"Wormhole Stories" von Maggessi und Morusiewicz.

Huggy Bears

"Huggy Bears" nennt sich eine Wiener Plattform für junge Performancekunst. Geleitet wird deren Mentoring-Programm von Philippe Riéra, Mitgründer der einst hippen Wiener Gruppe Superamas, und der Künstlerin Charlotte Bastam. Vor zwei Jahren hat Riéra Superamas, die jetzt in Amiens zu Hause sind, verlassen und konzentriert sich ganz auf die Unterstützung neuer Talente aus Tanz und zeitgenössischer Performance.

Jetzt ist im Wiener Wuk Showtime für die aktuellen Schützlinge der "Huggy Bears". Sie präsentieren – noch bis Samstag – ihre von Riéra und Bastam betreuten Arbeiten: Verena Herterich mit Max Oravin, Sara-Lisa Bals und Guilherme Maggessi mit Rafal Morusiewicz.

In ihrem Duett Unravellings arbeiten sich Herterich als Tänzerin-Choreografin und Oravin als Klangkünstler tief in die Verstrickungen zwischen Körper, Material, Licht und Musik. Für deren Entwirrung genügt eine beinahe nüchterne Bühne: das Soundpult, Stoffbahnen und Tücher, einige Lautsprecherboxen, zwei Mikros und Scheinwerfer.

Eine solche Zurückgenommenheit wirkt heute, vor allem wie hier in Kombination mit Tanz, wieder radikal. Da treten weder trendy Glitzer nach Nabelschaudemonstration auf, sondern zwei Figuren, die aus den Grundsubstanzen der Kommunikation eine herausfordernde Performance wachsen lassen.

Vorbei die Identitätsnotstände, her mit echter Emanzipation

Der Sound, die Lichtchoreografie (Victor Duran Manzano) und gesprochener Text unterstreichen Emotionalität und Atmosphäre. Der Musiker arbeitet als Performer gleichberechtigt mit der Tänzerin. Und: Die Stoffe sind in ihren Farben mit dem Licht abgestimmt und als Material eher selbst Darsteller als bloß Kostüme oder Accessoires.

Hier wird jedes Detail zum Medium des Austauschs zwischen dem Menschen und seinen Umgebungen. So bietet sich Unravellings als Vorwegnahme einer Zukunft an, in der die schon so oft durchgearbeiteten Identitätsnotstände vorüber und echte Emanzipationen hergestellt sind.

Ganz in der Gegenwart bewegt sich Sara-Lisa Bals’ Poems don’t always have to rhyme you know mit drei Performances in einer Installation. Da reitet ein cooler Cowboy auf einem neckischen Pferdchen, gibt eine Erzählerin im Rollstuhl die Geschichte eines Konflikts zum Besten und erzeugt ein Performerinnentrio den Anschein dreier Orgasmen. Mittendrin findet das Publikum Sympathie für das sexy Ross-und-Reiter-Paar, die Worte und die Offenherzigkeit, mit der die Sehnsüchte des diversen Körpers dargestellt und formuliert werden.

Auf dieser Ebene ist Bals’ Arbeit mit den Wormhole Stories von Maggessi und Morusiewicz verwandt. Doch das Wurmloch-Duett glänzt mit fabelhaft komponierten Videoprojektionen, einem delikaten Musikkonzept und ergibt mit den beiden Körpern eine Choreografie des inneren Cruising: ein imaginiertes Umherschweifen auf der Suche nach sexueller Erfüllung.

Ein bemerkenswerter Nachwuchs ist im Anmarsch. Bis 29. 10. (Helmut Ploebst, 29.10.2022)