Es geht ums Geld.

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Jetzt waren die olympischen Wintersportarten und die nichtolympischen Sportarten dran. Vor kurzem bekamen die dazugehörigen Sportverbände mitgeteilt, mit welchen Fördermitteln sie in den kommenden vier Jahren rechnen können. Am Tenor der Reaktionen hat sich wenig bis nichts geändert. Bei vielen Verbänden herrscht Enttäuschung über die Einstufung, viele reagieren empört, nicht wenige sind verzweifelt. In Gesprächen mit dem STANDARD nehmen sich Verantwortliche großer wie kleiner Verbände diesbezüglich längst kein Blatt mehr vor den Mund.

Ihnen gemein ist, dass sie – verständlicherweise – anonym bleiben wollen und sollen. "Sonst zahl ich", sagt einer, "beim nächsten Mal noch mehr drauf." Auch das zeigt, wie tief die Überzeugung wurzelt, dass es in der Sportförderung weniger darum geht, was in den diversen Sportarten geleistet wurde und wird, denn um gute Verbindungen und Vernetzungen. Ein Verband bringt diese Überzeugung so auf den Punkt: "Wir werden zum Besten gehalten. Einige Verbände kriegen immer mehr, dafür wird über die anderen mit irgendeiner Formel drübergebürstet, damit sich alles ausgeht."

Ein Geben und Nehmen

Zur Erinnerung: Elf Jahre lang wurde die Gesamtsumme der "besonderen Bundessportförderung" (BSF), 80 Millionen Euro, nicht valorisiert. Diese Summe, zu der meistens im Nachhinein noch zwei bis fünf Millionen aus Lotterien-"Übergewinnen" kamen, blieb über die Jahre gleich, wurde aber immer weniger wert. Und wenn ein großer Verband beispielsweise nach besonderen Erfolgen besser gefördert wurde als vorher, so hieß das automatisch, dass etliche andere Verbände schlechter aussteigen mussten. Das Geld musste schließlich irgendwoher kommen.

Die Unzufriedenheit unter vielen der 60 Fachverbände kam nicht von ungefähr. Und es nahm nicht wunder, dass sich zunächst wenige, dann immer mehr Verbände auflehnten. Mittlerweile sollen schon 40 Fachverbände quasi an einem Strang ziehen in der Hoffnung, ihre Unzufriedenheit gemeinsam auch dem Sportminister zur Kenntnis zu bringen. Sie machen ihre Kritik an der Bundes-Sport GmbH (BSG) fest, die 2017 zur Verteilung der Mittel vom Ministerium eingesetzt wurde. Noch Hans Peter Doskozil (SPÖ), als Sportminister der Vorgänger von Werner Koglers (Grüne) Vorgänger Heinz-Christian Strache (FPÖ), machte den ehemaligen Tennisprofi Clemens Trimmel zum Geschäftsführer für Sportbelange.

"Von vorne bis hinten unfair"

Die BSG ersann ein ausgeklügeltes, um nicht zu sagen: kompliziertes System, um die Leistung und Arbeit der einzelnen Verbände zu bewerten. Allein schon die Tatsache, dass es enorm aufwendig war, binnen weniger Wochen den umfangreichen BSG-Fragenkatalog zu beantworten, musste dazu führen, dass kleinere Verbände noch weiter ins Hintertreffen gerieten. Ein Verband mit einer Halbzeitkraft im Büro tut sich mit einem Fragenkatalog und Konzepten klarerweise schwerer als ein Verband mit sechs Vollzeitangestellten. "Das System", heißt es aus einem der kleineren Verbände, "ist von vorne bis hinten unfair. Man sollte es sofort kübeln."

Auch die Inhalte der BSG-Anforderungen werden kritisiert. Aus einem Verband ist zu hören, dass da etwa das Thema Nachhaltigkeit kaum eine Rolle spiele. "Und das ist kein Wunder, schließlich ist der CO2-Fußabdruck im alpinen Skisport und beim Rodeln besonders groß. Aber diese Tatsache will man halt in Österreich nicht in die Auslage stellen." Unausgesprochener Nachsatz: Der Skiverband und der Rodelverband werden traditionell, auch wegen ihrer Erfolge, vom Ministerium sehr gut bedacht.

