Mutterschaft bedeutet im internationalen Vergleich in Österreich und Deutschland besonders hohe Lohneinbußen. Vielen Frauen gilt eine geringfügige Beschäftigung nach der Geburt ihres Kindes als sanfter Wiedereinstieg in den Job. Dieser hat allerdings ökonomische Tücken. Regina T. Riphahn stellte kürzlich bei den Statistik Austria Lectures der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Daten vor, die zeigen: Frauen, die nach der Geburt nur wenige Stunden einer Erwerbsarbeitnachgehen, haben länger Verdienstnachteile als jene, die gleich in eine reguläre Beschäftigung zurückkehren.

STANDARD: Ist Mutterschaft wirklich noch immer ein Karrierekiller?

Riphahn: Wir wissen, dass Frauen im Wesentlichen bei Beschäftigung und Verdienst Nachteile haben. Durch Geburten wird ein großer Unterschied zwischen den Geschlechtern verursacht. Studien zeigen, dass der mittlere Verdienstverlust bei Müttern nach zehn Jahren nach der Geburt des ersten Kindes in Österreich bei 50 Prozent liegt, in Deutschland bei 60 Prozent. Bei den Vätern entsteht hingegen kein Verdienstverlust.

STANDARD: Diese Kluft ist in Österreich und Deutschland besonders groß. Warum?

Riphahn: In Dänemark liegt der Verdienstabschlag nur bei 20, in Schweden bei 30 Prozent. Auch in England ist er deutlich niedriger. Warum das so ist, kann man nicht genau anhand von Zahlen festmachen. Wir gehen davon aus, dass es insbesondere an den konservativen sozialen Normen liegt. Die institutionellen Rahmenbedingungen sind ungünstig, die Kinderbetreuung ist nicht überall ausreichend vorhanden und auch nicht ausreichend gut. Und zusätzlich haben wir Anreize durch das Steuersystem, dass die Frauen eben nicht wieder voll in die Erwerbstätigkeit einsteigen.

STANDARD: Welche Anreize sind das?

Riphahn: In Deutschland gibt es eine steuerliche Förderung der Ehe durch das Ehegattensplitting. Bei der Besteuerung des Hauptverdienereinkommens, meistens das des Mannes, werden die Freibeträge für beide Ehepartner genutzt. Das zweite Einkommen in der Ehe wird dann mit höheren Steuersätzen besteuert. Bei einem progressiven Steuersystem bedeutet das, dass so getan wird, also ob das Einkommen der zweiten Person noch oben draufkommen würde. Daraus kann man dann den Schluss ziehen, dass sich das Einkommen der Frau nicht lohnt – und das führt oft dazu, dass sie auf eine umfassendere Erwerbstätigkeit verzichtet. Hinzu kommt die Regelung der Geringverdienereinkommen: Unterhalb eines bestimmten Monatseinkommens, in Deutschland liegt das momentan bei 520 Euro, ist man frei von Steuern und Sozialversicherungsabgaben. Sobald Frauen über diese Schwelle kommen, wird ihre Erwerbstätigkeit für Paare unattraktiv.

Regina T. Riphahn: Das Verhalten der Paare spielt auch eine Rolle.
Foto: ÖAW/Ludwig Schedl

STANDARD: Aber arbeiten überhaupt noch viele Frauen nur geringfügig, wenn sie ein Kind bekommen haben?

Riphahn: Wir haben uns die Daten bis 2006 angesehen, die zeigen, dass 40 Prozent der Frauen, die nach der Geburt ihres Kindes rasch wieder erwerbstätig waren, in Minijobs gegangen sind. Ich denke, das ist nach wie vor ein sehr populäres Programm, das eben auch noch immer wegen der Abgaben attraktiv ist.

STANDARD: Fehlt hier die Gestaltung durch die Politik?

Riphahn: Die Politik hat schon auch gestaltet, es ist also ein bisschen besser geworden. In Deutschland etwa war das die Einführung des Elterngeldes, bei dem Väter oder Mütter zwölf Monate lang zwei Drittel (Anm.: ähnlich wie bei der einkommensabhängigen Karenzvariante in Österreich) des letzten Nettoeinkommens bekommen. Das hat dazu geführt, dass die Frauen früher wieder in ihre Tätigkeit einsteigen, wenn das Elterngeld ausläuft. Vor der Einführung 2007 haben sie oft die Erwerbstätigkeit ganz ohne ein Einkommen unterbrochen und hatten dann keinen guten Grund, nach einem Jahr wieder arbeiten zu gehen – in dem Fall dauerten die Unterbrechungen viel länger. Durch die Einführung des Elterngeldes hat sich bei den sozialen Normen etwas verschoben. Es ist üblicher geworden, dass Frauen nach zwölf Monaten wieder zurück in die Erwerbstätigkeit gehen.

STANDARD: Viele Frauen finden nach ihrer Familienkarenz ihre Stelle nicht mehr in derselben Attraktivität vor. Sie bekommen nicht mehr das gleiche Stundenausmaß oder müssen ihre Arbeitszeit anders einsetzen. Hindern auch Unternehmen Frauen daran, wieder in demselben Ausmaß zu arbeiten wie vor der Geburt ihres Kindes?

Riphahn: Mit der Verlängerung der Elternzeit in den 1980er-Jahren und der zunehmenden Nutzung der Elternzeit, haben Firmen ihre Investitionen in Weiterbildung von Frauen zurückgeschraubt. Die Elternzeit ist nur eine Auszeit von der beruflichen Tätigkeit und wird nicht bezahlt. Mit der Einführung einer Maßnahme wie dem Elterngeld, mit der Frauen früher zurückkommen, weil sie einen Anreiz haben, hat sich das aber wieder geändert. Und, es gibt zwei Monate, in denen auch Väter Elterngeld beziehen können, und so haben Firmen zumindest ein minimales Risiko, dass auch Männer wegen einer Vaterschaft ausscheiden.

STANDARD: Läuft es darauf hinaus, dass sich letztendlich die Risiken für die Firmen und die Lohneinbußen auf beide Eltern verteilen müssen, weil sie sich ohnehin nicht vermeiden lassen werden?

Riphahn: In Norwegen hat man sich angesehen, was bei lesbischen Paaren mit Lohneinbußen im Vergleich zu heterosexuellen Paaren passiert. Bei den lesbischen Paaren hatten zwar beide Mütter Lohneinbußen nach der Geburt, allerdings nicht so stark wie die Mütter bei den heterosexuellen Paaren. Außerdem sind die Lohneinbußen bei den lesbischen Paaren nach fünf Jahren im Vergleich stärker zurückgegangen, ihre Lohneinbußen waren also nicht so langlebig. Das suggeriert, dass ein Teil der dauerhaften Lohneinbußen, die man bei den Müttern findet, auch durch das Verhalten der Paare selbst entstehen. Kurzfristig lassen sich Gehaltseinbußen wohl nicht vermeiden, aber für die langfristige Perspektive gibt es sicher noch viele Möglichkeiten, das abzumildern. (Beate Hausbichler, 25.10.2022)