Biplab B. befand sich nach einem Städtetrip mit seiner Tochter auf der Rückreise von Wien nach Berlin.

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An einem Donnerstag im Sommer des Jahres 2012 sitzt Biplab B. mit seiner Tochter im Zug. B. und seine Tochter sind dunkelhäutig. Zwei Beamte steigen ein und kontrollieren ihre Identität. Zufall? Mit dieser Frage beschäftigte sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und kommt zu dem Entschluss, dass deutsche Gerichte den Vorfall genauer hätten prüfen müssen.

Ausweiskontrolle im Zug

Der deutschen Staatsbürger und seine damals 17-Jährige Tochter waren nach einem Wien-Kurzurlaub gerade auf dem Rückweg in die deutsche Heimat, als kurz nach der tschechischen Grenze zwei Beamte nach ihren Ausweisen verlangen. Dass die Kontrolle ausschließlich aufgrund ihrer dunklen Hautfarbe erfolgt ist und damit diskriminierend war, ist sich B. sicher. Denn er und seine Tochter seien die einzigen Nichtweißen im Wagon gewesen und als Einzige von der Polizei überprüft worden. "Sie haben uns bereits von draußen durch die Scheibe gesehen. Die Beamten sind direkt in unseren Wagon eingestiegen und nach der Kontrolle wieder ausgestiegen", sagt B. im Gespräch mit dem STANDARD.

B. hatte sich anschließend mit einer Beschwerde wegen Racial Profiling an die deutschen Behörden gewandt. Ohne Erfolg. Denn die Gerichte wiesen die Beschwerde unter anderem mit der Begründung ab, es gäbe kein berechtigtes Interesse an einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Identitätskontrolle. Dem widersprach nun der EGMR, an den sich B. letztlich wandte.

Der EGMR hob in seinem Urteil hervor, dass der Vorfall unabhängig hätte untersucht werden müssen.
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EGMR mahnt zur Wachsamkeit

Das Straßburger Gericht urteilte nun zwar nicht darüber, ob bei besagter Kontrolle ein Fall von Racial Profiling vorlag, er stellte aber fest, dass Deutschland dem Vorfall nicht ausreichend nachgegangen war und damit gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen hat.

Der EGMR kritisierte insbesondere, dass inländische Gerichte weder die Tochter noch die beiden Polizeibeamten als Zeugen einvernommen hatten. Auch sei der Vorfall nur polizeiintern und damit nicht unabhängig untersucht worden. Das Gericht unterstrich außerdem, dass Rassendiskriminierung eine besonders "ungeheuerliche Form der Diskriminierung" sei und angesichts ihrer gefährlichen Folgen von den Behörden besondere Wachsamkeit und eine energische Reaktion erfordere.

Aufstehen gegen Racial Profiling

Biplap B., der sich beim Berliner Projekt ReachOut gegen rassistische Polizeigewalt und Racial Profiling einsetzt, spricht in einem Gespräch mit dem STANDARD dem Urteil wichtige Bedeutung zu, sei es doch deutschlandweit der erste so gelagerte Fall, der vor dem EGMR entschieden wurde. "Ich hoffe, dass die Entscheidung künftig mehr Menschen ermutigt, gegen Racial Profiling durch die Polizei vorzugehen." (Viktoria Kirner, 26.10.2022)