Bei zusätzlichen 2,5 Grad würde der Meeresspiegel deutlich steigen – Küstenregionen wie Florida würden überflutet.

Foto: AFP / Joe Raedle

Von den Pariser Klimazielen ist die Welt weit entfernt, warnt das UN-Klimasekretariat in seinem neuen Bericht. Bewertet werden darin jene Pläne, die die Staaten bei den Vereinten Nationen einreichten, um die Erderhitzung zu stoppen. Zwar habe die Welt seit vergangenem Jahr Fortschritte gemacht. Doch selbst wenn alle Staaten ihre Ankündigungen tatsächlich umsetzten, würden sie die Erde um rund 2,5 Grad erhitzen, prognostiziert das Sekretariat.

Das wäre deutlich mehr, als die Wissenschaft mit 1,5 Grad als noch halbwegs sichere Schwelle definiert hat. Bei 2,5 Grad liegt die Wahrscheinlichkeit bereits sehr hoch, dass etwa Eisschilder kollabieren und der Meeresspiegel dramatisch steigt. Wetterextreme würden weltweit schwere Schäden verursachen. Die Menschheit würde enorme Risiken für die Ernährungssicherheit eingehen. Die 27. Weltklimakonferenz, die COP27, soll nun für ein neues Momentum sorgen, um all das doch noch zu verhindern.

"Die Entscheidungen der Regierungen müssen jetzt die Dringlichkeit und das kleine Zeitfenster widerspiegeln, das uns noch bleibt, um die verheerenden Folgen eines ungebremsten Klimawandels zu vermeiden", warnte der UN-Klimachef, Simon Stiell, bei der Veröffentlichung des neuen Berichts.

Genau diese Dringlichkeit vermisse er jedoch: Nur 24 Staaten haben seit der Klimakonferenz im vergangenen Jahr ihre Pläne erneuert, berichtet die UN – obwohl eigentlich alle Länder zugestimmt hatten, stärkere Schritte zu beschließen. Auf der COP27, so fordert Stiell, müssten die Staaten ihre Hausaufgabe nachholen.

EU kündigt höheres Klimaziel an

Auch die Europäische Union, der weltweit drittgrößte CO2-Emittent, ist säumig. Der Grund dafür ist, dass die EU-internen Verhandlungen für das "Fit for 55"-Paket noch laufen. Mit diesem Bündel aus Gesetzen, zu dem etwa die Reform des Emissionshandels und der Verkaufsstopp von Neuwägen mit Verbrennungsmotoren zählt, will die EU ihre Emissionen bis 2030 um 55 Prozent senken.

In der gemeinsamen EU-Verhandlungsposition für die COP27, auf die sich die Klimaministerinnen und -minister am Montag einigten, heißt es, die EU werde "so schnell wie möglich" einen neuen – strengeren – Plan bei der UN einreichen. Das 55-Prozent-Ziel für 2030 soll dazu noch einmal in die Höhe geschraubt werden, erklärten die Ministerinnen und Minister.

Denn die Anstrengungen, Europa unabhängiger von russischem Erdgas zu machen, sollen höhere Einsparungen möglich machen, als vor dem Krieg geplant.

Staaten schieben Maßnahmen auf

Weltweit würden die Pläne der Staaten dazu führen, dass die Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2010 um knapp elf Prozent steigen. Für das 1,5-Grad-Ziel müssten sie jedoch um 43 Prozent sinken. "Wir sind bei der Emissionsreduktion noch nicht ansatzweise in der Nähe des Umfangs und des Tempo, die erforderlich sind, um uns auf den Weg zu einer Welt mit einer Temperatur von 1,5 Grad Celsius zu bringen", kritisiert Stiell.

Nach 2030 würden die Emissionen laut den jetzigen Pläne immerhin langsam fallen. Das ist eine Verbesserung zu Vorjahr: Damals hatte das UN-Klimasekretariat noch damit prognostiziert, dass auch danach mehr emittiert wird.

Allerdings, relativiert die UN, sei die Prognose weit von dem schnellen Abwärtstrend entfernt, der bis Ende der Dekade nötig ist. Dazu kommt, dass die neue Auswertung mit Vorsicht zu genießen ist: Sie basiert darauf, dass alle Staaten ihre Ziele erreichen.

Ob das gelingen werde, bleibe unklar, schreibt das Klimasekretariat. Viele Staaten würden Maßnahmen, die jetzt gesetzt werden müssten, in die Zukunft schieben.

"Ambitionierte Schritte vor 2030 sind unbedingt notwendig, damit die langfristigen Ziele des Pariser Klimaabkommens erreicht werden können", so das UN-Sekretariat in Vorbereitung auf die Konferenz. Der Ausblick ist düster. (Alice Prager, 27.10.2022)