vorbei – inklusive all ihrer Tücken wie leerer Akkus und oft höherer Kaufpreise.

Bezüglich drahtloser Connection sind bei diesem Modell Wi-Fi 6 und Bluetooth 5.2 an Bord. Der Sim-Slot unterstützt 5G, das Aktivieren einer E-Sim ist ebenfalls möglich. Im kurzen Zeitraum haben wir jedoch lediglich die WLAN-Verbindung in einem Wi-Fi-6-Umfeld getestet, dort lief alles problemlos.

Kamera: Schlecht bei Nacht, gut für Meetings

Der Autor dieser Zeilen hat aufgrund fürchterlicher Anblicke an diversen Touristen-Hotspots in aller Welt eine sehr harte Meinung, wenn es um die iPad-Fotografie geht: Wer mit dem Tablet in der Öffentlichkeit fotografiert, der hat die Kontrolle über sein Leben verloren. Kameras oder moderne Smartphones machen nicht nur besser Bilder – man macht sich damit auch nicht zum Affen, indem man sich ein Brett vor den Kopf hält.

Das ändert aber nichts daran, dass die Kamera des iPad immer besser wird. Während die Frontkamera nach wie vor eine Auflösung von zwölf MP bietet, kommt die rückseitige Kamera nun ebenfalls auf zwölf statt bisher acht MP und kann Videos in 4K mit 60 fps (anstatt wie bisher 1080p) filmen.

Die Performance der rückseitigen Kamera zeigen die folgenden Schnappschüsse, die jeweils bei Tageslicht und in der Abenddämmerung gemacht wurden.

Bei Tageslicht liefert das iPad Fotos, die auch mit einem modernen Smartphone mithalten können.
Foto: Der Standard/Stefan Mey
Auch bei Nacht sind etliche Details gut erkennbar, wiewohl dich einige Artefakte bilden.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Während hier die Ergebnisse recht passabel aussehen, wirken bei Nacht per Frontkamera geschossene Selfies vollkommen abschreckend. Mit Blitz beleuchtet diese das Bild zu stark, ohne Blitz ist eine fürchterliche Artefaktbildung zu bemerken.

Überzeugen konnte die Frontkamera hingegen in Skype-Gesprächen bei Tageslicht. Nicht nur, dass die Gesprächspartnerin die klare Bildqualität lobte, auch die Center-Stage-Funktion klappte einwandfrei: Das Bild bewegt sich, wenn das Motiv die Sitzposition ändert, und die Kamera zoomt heraus, wenn man sich von ihr entfernt.

Akku hielt im Test acht Stunden

Apple gibt die Akkulaufzeit des neuen iPad mit bis zu zehn Stunden an, dies konnten wir am ersten Testtag jedoch nicht verifizieren. Hier hielt der Akku acht Stunden, wobei einige Anwendungen naturgemäß mehr Strom fraßen. Konkret teilte sich der Verbrauch im hauseigenen WLAN folgendermaßen auf:

  • Eine Stunde Streamen via Apple TV+ bei voller Helligkeit: minus zwölf Prozent Akku
  • Streamen auf Apple TV+ bei 50 Prozent Helligkeit: minus neun Prozent Akku
  • Eine Stunde Cloud-Gaming via Game Pass Ultimate: minus 22 Prozent Akku
  • 42 Minuten Skype bei 75 Prozent Helligkeit: minus elf Prozent Akku
  • Rest: sonstige Office-Anwendungen, Browsen im Web

Der brutalste Stromfresser war somit das Cloud-Gaming – was wiederum ein eher ungewöhnliches Anwendungsszenario ist. Wer eher Filme und Serien schaut oder Magazine auf dem iPad liest, der sollte auch bei durchgehender Nutzung durch einen Tag hindurchkommen.

Eine wirklich praktische Tastatur ...

Als neues Zubehör dient das Magic Keyboard Folio, das per Magnet an das iPad andockt und es somit in einen potenziellen Laptop-Ersatz verwandelt – selbstverständlich mit dem Abstrich, dass manche Tasten kleiner sind und näher beieinanderliegen als bei einem 15-Zoll-Gerät, was die Gefahr des Vertippens steigert.

