Politik und Wirtschaft können mit einigen Änderungen für weniger Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen sorgen.
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Alle Jahre wieder kehrt das Thema zurück in die Öffentlichkeit, es kommt etwas Aufregung auf, und danach herrscht bis zum nächsten Jahr wieder Funkstille: Der Equal-Pay-Day gilt zwar als Warnsignal für Wirtschaft und Politik, endlich Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern zu schaffen. Aber wie auch die Jahre davor schließt sich die Einkommensschere in Österreich zwischen den Geschlechtern kaum. Frauen verdienen immer noch deutlich weniger als Männer. Dieses Jahr arbeiten Frauen laut Berechnungen des Gewerkschaftsbundes (ÖGB) ab dem 30. Oktober quasi gratis.

Männer haben im Durchschnitt bis zu diesem Tag bereits so viel verdient wie Frauen bis zum Ende des Jahres. Der Einkommensunterschied beträgt dieses Jahr im Schnitt 17,1 Prozent, weshalb Frauen statistisch gesehen rund zwei Monate unbezahlt arbeiten. Ein symbolischer "Gedenktag" also, der daran erinnern soll, dass es sich mit dem Bemühen um Geschlechtergerechtigkeit in Österreich noch nicht erledigt hat. Den Gehaltsunterschied berechnen ÖGB und Arbeiterkammer (AK) jährlich auf Basis der durchschnittlichen Bruttojahres bezüge von Vollzeitbeschäftigten. Würde man auch Teilzeitarbeitende in die Statistik einbeziehen, betrüge der Unterschied sogar 36 Prozent.

Nur die Zahlen sind schöner

Zwar erscheine die Einkommensschere Jahr für Jahr geringfügig kleiner, dieses Jahr sei die Berechnung aber mit besonderer Vorsicht zu betrachten, erklärt Korinna Schumann, Vizepräsidentin und Frauensprecherin des ÖGB. Die Corona-Krise, Kurzarbeit und generell auch für Männer niedrigere Löhne ließen die Statistik gegenüber dem Vorjahr zwar besser aussehen. Tatsächlich habe sich die Situation für Frauen aber kaum verändert. "Es geht viel zu langsam, und es bräuchte wirkungsvolle Maßnahmen, damit Frauen und Männer wirklich gleich viel verdienen", sagt Schumann. Doch was sind die Änderungen, Maßnahmen und Gesetze, die den Equal-Pay-Day abschaffen und für Lohngerechtigkeit sorgen?

1. Die Lohntransparenz

Vor bereits mehr als zehn Jahren wurde in Österreich das Lohntransparenzgesetz eingeführt. Unternehmen mit mindestens 150 Beschäftigten müssen seither Einkommensberichte vorlegen und zeigen, wie die Bezahlung von gleichen und vergleichbaren Tätigkeiten in ihrem Betrieb aussieht. Theoretisch. Praktisch drohen ihnen keine Konsequenzen, wenn sie es nicht tun.

Eine Studie des Arbeitsmarktforschers Andreas Gulyas aus dem vergangenen Jahr hat gezeigt, dass sich das Lohntransparenzgesetz weder auf die Löhne noch auf die Einkommensschere ausgewirkt hat. "Ohne Sanktionen wird es nicht gehen, denn das Lohntransparenzgesetz, so zahnlos, wie es jetzt ist, hat wenig bewirkt", schreibt Gulyas im Standard. Auch Schumann betont, dass die Gesetze verstärkt und ausgeweitet werden müssen. "Zumindest müsste man das Gesetz auch für Unternehmen mit bereits 100 Beschäftigten einführen."

2. Die Arbeitsbedingungen

Mehrere österreichische Unternehmen, darunter die Wiener Linien und das Hotel 25 Hours, schmücken sich bereits mit Arbeitskonzepten der New Work: Sie haben die Viertagewoche eingeführt. Dieses und andere Arbeitszeitmodelle brauche es verstärkt, sagen AK und ÖGB. Schumann schlägt vor, Teilzeitarbeit von Frauen heraufzusetzen, die Arbeitszeit von Männern hingegen zu verringern. Die Differenz könne dann staatlich unterstützt werden. Auch die Arbeiterkammer schlug schon öfter eine "Familienarbeitszeit" bis zum vierten Lebensjahr eines Kindes vor. Ziel wäre es, dass sich beide Elternteile die Sorgearbeit aufteilen und bei beiden die Arbeitszeit zwischen 28 und 32 Wochenstunden beträgt.

3. Die Sorgearbeit

Häufig sei Teilzeitarbeit eine Verkürzung der Arbeitszeit auf eigene Kosten, sagt Schumann. Sehr oft seien es immer noch Frauen, die wegen der Kinderbetreuung oder der Pflege von Angehörigen auf ein Teilzeitmodell umsteigen und somit auf die Hälfte ihres Gehalts verzichten. Abhilfe schaffen könnten hier an dere Rahmenbedingungen, damit Frauen sich freier entscheiden können, wie sie arbeiten wollen. Die Sozialpartner haben dafür bereits einen flächendeckenden Anspruch auf Kinderbetreuungsplätze ab dem ersten Lebensjahr des Kindes gefordert. Auch das Angebot an Ganztagsschulen und Nachmittagsbetreuung müsse in ganz Österreich verfügbar sein. Vor allem durch die Pandemie hat sich aber bei vielen Familien gezeigt, dass die Betreuung der Kinder und die private Pflegearbeit häufig an den Frauen hängen bleiben. Laut AK herrscht in Österreich außerdem ein Care-Gap, also ein großer Unterschied bei der Zeit, die Frauen und Männer für unbezahlte Arbeit aufwenden. Dieser macht 55 Prozent aus.

4. Die Gerechtigkeit

Nicht zuletzt seien Fairness und Gleichstellung in Unternehmen die Basis für gleiche Entlohnung, erklärt die Unternehmensberatung Deloitte anlässlich des Equal-Pay-Day. Geschlechterklischees herrschten oft noch – unbewusst – vor, beeinflussten aber stark den Umgang innerhalb einer Firma und auch Entscheidungen von Führungskräften.

"Unternehmen sollten schon bei Stellenbeschreibungen auf geschlechtsneutrale Formulierungen setzen", sagt Julia Groiß, Expertin für Gehaltsmanagement bei Deloitte Österreich. "Das bildet eine wichtige Basis für die Entlohnung sowie alle damit verbundenen HR-Prozesse." Wichtig wäre generell, Teams in Unternehmen heterogen und divers aufzustellen, nicht nur weil unterschiedliche Perspektiven zu besseren Ergebnissen führen, sondern auch weil dadurch weniger Konkurrenzdenken herrsche. Die Unternehmensberatung empfiehlt, sich klare und messbare Ziele für eine ausgewogene und vielfältige Unternehmenskultur zu setzen.

Wien ist Vorreiter

Wenn man in den Statistiken detaillierter die Bundesländer betrachtet, so zeigt sich in Wien mit zwölf Prozent ein deutlich geringerer Unterschied im Gehalt. In Vorarlberg mit 24,7 Prozent und Oberösterreich mit 21,2 Prozent sind die Gehaltsunterschiede am höchsten und liegen weit über dem Durchschnitt. Wien, betont Schumann, sei in Sachen Ganztagsschule und Nachmittagsbetreuung ein Vorreiter.

Doch auch in den Rollenbildern gebe es Unterschiede zwischen den Bundesländern. In Wien etwa würden sich gesellschaftliche Rollen stärker verändern. Im ländlichen Raum hingegen herrschten noch stärker traditionelle Geschlechterstereotype vor. (Melanie Raidl, 30.10.2022)