Angesichts der russischen Angriffe auf die ukrainsiche Energieversorgung warnte Präsident Selenskyj vor bevorstehenden Stromabschaltungen im ganzen Land.

Foto: REUTERS/GLEB GARANICH

Kiew/Moskau – Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die russischen Luftangriffe als beispiellose Attacke auf die Energieversorgung seines Landes bezeichnet. "Russische Terroristen haben so schwierige Bedingungen für unsere Energiearbeiter geschaffen, dass niemand in Europa jemals zuvor so etwas gesehen oder erlebt hat", sagte Selenskyj am Mittwoch in seiner täglichen Videoansprache.

Einmal mehr warnte er vor bevorstehenden Stromabschaltungen im ganzen Land und rief die Bevölkerung zum Energiesparen auf. Darüber hinaus kritisierte er die seinen Angaben nach ungenügende Umsetzung des Getreideabkommens. Russland behindere weiterhin die Ausfuhr ukrainischer Lebensmittel über den Seeweg. 175 Schiffe stünden im Stau und warteten auf ihre Abfertigung, monierte der 44-Jährige. "Es ist offensichtlich, dass Russland beabsichtigt, die globale Nahrungsmittelkrise erneut zu verschärfen, um die Gefahr einer großen Hungersnot zurückzubringen". Er forderte die internationale Gemeinschaft auf, den Druck auf Moskau zu erhöhen.

Appell an afrikanische Länder

Selenskyjs Worte richteten sich dabei wohl auch an Regierungen in Afrika, um die die Ukraine nun verstärkt wirbt. "Es ist sehr wichtig, dass sie auf diesem Kontinent, auf dem der Einfluss des Kremls traditionell stark ist, die ukrainische Position hören und die volle Wahrheit darüber wissen, was wirklich passiert", betonte er.

Zuvor hatte Selenskyj mit dem Präsidenten von Guinea-Bissau, Umaro Sissoco Embaló, den ersten Staatschef aus Afrika seit Ausbruch des Kriegs empfangen. Embaló erklärte, er habe ein Gesprächsangebot Wladimir Putins mitgebracht, den er tags zuvor im Kreml getroffen hatte. Moskau hat das Angebot allerdings bisher nicht bestätigt.

Offenbar falsche Belege für Atombombe

Mit offenbar falschen Fotos hat das russische Außenministerium versucht, den Eindruck zu erwecken, dass es Beweise für den Bau einer "schmutzigen" – also atomar verseuchten – Bombe in der Ukraine habe. Eines der Bilder, das auf dem englischsprachigen Twitter-Account des Ministeriums auftauchte, gehöre der slowenischen Agentur für radioaktive Abfälle und stamme aus dem Jahr 2010, berichtete die Internetzeitung "Ukrajinska Prawda" am Mittwoch.

Der russische Vorwurf eines geplanten Einsatzes einer radioaktiven Bombe durch Kiew wird im Westen als möglicher Vorwand für eine weitere Eskalation des Kriegs gedeutet. Kiew weist die Vorwürfe zurück. Seit Anfang der Woche warnt die russische Regierung, vor einer angeblich radioaktiven Bombe in den Händen Kiews. Deren Einsatz auf ukrainischem Territorium soll demnach dazu gedacht sein, Moskau zu diskreditieren. Westliche Regierungen wiesen die Anschuldigungen als unglaubwürdig zurück.

Israelischer Geheimdienst: 400 iranische Drohnen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gab unterdessen den Austausch von Geheimdiensterkenntnissen mit Israel bekannt und sprach von einem "positiven Trend" in den Beziehungen zwischen beiden Staaten. "Wir sind also am Anfang der Zusammenarbeit, dies ist ein positiver Trend in den Beziehungen zu Israel", so Selenskyj. Die ausgetauschten Daten würden ukrainische Erkenntnisse über im Land eingesetzte iranische Drohnen bestätigen.

"Die derzeit ausgetauschten Daten des Geheimdiensts bestätigen erneut, was unsere Dienste wussten: Russland hat bereits rund 400 iranische Drohnen gegen die ukrainische Zivilbevölkerung eingesetzt", sagte Selenskyj. Seinen Angaben zufolge wurden 60 bis 70 Prozent der unbemannten Flugobjekte von der ukrainischen Luftabwehr abgeschossen.

Kritik an Zurückhaltung Israels

Am Montag noch hatte Selenskyj der israelischen Regierung auf einer von der israelischen Zeitung organisierten Konferenz "Haaretz" vorgeworfen, mit ihrer neutralen Haltung eine "Allianz" zwischen Russland und dem Iran zu begünstigen. Am Mittwoch erklärte er dann, dass die Ukraine und Israel jetzt wichtige Informationen austauschen würden. Nach einer langen Pause sehe er nun, dass es vorangehe.

Ausreichend sei das aber nicht, ergänzte Selenskyj jedoch. Israel sei ein Staat, der wirklich wisse, was Krieg bedeute. "Und ich denke, er sollte die Ukraine mehr unterstützen", sagte der Staatschef.

Israel hält sich bisher mit Unterstützung der Ukraine im russischen Angriffskrieg zurück. So war Israel bisher nicht bereit, der Ukraine den gemeinsam mit den USA entwickelten hochmodernen Luftabwehrschirm Iron Dome zur Verfügung zu stellen. Bei der weitgehend neutralen Haltung Israels zum Ukraine-Krieg spielt die aktive militärische Rolle Russlands in Israels Nachbarstaat Syrien eine Rolle. (APA, red, 26.10.2022)