Besonders große Aufregung

Im Gegenzug, wie gesagt, sind kleinere Verbände im Lauf der Jahre oft, wenn nicht immer schlechter ausgestiegen. Nach der jüngsten Aufteilung war die Aufregung besonders groß. Da sah sich der eine oder andere Verband sogar deutlich besser bewertet als zuvor – und musste dennoch Kürzungen zur Kenntnis nehmen. "Das ist mir völlig schleierhaft", sagt ein Spitzenfunktionär dem STANDARD. Ein anderer redet vom "elendigen Medaillenvergleichen" und davon, dass nichtolympische Sportarten von vornherein nicht wertgeschätzt werden. "Dabei bringen wir unzählige Kinder von der Straße weg und in Bewegung. Und wir leisten Enormes in Sachen Integration."

Im Ministerium bemüht man sich zu kalmieren. Und man verweist darauf, dass die von der BSG zu verteilenden Mittel der besonderen Bundessportförderung nach Verhandlungen zwischen Sportminister Kogler und Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) im Zuge des Budgets für 2023 kürzlich auf 120 Millionen Euro erhöht worden sind. Da davon künftig 60 Millionen statt 40 Millionen auf die 60 Fachverbände entfallen, der ÖFB als einer von ihnen aber weiterhin einen gesetzlich vorgeschriebenen Betrag von 6,5 Millionen Euro erhält, wird sich die jährliche Förderung für jeden einzelnen Fachverband künftig (ab 2023) deutlich erhöhen, im Schnitt um jedenfalls mehr als 50 Prozent, selbst der größte "Verlierer" unter den Verbänden werde um 43,5 Prozent mehr Mittel erhalten als 2022.

Ein Kommunikationsfehler?

So gesehen kann man sich im Ministerium die aktuelle Aufregung unter den Verbänden nur schwer erklären. Möglicherweise ist sie auch auf ein Missverständnis zurückzuführen. Den Verbänden sei die Förderung "inklusive Mehrmittel" kommuniziert worden. Mag sein, einige Verbände haben dabei vielleicht nur an die üblichen, schon erwähnten zwei bis fünf Millionen aus den Lotterien-"Übergewinnen" gedacht. Dabei sei laut Ministerium die deutliche, mit dem Regierungsbudget beschlossene Erhöhung der Mittel um 50 Prozent gemeint gewesen.

Das hieße jedenfalls, dass es auch mit der Kommunikation im österreichischen Sport nicht zum Besten bestellt ist. Vom Fördersystem einmal ganz abgesehen. Ein Funktionär fasst für sich zusammen: "Es ist am Ende egal, wie viele Millionen verteilt werden. Das System ist und bleibt unfair. Wenn die Großen in der Relation jetzt wieder mehr bekommen, wird es sogar immer unfairer."

Ein Dreiervorschlag

Viele Verbände machen kein Hehl daraus, dass sie sich eine personelle Veränderung an der Spitze der BSG wünschen, die dieses System ersonnen hat und die Fördermittel verteilt. Nach fünf Jahren musste der Geschäftsführerposten neu ausgeschrieben werden. Dem Vernehmen nach hat die BSG dem Sportministerium bereits einen Vorschlag mit drei Bewerbungen geschickt, die in die engere Auswahl gekommen sind. "Es wäre höchste Zeit, dass dieser Job nicht einfach politisch motiviert vergeben wird", sagt ein Verbandspräsident, "sondern dass sachliche Kriterien den Ausschlag geben." Bis Mitte November entscheidet sich, ob Kogler an Clemens Trimmel, der gerne verlängern würde und sich wieder beworben hat, festhalten wird. (Fritz Neumann, 25.10.2022)