Familie Kleiber (Jens Kipper, Niklas Geiling, Alina Stiegler und Hannes Linder) kurz vor dem Unglück in Ramstein, das zwei von ihnen nicht überleben werden.

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Zuckerwatte, Hamburger, Musik, Volksfeststimmung. Die US Air Force veranstaltet am 28. August 1988 ihren jährlichen Tag der offenen Tür auf der Ramstein Air Base, inklusive spektakulärer Flugshow. Viele Familien freuen sich auf den Ausflug in diese Stadt bei Kaiserslautern in Rheinland-Pfalz und auf die Show der Militärflugzeuge. Und für viele der rund 300.000 Besucherinnen und Besucher wird dieser 28. August 1988 der Tag sein, der ihr Leben in ein Vorher und ein Nachher teilt.

Drei Flugzeuge einer italienischen Kunstflugstaffel kollidierten bei der Figur "Durchstoßenes Herz" in rund 40 Metern Höhe, eine Maschine stürzte brennend in die Menschenmenge. Rund 800 Liter Kerosin ergossen sich über die Besucherinnen und Besucher. Das Unglück forderte mindestens 70 Todesopfer – darunter zwölf Kinder – und hunderte Verletzte. Vor allem die Folgen dieser Tragödie stehen im Mittelpunkt des ARD-Spielfilms Ramstein – Das durchstoßene Herz, zu sehen am Mittwoch im Hauptabend.

"Das, was den Menschen damals widerfahren ist, ist im öffentlichen Bewusstsein schon lange verblasst. Wenn eine Generation von heute ‚Ramstein‘ hört, denkt die an eine Band. Ich wollte mit dem Drehbuch zu diesem Film dazu beitragen, dass das, was da passiert ist, wieder ein wenig zurück ins öffentliche Bewusstsein rückt. Ich wollte den Opfern eine Stimme geben", sagt Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt, der lange versucht hat, den Stoff bei diversen Sendern als fiktionalen Film unterzubringen. Das ist ihm eindrücklich gelungen. Geschickt verweben Schmidt und Regisseur Kai Wessel verschiedene Zeitebenen vor, während und nach dem Unglückstag.

Seelische Auswirkungen

Und sie rücken nicht die Katastrophe selber in den Mittelpunkt, den Filmemachern ging es vielmehr um die seelischen Auswirkungen, mit denen die Überlebenden zu kämpfen haben. In der Vorbereitung auf ihre Rollen lernten einige der Schauspielerinnen und Schauspieler ihre realen Vorbilder kennen. Ein Fokus des Films liegt auch auf der Frage, was beim Rettungseinsatz und auch bei der Genehmigung der Flugshow alles schieflief. So wurde etwa der korrekte Sicherheitsabstand nicht eingehalten, Opfer wurden teilweise falsch und viel zu spät medizinisch behandelt, stundenlang unversorgt in Bussen in überfüllte Krankenhäuser transportiert, Ärzte mussten schnelle Triage-Entscheidungen fällen. Jan Krauter spielt den Mediziner Matthias Kruse, der als erster Notarzt auf dem Flugfeld eintrifft und sich später dafür einsetzt, dass das Unglück kritisch analysiert wird, damit man daraus lernen kann.

Wahrheitsfindung

Aber nicht alle waren damals an einer detaillierten Aufarbeitung interessiert. Im Film stoßen die fiktiven Ermittler Hagen Dudek (Trystan Pütter) und seine Kollegin Jeanine Koops (Elisa Schlott) auf viel Schweigen und Vertuschung, die beiden untersuchen das Unglück im Auftrag des Bundesministeriums. "Ramstein ist aus Fahrlässigkeit passiert", so sein Fazit. Erst 30 Jahre später hat sich die Politik bei den Opfern entschuldigt.

Im Anschluss an den Spielfilm zeigt ARD die sehenswerte Dokumentation Ramstein – Die Doku, Hans Jakob Rausch und Benjamin Arcioli stellen darin die Frage nach der Verantwortung und zeigen, wie Überlebende mit dem Verlust der Familie umgehen, und lassen einen Krankenpfleger zu Wort kommen, den Schuldgefühle plagten. (Astrid Ebenführer, 25.10.2022)