Während die meisten Langstreckenzieher schon längst in wärmere Gefilde abgezogen sind, machen sich Kurzzieher wie Star und Rotkehlchen jetzt auf die Reise.
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Im Oktober ist der Höhepunkt erreicht: Millionen Zugvögel ziehen in den Süden. Sie haben es dabei bei weitem nicht so eilig wie beim Flug vom Süden in den Norden, um die Brutzeit zum Beispiel in Mitteleuropa zu verbringen. Da geht es um den besten Nistplatz für sich und für die Nachkommen. Zugvögel leben gefährlich, und – wie ein STANDARD-Rundruf bei Ornithologen ergab – nicht nur der Klimawandel macht ihnen zu schaffen. Hochtechnisierte Landwirtschaft, Umweltgifte gegen Schädlinge und Windräder, die entlang der Route errichtet werden, können ihnen genauso zusetzen. Im Folgenden einige Antworten auf die am häufigsten gestellten Fragen.

Frage: Zwei Drittel aller in Mitteleuropa lebenden Vögel wandern zwischen Brutplatz und Winterquartier. Warum tun sie sich das an?

Antwort: Die einfache Erklärung ist, dass sie ansonsten verhungern würden. Vögel, die von Insekten leben, müssen in der kalten Jahreszeit ausweichen. Die Überlebensstrategie der Vögel, die vor Ort bleiben: Sie versuchen, die kurzen Tage mit Nahrungssuche zu nutzen, übernachten in Gebüschen sowie an Baumstämmen. Zuvor haben sie sich aufgeplustert, wodurch eine isolierende Luftschicht um den Vogelkörper entsteht. Kohlmeisen nutzen Nischen, Spechthöhlen und Nistkästen. Sie übernachten alleine. Der Zaunkönig sucht die Nähe anderer, um dadurch Energie zu sparen.

Frage: Wie orientieren sich Zugvögel? Und wie wissen sie, wann es Zeit ist aufzubrechen?

Antwort: Um diese Aufgaben zu meistern, verfügen sie über eine Reihe genetisch programmierter Talente. Sie haben eine angeborene "Richtungspräferenz". Zur Orientierung auf ihren Langstreckenflügen nutzen sie Himmelskörper wie die Sonne und andere Sterne. Aber auch das Erdmagnetfeld und Landmarker dienen als Referenzsysteme. Darüber hinaus verfügen Zugvögel über ein internes Zeitprogramm. Dieses gewährleistet, dass sie rechtzeitig losfliegen.

Frage: Wie bereiten sich Zugvögel auf den Flug vor?

Antwort: Sie müssen sich Fettpolster anfressen, Ornithologen berichten dabei von deutlichen Größenunterschieden. Fett alleine reicht aber für die Bewältigung der Aufgabe nicht aus, sie müssen für längere Flüge auch die Muskulatur trainieren. Die Ornithologin Francesca Buoninconti vergleicht das in ihrem Buch Grenzenlos. Die erstaunlichen Wanderungen der Tiere (Folio, 2021) mit Muskeltraining im Fitnesscenter.

Auch Schwärme von Staren sind aktuell wieder zu beobachten.
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Frage: Kommen sie eigentlich je wieder ins Brutgebiet zurück?

Antwort: Es gibt Arten, von denen man annehmen kann, dass sie wieder genau an die Stelle zurückkommen, wo sie zuletzt waren: der Weißstorch zum Beispiel.

Frage: Welche Bedrohungen gibt es auf der langen Reise?

Antwort: Von den Jungvögeln überleben viele die Wanderung in den Süden nicht. Das hat gleich mehrere Gründe: Der Klimawandel und die industrialisierte Landwirtschaft führen dazu, dass feuchte Rastplätze austrocknen. Ganz generell ist die Verbauung der Natur für Zugvögel ein großes Problem. Bei Birdlife Österreich hat man schon vor Jahren auf die Gefahr durch Windparks hingewiesen, die im Bereich von Flugrouten errichtet werden.

Frage: Welche unterschiedlichen Zugverhalten sind festzustellen?

Antwort: Es gibt Langstreckenzieher, die den europäischen Winter südlich der Sahara verbringen, und Kurz- und Mittelstreckenzieher, die den Mittelmeerraum bevorzugen. Das Zugverhalten ist variantenreich und reicht von Schwarmformationen wie beim Star bis zum unbemerkten Vogelzug kleiner Singvögel, die nachts fliegen und auf sich allein gestellt sind. Die Altvögel verlassen die Brutgebiete häufig früher, die Jungvögel bilden die Nachhut und fliegen erstaunlich präzise tausende Kilometer an einen Ort, an dem sie noch nie waren.

Frage: Haben von Menschenhand aufgezogene Zugvögel also nicht den Drang wegzuziehen?

Antwort: Doch. Die sogenannte Zugunruhe tritt auch bei ihnen ein. Forschende haben das in Vogelwarten herausgefunden und dabei auch erkannt, in welche Richtung es die Vögel treiben würde, wenn sie denn könnten – mit Trichtern und Papier, an dem man von Kratzspuren auf die Richtung schließen konnte.

Frage: Welche hierzulande auftretenden Zugvögel sind bedroht?

Antwort: Der Kuckuck etwa hat Stress. Im Frühjahr legt er nach der Rückkehr aus Afrika seine Eier in die Nester viel kleinerer Wirtsvögel (z. B. Hausrotschwanz, Rotkehlchen, Bachstelze, Teichrohrsänger, Heckenbraunelle), weshalb er durch seine Größe andere Jungvögel auch aus dem Nest verdrängt. Da die derart ausgenützten Wirtsvögel aber aufgrund der warmen Frühjahrsmonate die Brutzeit vorverlegen, findet der Kuckuck, wenn er bei seinem genetischen Programm des Langstreckenflugs bleibt, keine Nester mehr und muss auf eine Zweitbrut warten. Ein Citizen-Science-Projekt ergab, dass der Vogel mittlerweile zehn Tage früher in Österreich ankommt.

Frage: Reicht diese frühere Ankunft, um den Bestand zu sichern?

Antwort: Die Zahlen sind besorgniserregend. Sie sind in fast allen Länder West- und Mitteleuropas rückläufig. Ein Drittel weniger Kuckucke in den vergangenen 40 Jahren europaweit und ein Viertel weniger Kuckucke in Österreich in den vergangenen 25 Jahren zeigt etwa das Brutvogelmonitoring von Birdlife Österreich. Derzeit wird der Bestand auf nur mehr 45.000 bis 70.000 Exemplare österreichweit geschätzt. Als Schätzhilfe dient der charakteristische Ruf des Männchens.

Frage: Wie geht es den Kurz- und Mittelstreckenziehern?

Antwort: Auch sie kämpfen mit Problemen. Der Kiebitz, der Vogel mit der charakteristischen Kopffeder, brütet am Boden, am liebsten in wilder Natur, wo er genügend Insekten als Nahrung findet. Da diese im Zuge der industriellen Landwirtschaft weniger werden, kommt es in der Brutzeit zu starken Verlusten. Greenpeace schätzt den aktuellen Bestand auf nur mehr 3500 bis 5000 Brutpaare. Der Kiebitz existiert noch im Waldviertel und Ostösterreich, in Kärnten dürfte er vom Aussterben bedroht sein, weil Lebensraum und Nahrung fehlen. (Peter Illetschko, 1.11.2022)