In ihrer Herbstkampagne versucht die SPÖ als aktuelle Umfragenerste derzeit allerlei für sich zu reklamieren. "Ohne Rot wäre es nicht Österreich", heißt es da auf dem Hauptsujet, das wohl nicht von ungefähr in den Farben der Nationalflagge gehalten ist. Was staatstragend wirken soll, wirft an anderer Stelle aber doch wieder Fragen auf. Nämlich wenn die Sozialdemokraten dann in ähnlicher Manier mit Falco, Donauwalzer oder Schnitzel aufwarten. Vor allem der panierte Versuch, das Heimatgefühl rot einzufärben, sorgte für Häme in den sozialen Netzwerken.

Wobei "Ohne Brösel wäre es nicht das Schnitzel" wohl noch als der eingängigste Spruch der Kampagne durchgehen dürfte. Zumindest bleibt er eher im Kopf hängen als jene Varianten, die rote Errungenschaften und die Gegenwart zusammenführen sollen. Etwa: "Ohne Rot gäbe es noch die Sechs-Tage-Woche. Jetzt wollen wir die Vier-Tage-Woche".

In einem knapp einminütigen Video zum Nationalfeiertag kam SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner dann wieder gänzlich ohne Inhalte aus. "Wir lieben unser Land", sagt sie mit freundlicher Miene. Man bekommt schneebedeckte Berge und Landschaften in Sonnenlicht präsentiert, aber auch Windräder und einen rot-weiß-roten Strommast. "Ein Österreich, das wir wollen, ist ein Land, das zusammenhält", erzählt die Sozialdemokratin. Es folgen weitere pathetische Ausführungen ("Ein Land, in dem die Menschen gerne leben"), ehe Rendi-Wagner dramaturgisch schließt: "Wir haben nur dieses eine Land, und wir haben nur eine gemeinsame Zukunft. Machen wir gemeinsam das Beste daraus."

Und wie passt das zusammen? Das alles präsentierte die SPÖ ihren Wählerinnen und Wählern innerhalb weniger Tage. In der Abfolge wirkt das nicht besonders konzise.

Zumindest für einen Teil davon, nämlich für die Herbstkampagne, setzte die SPÖ erstmals auf BrinkertLück. Die Hamburger Agentur unterstützte Olaf Scholz (SPD) unter anderem mit dem Slogan "Er kann Kanzlerin" auf seinem Weg ins deutsche Kanzleramt. Nun soll das auch mit der SPÖ gelingen. Die Agentur bestätigt auf Nachfrage des STANDARD, die Kampagne entwickelt zu haben. Diese sei dann vom Social-Media-Team "verlängert" und um weitere Sujets angereichert worden.

Zumindest beim Parteinachwuchs scheint die Kampagne gar nicht gut anzukommen. "Wir sind nicht stolz auf Österreich", richten die roten Studierenden ihrer Mutterpartei auf Instagram aus. Auch in Deutschland zeigt sich so manche Genossin nicht überrascht. Die Agentur setze unvermittelt auf Nationaltümelei und Klischees. Damit solle ein bisschen am rechten Wählerrand gefischt werden.

Apropos rechter Wählerrand: Auch FPÖ-Chef Herbert Kickl ließ den Nationalfeiertag nicht verstreichen, ohne ein Video abzusetzen. Inhaltlich ging es in dessen 15-minütiger Ansprache vor blauem Hintergrund samt Österreich-Flagge einmal mehr um den Erhalt der Neutralität seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine. Kickl ist in Anzug und Krawatte zu sehen und setzt – anders als im Parlament – auf einen staatsmännischen Ton. Was er erreichen will, ist klar: die eigene Zielgruppe in staatstragender Form anzusprechen. Politikwissenschafter Peter Filzmaier spricht von einer "Inszenierungsplattform Nationalfeiertag", die Kickl gekonnt nützen würde.

FPÖ-Chef Herbert Kickl machte in seiner 15-minütigen Videobotschaft die Neutralität zum Thema.
Foto: FPÖ-TV

Das Video der SPÖ nennt Filzmaier hingegen "hausbacken". Die strategische Logik sei für ihn "nicht erkennbar". Tatsächlich fragt man sich: Welche Zielgruppe will die SPÖ damit ansprechen? Will sie Kernwählerinnen und Kernwähler binden oder doch eher Wechselwählerinnen und Wechselwähler für sich gewinnen? Dieselben Fragen stellen sich auch bei den Botschaften auf den roten Plakaten.

Heimatgefühl im Trend

Der Kampagnenexperte Yussi Pick würde die FPÖ zwar kommunikativ nicht überhöhen, "die hat auch an Tritt verloren", wie er sagt. "Aber sie sind schon besser darin, alles auf ihr Kernthema zurückführen. Bei der SPÖ ist das eher Kraut und Rüben." Dass die SPÖ das Heimatgefühl wecken wolle, kann der Experte wiederum nachvollziehen. Das liege im Trend – auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen setzte in zwei Wahlkämpfen darauf. "Aber das muss man aufladen", sagt Pick. "Irgendwas mit Österreichfahne reicht nicht."

Zu den Sujets mit den roten Errungenschaften merkt Pick an: "Dankbarkeit ist keine politische Kategorie." Es sei zwar schön, dass die SPÖ vor Jahrzehnten etwas getan habe. Aber es gebe immer weniger Menschen, die das aktiv miterlebt hätten. Positiv sei, dass gleichzeitig etwas gefordert werde – aber oft zu unvermittelt und ohne Ansage, wie das eigentlich erreicht werden solle.

FPÖ als "Hauptgegner" der SPÖ

Was SPÖ und FPÖ eint, ist nicht nur die Oppositionsbank, sondern auch, dass beide aufgrund der ÖVP-Krise punkten – die Freiheitlichen allerdings mehr als die Roten. Zuletzt war die SPÖ in den Umfragen leicht rückläufig – zugunsten der FPÖ. Genau das könnte sich im Hinblick auf die spätestens im Jahr 2024 anstehenden Nationalratswahlen als großes Problem für die SPÖ erweisen.

Es sei nur noch "eine Frage der Zeit, bis die FPÖ in den Umfragen auf dem ersten Platz zu liegen kommt", prophezeit Filzmaier. "Die SPÖ hat nicht erkannt, dass ihr Hauptgegner nicht die ÖVP, sondern die FPÖ ist."

Die meisten ihrer Wählerinnen und Wähler hat die SPÖ in der Vergangenheit an die FPÖ verloren. Geht es nach Filzmaier, müsste es oberstes Ziel der SPÖ sein, die FPÖ kleinzuhalten. Denn je stärker diese werde, desto weniger Regierungsoptionen habe die SPÖ. Mit einer starken FPÖ könnte sich nicht nur eine Neuauflage zwischen ÖVP und FPÖ ausgehen, auch eine Dreiervariante SPÖ, Grüne und Neos würde damit in weite Ferne rücken. (Jan Michael Marchart, Sandra Schieder, 28.10.2022)