Seit einem Unfall in seiner Kindheit ist Johann Königs Sehfähigkeit stark eingeschränkt.

Foto: Murat Aslan

Kaum jemand aus der deutschen Galerieszene genießt eine derartige Bekanntheit wie Johann König. Der erfolgreiche Galerist vertritt Künstlerinnen wie Katharina Grosse, Xenia Hausner und Erwin Wurm. Seine Galerie ist eher Kunstmekka als Verkaufsraum, und nicht selten stehen Fans Schlange vor der Galerie in Berlin-Kreuzberg. Die Vernissagen in der ehemaligen Kirche St. Agnes, die König seit 2015 ebendort veranstaltet, gleichen hippen Happenings. Neben seiner Dependance in Seoul bespielt der 41-Jährige seit 2021 auch das Kleine Haus der Kunst des Szenegastronomen Martin Ho vis-à-vis der Wiener Secession. (Das einjährige Pop-up-Projekt endet überraschend Ende Oktober 2022, Anm.)

Der Sohn des bekannten Kurators Kasper König und Neffe des Kunstbuchhändlers Walther König brachte bereits mit 38 Jahren seine Biografie Blinder Galerist heraus. Seit einem Unfall in seiner Kindheit ist Johann Königs Sehfähigkeit stark eingeschränkt.

Innovativer Visionär

Als Galerist bricht er gern mit Konventionen, legte beispielsweise früh Kaufpreise der Kunstwerke in den Ausstellungen offen und überrascht mit ungewöhnlichen Verkaufsformaten. Während der Pandemie veranstaltete er rund um die Uhr Interviews auf seinen Social-Media-Kanälen und präsentierte spektakuläre digitale Shows.

Als Reaktion auf Veränderungen am Kunstmarkt gründete König einen eigenen Online-Kunstverkaufsplatz für den Primär- und Sekundärmarkt: Auf misa.art werden analoge sowie digitale Kunstwerke etablierter und aufstrebender Künstler Seite an Seite angeboten. In der Kunstszene wird König als innovativer Visionär gefeiert und zugleich als egoistischer Geschäftsmann kritisiert, der Kunst wie in einem Start-up kommerzialisiert.

Nun machte die deutsche Wochenzeitung "Die Zeit" Vorwürfe der sexuellen Belästigung von Frauen gegen König publik. Im Zuge der Recherchen sprach "Die Zeit" mit mindestens zehn mutmaßlich betroffenen Frauen sowie Zeugen. Jetzt kommen sie zum Teil anonym, aber auch erstmals mit Klarnamen zu Wort. Es gilt die Unschuldsvermutung. (Katharina Rustler, 1.9.2022)