Jürgen Melzer bastelt an einem neuen Dominic Thiem, der heißt Joel Schwärzler.

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Wien – Es gibt verschiedene Tenniswelten. Da sind einerseits die Erste Bank Open, die boomen. Fans rennen der Wiener Stadthalle die Türen ein, das ATP-500er ist zum Klassiker geworden. Wobei Veranstalter und Turnierdirektor Herwig Straka sagt, man dürfe nie stehen bleiben, müsse wachsam sein und weiterarbeiten.

Andererseits gibt es den österreichischen Tennisverband ÖTV, er muss sich um die Basis und die Breite kümmern, jeden Euro umdrehen. Es ist Tradition, dass sich der ÖTV während des Klassikers präsentieren darf, über den Stand der Dinge Auskunft gibt. Die Lage ist überhaupt nicht hoffnungslos, aber doch etwas problematisch. Als Gast bedankt man sich für die Einladung, Straka hat alle drei Wildcards an Österreicher vergeben. "Das ist keine Selbstverständlichkeit", sagt Präsident Martin Ohneberg.

Filip Misolic, Jurij Rodionov und Dennis Novak sind alle in der ersten Runde ausgeschieden und haben gemeinsam genau null Sätze gewonnen. In der Qualifikation ist das Trio Alexander Erler, Lukas Neumayer, Lucas Miedler glatt gescheitert. Miedler holte einen Satz, darum konnte er sich aber nichts kaufen.

Sportdirektor und Daviscupkapitän Jürgen Melzer war ob der Niederlagen nicht überrascht: "Es ist zu hoffen, dass die Gescheiterten das Positive mitnehmen. Einerseits sind sie weit weg, andererseits sind sie in manchen Phasen recht nahe dran."

Zuwachs

Ohneberg glaubt an das Gute im Tennis. Die Zahl der Vereine ist binnen eines Jahres von 1671 auf 1705 gestiegen, der Verband zählt 190.000 Mitglieder, vor zwei Jahren waren es 173.000. "Wir bündeln die Kräfte." Der Präsident begrüßt die Erhöhung der Bundessportförderung von 80 Millionen auf 120 Millionen Euro. Der Verband erhält eine halbe Million mehr, nun sind es 1,6 Millionen. Das Budget beträgt 2,5 Millionen, 60 Prozent davon wird in den Sport investiert. Eher trist ist die Lage punkto Infrastruktur.

Am 11. und 12. November spielen die Frauen im Schwechater Multiversum den Billie-Jean-King-Cup gegen Lettland, das klingt nach Geistertennis und Defizit. Sportkoordinatorin und Kapitänin Marion Maruska hofft trotzdem auf einen Sieg. Der ÖTV hat keine eigene Halle. Ohneberg schwebt eine mit rund 3000 Sitzplätzen im Leistungszentrum Südstadt vor, die Gespräche mit Land und Bund sind deshalb nicht fortgeschritten, weil sie noch gar nicht begonnen haben. Die Slowakei hat beispielsweise in Bratislava ein Schmuckkästchen fürs Tennis.

"Der gesamte Sport in Österreich bräuchte eine Infrastrukturmilliarde", sagt Ohneberg. Die Situation ist aufgrund der extrem gestiegenen Energiekosten angespannt. "Viele Hallen werden über den Winter zusperren, weil sie sich den Betrieb nicht leisten können. Tennis darf kein Halbjahressport werden." Melzer bastelt derzeit an Thiems Erben. Anlass zur Hoffnung gibt der 16-jährige Joel Schwärzler. Der Vorarlberger arbeitet mit Melzer in der Südstadt, will Profi werden, diesem Ziel alles unterordnen. "Er hat einen verdammt schnellen Arm. Körperlich hat er noch Reserven." Schwärzler misst bereits 1,88 Meter (Christian Hackl, 28.10.2022)