In den USA nähert sich die Reparaturbranche einer prekären Situation, Europa – insbesondere der DACH-Raum – ist laut der österreichischen Brancheninnung gut auf die Veränderungen vorbereitet.

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Nicht nur unsere Lautsprecher, Fernseher und Thermostate sind in den letzten Jahren immer smarter geworden, auch unsere Autos bieten mehr und mehr Funktionen. Diese reichen von Touchscreen-Konsolen über umfangreiche Entertainmentfunktionen bis hin zu teilautonomen Fahrfunktionen. Weitere Ergänzungen, wie automatisches Anhalten am Straßenrand bei Erkennung von Sekundenschlaf, stehen vor der Tür.

Die Aufrüstung in Sachen Komfort und Sicherheit verlangt aber auch nach ausgeklügelter Technik in Form von mehr und besserer Elektronik. Eine Entwicklung, die bei US-Reparaturwerkstätten zunehmend für Unmut sorgt, berichtet Wired.

30 Prozent denken ans Aufgeben

Reparaturen werden zunehmend kostspieliger, und oft setzen unterschiedliche Hersteller verschiedene Spezialwerkzeuge und Softwaretools dafür voraus. Diese sind nicht nur teuer, sondern verlangen auch laufend Weiterbildungen und neue Zertifizierungen von Mitarbeitern, was sich ebenfalls auf das Budget der Betriebe niederschlägt. Ebenso werden Ersatzteile teurer und sind, gerade wenn es um Elektronik geht, oft nur mit längeren Wartezeiten zu bekommen.

Ein guter Teil der Betreiber der US-Autowerkstätten befindet sich mittlerweile in Ruhestandsnähe, fast die Hälfte ist 60 Jahre oder älter. 30 Prozent aller Inhaber überlegen mittlerweile, aus dem Reparaturgeschäft auszusteigen, da es sich immer weniger rentiert. Seit 2019 hat sich die Wartezeit für Autoreparaturen in den Vereinigten Staaten von 1,7 auf 3,4 Wochen verdoppelt, während die Dauer einer Reparatur um 2,1 Tage zunahm. Die Schließung vieler Werkstätten könnte den sich abzeichnenden Servicemangel in Verbindung mit stetig komplexer ausgestatteten Fahrzeugen weiter verschärfen.

Europa ist besser gerüstet

Doch wie sieht es diesbezüglich am anderen Ende des Großen Teichs aus? Die Bundesinnung für Fahrzeugtechnik in Österreich weiß gegenüber dem STANDARD diesbezüglich zu beruhigen. Das Problem bei der Beschaffung von Ersatzteilen ist bekannt und betrifft die Reparaturbranche weltweit. Hier spielen Unterbrechungen der Lieferketten und Entwicklungen wie der Chipmangel der letzten beiden Jahre eine tragende Rolle.

Darüber hinaus sieht man sich aber von der Problemlage, wie sie in den USA herrscht, nicht betroffen. Speziell im deutschsprachigen Raum verfügt man über eine gute duale Ausbildung – Bildungsschiene und betriebliche Lehre – im Bereich der Fahrzeugtechnik. Ein Personalmangel zeichnet sich hier nach Darstellung der Branchenvertretung in der Wirtschaftskammer nicht ab.

"Sermi" sorgt für gleichberechtigten Zugang

Dazu reagieren einige Hersteller auf die Versorgungslage bei Ersatzteilen bereits mit Sondermodellen, die auf bestimmte elektronisch gestützte Extras verzichten. Hier geht es beispielsweise um Fahrzeuge, die im Gegensatz zu den herkömmlichen Modellen ihrer Serie keinen Spurhalteassistenten an Bord haben.

Zu guter Letzt verweist man auch auf den EU-Verband Sermi, der wiederum von Vertretern der Fahrzeughersteller, Ersatzteilhändler und freien Werkstätten gegründet wurde. Er dient der Umsetzung eines gleichnamigen Verfahrens, das durch eine EU-Verordnung vorgegeben wurde. Diese Verordnung tritt im August 2023 in Kraft und ermöglicht auch nichtherstellergebundenen Werkstätten den freien Zugang zu Anti-Diebstahl-, Reparatur- und Wartungsinformationen und Ersatzteilbestellung.

Ein "Trust Center", über das die Daten laufen, wurde bereits festgelegt. Im kommenden Jänner soll ein Pilotprojekt mit einer begrenzen Anzahl Teilnehmer seitens der Werkstätten und Automarken beginnen, ehe mit dem Stichdatum der Verordnung der Vollbetrieb aufgenommen wird. In Europa vertriebene Pkws, Transporter, Laster und Anhänger werden von Sermi abgedeckt.

Hoffen auf die Tech-Studenten

In den USA liegt die Verantwortung für die Ausbildung stärker bei den Betrieben selbst. Und was den Zugang zu Informationen und Ersatzteilen angeht, fehlt eine zu Sermi vergleichbare Regelung. Die Bedingungen unterscheiden sich von Bundesstaat zu Bundesstaat. Eine Vereinheitlichung ist nicht in Sicht.

Die Werkstätten, die es sich leisten können und wollen, versuchen mittlerweile stark um jenen Nachwuchs zu werben, der sich für Elektroautos und autonome Fahrfunktionen interessiert. Dazu gehören auch Studenten aus dem IT-Bereich, die künftig bei Reparaturen weniger mit dem stereotypischen Schraubschlüssel, sondern vielmehr mit Smartphone und Tablet zu Werke gehen. (gpi, 26.10.22)