Die Funktionstasten will man schon nach kurzer Zeit nicht mehr missen.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Ein echter Gewinn ist aber die Leiste am oberen Ende des Keyboards, die aus insgesamt 14 Tasten mit unterschiedlichen Steuerungsfunktionen besteht. So kann man mit einem einfachen Tippser auf eine Hardware-Taste etwa das Mikrofon ein- und ausschalten, Lautstärke und Helligkeit ändern oder zum nächsten Song springen. Selbst im kurzen Testzeitraum habe ich diese Funktionen mehrfach genutzt und möchte sie nicht mehr missen.

Zudem kann das Keyboard – umgekehrt angebracht – genutzt werden, um das iPad wie ein Zelt aufzustellen und das Zubehör somit als einen Tablet-Ständer zu verwenden. Das ist praktisch für das wohl häufigste Anwendungsszenario von Tablet-PCs: stundenlange Serienmarathons im Bett.

... und ein Stift, der Anschluss sucht

Ein anderes Accessoire ist der Apple Pencil, mit dem Anmerkungen in Dokumenten gemacht, Zeichnungen und sogar kleine Animationen angefertigt werden können. Wischt man mit dem Stift von der linken unteren Ecke nach oben, so wird ein Screenshot gemacht. Ein Streifen von der rechten unteren Ecke nach oben öffnet die Schnellnotizen.

Der Pencil dient als Synonym für das Anschlusschaos rund um das iPad.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Das funktionierte im Test alles wunderbar – allerdings ist der Apple Pencil in seiner aktuellen Form auch Synonym für das Anschlusschaos, das um das aktuelle iPad herrscht. Denn dieser lässt sich wiederum nicht via USB-C, sondern nur über den alten Lightning-Anschluss laden. Und das bedeutet in Konsequenz, dass ein weiterer Adapter gekauft und bei jedem Ausflug mitgeführt werden muss, um den Pencil über das Ladegerät oder das iPad zu laden.

Fazit: Alt schlägt Neu

Das neue iPad ist ab 27.10. in den Farben Blau, Rosé, Silber und Gold erhältlich und kostet in der kleinsten Version mit 64 GB Speicher 579 Euro – also satte 150 Euro mehr als das 429 Euro teure, noch immer verfügbare Vorjahresmodell. Zahlt sich dieser Aufpreis aus?

Fairerweise muss gesagt werden, dass die Grenzen des Geräts in dem kurzen Testzeitraum nicht vollends ausgereizt wurden, so konnte etwa der Prozessor des Geräts nicht zum Glühen gebracht werden. Die Frage ist aber auch: Wozu hätten wir das tun sollen? Denn schon beim Vorjahresmodell sind wir bezüglich Rechenleistung nie an unsere Grenzen gestoßen, und wenn man sich ehrlich ist, dann sind die Anwendungsszenarien bei Privatpersonen auch nicht sonderlich anspruchsvoll: ein wenig Serien schauen, Magazine und Zeitungen lesen, im Web surfen, ab und zu mal ein Skypegespräch mit der Mama.

All diese Ansprüche hat das Vorjahresmodell bereits erfüllt, die PPI sind gar gleich geblieben, die Helligkeit des Displays ebenso. Auch Center Stage gab es im 2021er-Modell schon. Dem gegenüber steht, was weggelassen wurde: Vielen Menschen wird der Kleine-Klinke-Anschluss fehlen, zumindest als Back-up für die Bluetooth-Kopfhörer mit ihren oft so leeren Akkus. Und die Entscheidung zu USB-C wirkt aktuell eher wie eine Übergangslösung, die weder den Anschluss von Headphones noch eine problemlose Verbindung mit dem Pencil ermöglicht.

Dementsprechend gilt wie so oft bei Evolutionen eigentlich ausgereifter Geräte: Wer zum Beispiel mit den neuen Farben zeigen möchte, dass er genug Geld hat, um sich stets das aktuellste Apple-Gerät zu kaufen, der kann zu diesem Gerät oder auch zu einem iPad Pro greifen. Wer jedoch rational entscheidet und lediglich ein neues Gerät für Basisanwendungen sucht, der sollte sich die 150 Euro sparen und zum Vorjahresmodell greifen. (Stefan Mey, 24.10.2022)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Das Gerät wurde dem STANDARD von Apple zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.

Update, 25.10.: Das recht unansehnliche Bild einer halb aufgegessenen Pizza wurde um ein geschmackvolleres Foto ersetzt.