Wie so oft bekräftigte Wladimir Putin am Donnerstag seine Haltung: Russland sei gesprächsbereit, der Westen aber wolle Russland klein halten.

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London/Berlin/Washington – Der russische Präsident Wladimir Putin hat den Westen vor einer weiteren Zuspitzung der Lage in der Ukraine gewarnt. "Der Westen" spiele ein "gefährliches, blutiges und schmutziges" Spiel, sagte Putin am Donnerstag bei einem fast vierstündigen Auftritt bei einer Diskussionsveranstaltung in Moskau. "Wir stehen an einer historischen Schwelle: Vor uns liegt das wahrscheinlich gefährlichste, unberechenbarste und zugleich wichtigste Jahrzehnt seit Ende des Zweiten Weltkriegs."

Früher oder später werde der Westen mit Russland aber über eine gemeinsame Zukunft sprechen müssen. Russland sei bereit zum Dialog mit der Ukraine zur Beendigung des Konflikts, Kiew wolle aber nicht an den Verhandlungstisch. Dabei könnte das Problem einfach gelöst werden, sagte Putin: Die USA müssten die Ukraine zu Friedensgesprächen drängen.

USA sehen keine Veränderung

Eine Sprecherin der US-Regierung erklärte, die Ausführungen Putins erhielten wenig Neues und deuteten nicht darauf hin, dass das Land seine strategischen Ziele verändert habe.

Die jüngsten Entwicklungen seien unvermeidlich gewesen, sagte Putin. Er denke zwar ständig auch an die Verluste, die Russland in der Ukraine erlitten habe. Aber Russland habe seine Souveränität gestärkt und die Wirtschaft habe sich besser als gedacht gehalten. Es gebe nichts in diesem Jahr, worauf er mit Enttäuschung zurückblicke. Bei dem seit Februar laufenden russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sind bislang mutmaßlich zehntausende Menschen getötet worden, darunter zahlreiche russische Soldaten. Der Westen hat wegen des russischen Vorgehens scharfe Sanktionen gegen das Land verhängt.

Putin sieht sich erneut provoziert

Mit Blick auf Atomwaffen sagte Putin, dass die Debatte an Schärfe zugenommen habe, liege auch an der britischen Ex-Premierministerin Liz Truss, die erklärt habe, ihr Land sei zum Einsatz von Atomwaffen bereit, wenn es die Umstände erforderten. Russland habe nie über die Nutzung von Atomwaffen gesprochen. Tatsächlich aber haben sich Putin und andere ranghohe Politiker sehr wohl dazu geäußert. Ex-Präsident Dmitri Medwedew etwa hat Ende September erklärt, Russland habe das Recht zum Einsatz von Atomwaffen, "wenn es nötig ist". Das sei "sicher kein Bluff". Putin sagte am Donnerstag, Russland habe zwar eine Militärdoktrin, die auch den Atomwaffeneinsatz beinhalte, diese sei aber nur für den Verteidigungsfall gedacht.

Zu Russlands Vorwurf, die Ukraine plane den Einsatz einer "schmutzigen Bombe", bekräftigte Putin, Kiew habe die Technologie, um eine solche Bombe zu bauen. Er habe deshalb seinen Verteidigungsminister aufgefordert, den Westen über das Risiko einer solchen Bombe zu informieren. Als "schmutzige Bombe" wird ein mit radioaktivem Material versetzter Sprengsatz bezeichnet, der zwar schwere Verwüstungen anrichten kann, in seiner Kraft aber nicht mit einer Atombombe vergleichbar ist.

Lob für Xi und Erdoğan

Putin bekräftigte frühere Aussagen, Russland habe versucht, eine freundschaftliche Beziehung zum Westen und zur Nato aufzubauen. Man habe darauf aber negative Antworten bekommen. Der Westen versuche, Russland verwundbar zu machen und überziehe alle mit Sanktionen, die sich ihm nicht beugen wollten. Dabei fordere Russland den Westen nicht heraus, sondern wolle sich das Recht zu einer eigenen Entwicklung erhalten.

Der russische Präsident hob zudem das Nato-Mitglied Türkei und China positiv hervor. Die Türkei sei ein zuverlässiger Partner und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ein starker Führer. Es gebe viele gemeinsame Interessen beider Länder. Die Beziehungen Russlands zu China seien sehr offen und effektiv. Der Handel zwischen beiden Ländern nehme zu. Den chinesischen Präsidenten Xi Jinping bezeichnet Putin als "Freund". Auch die Rolle Indiens in internationalen Beziehungen werde wachsen. Zudem müsse dem zuletzt von den USA kritisierten saudischen Kronprinzen Respekt gezollt werden. (Reuters, 27.10.2022)