Auf ihrer Reise in einige Staaten des westlichen Balkans hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Nordmazedonien 80 Millionen Euro Unterstützung zur Abmilderung der hohen Energiepreise versprochen. Der gesamten Region werden von der EU 500 Millionen Euro für Investitionen in die Energie-Infrastruktur in Aussicht gestellt. Die versprochene Finanzhilfe sorgt unter EU-Beamtinnen und -Beamten aber auch für Kritik. Denn bisher waren die Vorbeitrittshilfen auch immer an Konditionen, nämlich an die Erfüllung von Reformen, gekoppelt.

Der albanische Premier Edi Rama begrüßt Kommissionspräsidentin von der Leyen bei der Ankunft in Tirana.
Foto: AP/Franc Zhurda

Das einzige Land am Westbalkan, das glaubhaft Reformen unternommen hat, ist Nordmazedonien. Allerdings wird der Staat, der bereits seit 2005 den EU-Kandidatenstatus hat, durch bulgarische Bedingungen bisher daran gehindert, mit den Verhandlungen zu beginnen. Beispielsweise verlangt Bulgarien eine Veränderung der Verfassung in Nordmazedonien, welche aber nur mit Zweidrittelmehrheit umsetzbar wäre, über die die Regierung nicht verfügt. Damit muss Nordmazedonien weiter warten – ein irritierendes Signal für die Region.

Visumfreiheit für Burundi und Tunesien aufgehoben

Am Freitag besuchte von der Leyen Serbien, das bereits 2014 mit der EU Verhandlungen aufgenommen hat, allerdings bisher wenige Reformen umsetzte. Nach wochenlangem Druck seitens der EU beendeten die Belgrader Behörden nun aber die visumfreie Einreise aus Tunesien und Burundi. Serbien sollte aufgrund seines Vertrags mit der EU die Außenpolitik und damit auch die Visumspolitik an jene der EU angleichen. Doch lässt Serbien Staatsbürger einiger Staaten ohne Visum einreisen – vor allem aus jenen Staaten, die den Kosovo nicht anerkennen, um diese zu "belohnen".

Zuletzt war es etwa zu einem Anstieg der Zahl von Asylsuchenden aus Indien gekommen, weil diese visumfrei nach Serbien einreisen können und dann über Ungarn nach Österreich reisten. Serbien hat der EU-Kommission zugesagt, die Visumspolitik teilweise bis Ende des Jahres, teilweise im kommenden Jahr, an jene der EU anzugleichen.

Plus 170 Prozent

Zu den Ländern, aus denen Migranten ohne Visum nach Serbien einreisen, bevor sie versuchen, in die EU einzureisen, gehören Marokko, Tunesien, Ägypten, Burundi, Kuba und Indien, aber auch die Türkei. Ylva Johansson, die EU-Kommissarin für Inneres, hatte Serbien in den vergangenen Wochen angedroht, die Schengen-Visumsfreiheit auszusetzen, sollte Serbien seine Visumpolitik nicht ändern. Laut der europäischen Grenzschutzagentur Frontex wurden in den vergangenen neun Monaten mehr als 106.000 irreguläre Einreisen in die EU aus den westlichen Balkanstaaten registriert, ein Anstieg von 170 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

In Serbien wurde indes am Freitag – ein halbes Jahr nach den Wahlen – eine neue Regierung formiert. Präsident Aleksandar Vučić, der in Serbien autokratisch regiert und alle Fäden in den Händen hält, hat einige Minister ausgewechselt. So wird der Rechts-außen-Mann und Kreml-Freund Aleksandar Vulin nicht mehr das Innenressort leiten. Dieses wird vom Leiter der Sicherheitsinformationsagentur Bratislav Gasić übernommen. Außenminister wird der prorussische Ivica Dačić, Vorsitzender der Sozialistischen Partei, der das Amt bereits von 2014 bis 2020 innehatte. Schritte im Dialog mit dem Kosovo, den Serbien als Staat nicht anerkennt, sind mit ihm nicht zu erwarten. (Adelheid Wölfl, 28.10.2022)