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Insidern zufolge laufen in den USA strafrechtliche Ermittlungen gegen den Elektroautobauer Tesla. Grund sind mutmaßlich irreführende Werbeaussagen zum autonomen Fahren, also dem "Full Self-Driving"-System des Unternehmens. Das US-Justizministerium leitete die bisher nicht publik gemachte Untersuchung 2021 ein, wie die Nachrichtenagentur Reuters von drei mit der Angelegenheit vertrauten Personen erfuhr. Der Initiative gingen mehr als einem Dutzend, teils mit Todesopfern verbundene, Unfälle voraus.

Staatsanwälte in Washington und San Francisco prüften, ob Tesla Verbraucher, Investoren und Aufsichtsbehörden mit unbewiesenen Behauptungen über die Fähigkeiten seiner Fahrerassistenztechnologie täuschte, sagten die Insider, die nicht namentlich genannt werden wollten. Tesla und Firmenchef Elon Musk reagierten nicht auf die Bitte um eine Stellungnahme. Das Justizministerium wollte sich nicht äußern.

Hunderte Unfälle

Der Autobauer hatte bereits 2016 in Werbematerialien die Funktion angepriesen. Die US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA beschäftigt sich schon länger mit Kollisionen, bei denen Teslas Assistenzsystem Autopilot eine Rolle spielt. Im August 2021 leitete sie eine Untersuchung einer Reihe von Unfällen ein, von denen einer tödlich endete. Im Juni hatte die NHTSA erklärt, Tesla habe binnen eines Jahres 273 Unfälle im Zusammenhang mit Assistenzsystemen gemeldet – mehr als jeder andere Autobauer.

Tesla-Chef Musk erklärte unlängst, das System sei "wahrscheinlich besser" als ein Mensch am Steuer. Vergangene Woche kündigte er eine aktualisierte Version der Software "Full Self-Driving" an. In einem Video auf der Website des Unternehmens heißt es: "Die Person auf dem Fahrersitz ist nur aus rechtlichen Gründen dort. Er tut nichts. Das Auto fährt selbst." Zugleich warnt Tesla ausdrücklich, ein Fahrer müsse die Hände am Lenkrad lassen, um jederzeit das Auto unter Kontrolle zu haben. Vor Aktivierung der Funktion muss der Nutzer dem zustimmen. Die Software helfe beim Lenken, Bremsen oder Wechseln der Fahrspur, mache das Auto aber nicht autonom. "Wir sagen nicht, dass es schon so weit ist, dass niemand mehr hinter dem Lenkrad sitzt", sagte Musk. Die Warnungen könnten nach Einschätzung der Insider strafrechtliche Vorwürfe entkräften.

Langer Weg

Früher hatte Musk erklärt, die Probleme mit der Technik rührten daher, dass die Kunden sich bei ihrem Einsatz nicht an die Anweisungen von Tesla hielten. Sicherheitsbehörden in Kalifornien und auf Bundesebene untersuchen schon länger, ob die Werbeaussagen zum Autopilot den Kunden ein falsches Sicherheitsgefühl vermitteln und sie zu Leichtsinn verleiten. Die Ermittlungen des Justizministeriums könnten ernstere Konsequenzen haben – die Firma oder Führungskräfte könnten strafrechtlich belangt werden. Die Ermittler hätten aber noch viel Arbeit vor sich, eine Entscheidung über eine Anklage stehe nicht unmittelbar bevor, sagte einer der Insider. Nach Einschätzung einer ehemaligen Staatsanwältin, die Betrugsfälle in der Autoindustrie verfolgte, müssten die Ermittler mit E-Mails oder anderer interner Kommunikation beweisen, dass Tesla und Musk sich absichtlich irreführend äußerten.

Trotz der laufenden Untersuchungen erweiterte Tesla Ende September seinen Betatest des Autopilot. Insgesamt 160.000 Menschen in den USA und Kanada können mittlerweile auf das Feature zugreifen – wenn sie tief genug in die Tasche greifen. Die Teilnahme kostet stolze 15.000 Dollar, ende 2021 lag der Preis noch bei 10.000 Dollar. (APA, Reuters, red, 27.10.2022)