Luftverschmutzung, etwa durch Abgase, ist weltweit eine der größten Gefahren für die menschliche Gesundheit.

Foto: imago/stock&people/Seeliger

Es geht in die richtige Richtung, sind sich Medizinerinnen und Umweltepidemiologen einig: Der Grenzwert für Feinstaub soll bis 2030 um mehr als die Hälfte gesenkt werden, schlug die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel vor. Der Gesetzesvorschlag, der noch von EU-Parlament und Rat genehmigt werden muss, sieht für zwölf Schadstoffe deutlich niedrigere Vorgaben als die aktuell gültigen Grenzwerte vor.

Zentral geht es – vereinfacht gesagt – um zwei Schadstoffe: Feinstaub und sogenannte Stickoxide. Zu Feinstaub zählen alle Partikel, die in der Luft schwirren und beispielsweise aus Sulfat, Nitrat, Ammoniak, Natriumchlorid oder Kohlenstoff bestehen. Das können Abrieb von Autoreifen, Plastikteilchen, Dünge- oder Abfallrückstände sein. Feinstaub – auf Englisch Particulate Matter, kurz PM – wird nach Größe klassifiziert: PM10 etwa bezeichnet alle Teilchen mit weniger als zehn Mikrometer Durchmesser.

Stickoxide sind gasförmige Verbindungen, die in Verbrennungsprozessen entstehen, zumeist bei Motoren und Anlagen für Kohle, Öl, Gas, Holz und Abfälle. In den meisten Städten gelten Stickoxide als Luftschadstoff Nummer eins.

Laut Vorschlag der EU-Kommission soll der Grenzwert für die Belastung mit Stickstoffdioxid künftig bei 20 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen, nicht mehr wie bisher bei 40 Mikrogramm. Auch für Feinstaub PM2.5 soll das Limit stark abgesenkt werden, auf zehn Mikrogramm pro Kubikmeter Luft statt bisher 25 Mikrogramm. Zudem soll der Grenzwert für Feinstaub PM10 auf 20 statt bisher 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gesenkt werden. Aber reichen diese Grenzwerte für ein gesundes Leben aus?

Gut, aber nicht gut genug

Die Entwicklung ist erfreulich, finden Fachleute – sehen aber trotzdem weiter Verbesserungsbedarf. Der Gesetzentwurf bleibt nämlich deutlich hinter den von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen und rechtlich nicht bindenden Richtwerten, kritisiert Barbara Hoffmann, Leiterin der Arbeitsgruppe "Umweltepidemiologie" der Uni Düsseldorf. Bereits vor einem Jahr empfahl die WHO bei Feinstaub maximal ein Fünftel der in Europa bislang erlaubten Menge. Und auch bei Stickstoffdioxid ist in Europa noch viermal so viel legal, wie die WHO vorschlägt. Dabei wären genau diese WHO-Werte aus gesundheitlicher Sicht entscheidend, sagt Hoffmann: "Oberhalb dieser Richtwerte kommt es zu schwerwiegenden Erkrankungen und vorzeitigen Todesfällen."

Das können Herz-Kreislauf-Probleme, Atemwegserkrankungen oder auch Demenz sein, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Europäische Umweltagentur EEA geht von etwa 417.000 vorzeitigen Todesfällen pro Jahr in 41 europäischen Staaten aus. Etwa 77 Prozent der städtischen Bevölkerung in der EU sind Belastungen mit Feinstaub PM2.5 ausgesetzt, die die WHO-Richtwerte überschreiten. Die WHO betont: Wenn ihre Richtwerte für Feinstaub PM2.5 eingehalten würden, könnten etwa 80 Prozent der darauf zurückzuführenden vorzeitigen Todesfälle vermieden werden. Denn überall dort, wo die Feinstaubbelastung besonders hoch ist, sterben deutlich mehr Menschen unter anderem an Herzerkrankungen und Schlaganfällen, wie zahlreiche Studien aus aller Welt zeigen.

Demenz durch Feinstaub?

Aus medizinischer Sicht ist das nur logisch. PM10 kann beim Menschen in die Nasenhöhle gelangen und zu Atemwegsentzündungen führen. Kleinere Partikel können sogar noch weiter in den Körper eindringen. Über den Riechnerv oder die Blut-Hirn-Schranke gelangen die Stoffe in die Organe – etwa in das Herz, die Bronchien, die Lungenbläschen oder sogar in den Blutkreislauf. Die Folgen reichen von Thrombosen über Diabetes mellitus Typ 2 bis hin zu Lungenkrebs. Die meisten Menschen, die ein Lungenkarzinom bekommen, haben nie geraucht, sondern wohl zu lange verschmutzte Luft eingeatmet, vermuten Fachleute.

Und auch in das Gehirn können die Partikel vorstoßen und die Denkleistung merklich beeinträchtigen. Je höher die Feinstaubbelastung am Wohnort ist, desto geringer ist die Gehirnleistung, zeigt eine Studie der Uni Rostock. Hoffmann warnt: "Eingeatmeter Feinstaub schädigt nicht nur, ähnlich wie Tabakrauch, ungeborene Kinder, sondern könne bis in das Gehirn vordringen und Demenz auslösen beziehungsweise die geistige Entwicklung von Kindern bremsen." Denn, auch das zeigt die Wissenschaft deutlich: Wer ein Leben lang Feinstaub einatmet, leidet später eher an Demenz oder Parkinson.

Kurzum: Luftverschmutzung ist global eine der größten Gefahren für die menschliche Gesundheit. Der Vorschlag der EU-Kommission ist ein Anfang im Kampf dagegen, betont Umweltmediziner und Public-Health-Experte Hans-Peter Hutter von der Med-Uni Wien. Ja, die WHO fordert noch strengere Grenzwerte, aber seine Erwartungen wurden weit übertroffen, sagt er: "Es ist ein großer, enorm wichtiger Schritt in die richtige Richtung für einen deutlich besseren Gesundheitsschutz unserer Bevölkerung, insbesondere für Risikogruppen." (Magdalena Pötsch, 27.10.2022)