Sebastian Kurz (rechts) soll einst geplant haben, den eigenen Parteichef Reinhold Mitterlehner (links) zu desavouieren.

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Schlecht darstellen wollte das Team um Sebastian Kurz die wirtschaftliche Lage in Österreich – und zwar schon im Jahr 2016, als der spätere Kanzler noch im Außenministerium wirkte und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner noch fest im Sattel saß. Das behauptet zumindest Thomas Schmid, der diesen Sachverhalt im Rahmen seiner Einvernahmen vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) schilderte.

Laut Schmid wollten Kurz und der damalige ÖVP-Generalsekretär Axel Melchior eine Unternehmerplattform errichten. Diese sollte "die angeblich schwierige Situation von Unternehmern in Österreich öffentlichkeitswirksam darlegen" und "aus Geldern der Industriellenvereinigung finanziert" werden. Damit sollte die Wirtschaftspolitik der rot-schwarzen Regierung von Kanzler Christian Kern (SPÖ) und Vizekanzler Mitterlehner desavouiert werden.

Schmid war "dabei, Unternehmer zu finden"

Die WKStA ging auch diesem Vorwurf nach und wurde in den hunderttausenden sichergestellten Schmid-Chats fündig. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. In einem Aktenvermerk von 27. Oktober 2022 hat sich laut WKStA gezeigt, "dass bereits mehrere Unternehmer in dieser Sache angesprochen wurden". Zudem habe Schmid auch drei Mitarbeiter des Finanzministeriums für die Sache eingespannt, darunter den heutigen Sektionschef Dietmar Schuster und den einstigen Kurz-Sprecher Johannes Frischmann.

Und so soll die Sache abgelaufen sein: Schon im September 2016 war Schmid laut Chatnachrichten an Melchior "dabei, Unternehmer zu finden". Ansprechpartner dürfte zunächst Christoph Neumayr, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV) gewesen sein. Der leitete Schmid dann an den Unternehmer und Präsidenten der Industriellenvereinigung Vorarlberg Martin Ohneberg weiter.

Zuvor hatten die eingeweihten Kabinettsmitarbeiter schon andere Namen zusammengetragen, darunter auch ein Unternehmen, das der Familie einer Mitarbeiterin im Ministerium gehörte. An Ohneberg wandte sich Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium, im November 2016 dann aus Marrakesch. Er erwischte den Unternehmer im Spar in Wien-Mitte, wie der ihm mitteilte, um ihm noch "viel Spaß am Bazar" zu wünschen.

Die "H......" der Landeshauptleute

"Alles im Laufen", rapportierte Schmid prompt an Melchior und der antwortete mit "lieben Grüßen", diesmal "aus den USA". In den Tagen danach intensivierte sich die Kommunikation zwischen Schmid und Ohneberg – Letzterer hatte gleich Tipps für Schmids Verhandlungen rund um den Finanzausgleich mit den Ländern parat. Würde man die umsetzen, könnte man "den Landeshauptleuten 500 Millionen Euro in den H..... stecken :-p", merkte der Unternehmer, der seit 2015 Präsident der Industriellenvereinigung Vorarlberg ist, scherzhaft an.

Wegen des geplanten "gemeinsamen Projekts" (Schmid) trafen die beiden einander auch, aber so richtig angefreundet hat sich Ohneberg mit der Sache nicht. Als Schmid begann, auf ein weiteres Treffen zu drängen, machte Ohneberg einen Rückzieher. Aus seiner Absage gehen die Gründe dafür hervor: Er werde den Vorschlag nicht annehmen, denn er fühle sich "bei den verdeckten Dingen nicht wohl". Medien und Mitwirkende würden "sicherlich wissen wollen, was/wer hinter der Initiative steckt" und da könne er dann "nur lügen". Und: "Sorry, aber das ist mir zu heiß & auch nicht gut für meine IV Sache", schrieb Ohneberg, bedankte sich aber, dass man an ihn gedacht habe.

"Houston, wir haben ein Problem"

Diese fürs Projekt schlechte Nachricht leitete Schmid damals an Melchior weiter, mit den filmreifen Worten: "Houston wir haben ein Problem".

Zwei Wochen später meldete sich Ohneberg allerdings noch einmal beim Generalsekretär des Finanzministeriums: "Hey Thomas – Michael Tojner würde es machen!" Laut WKStA wurden diesbezüglich aber keine Nachrichten zwischen Schmid und dem Michael Tojner gefunden. Unternehmer Tojner selbst sagte am Samstagabend zum STANDARD, es habe mit ihm keine Kontaktaufnahme für eine solche Plattform gegeben und er habe von solchen Plänen auch nichts gewusst. *

Und der Industrielle Ohneberg erinnert sich, er sei damals gefragt worden, ob er den Vorsitz in einem Verein machen würde, der die Wirtschaftspolitik von Mitterlehner und Kern öffentlich kritisieren sollte. Er habe aber gesagt, das sei nicht seine Art "und so etwas mache ich nicht". Dass die Industriellenvereinigung diese Plattform finanzieren sollte, das sei für ihn neu gewesen, als er über die Sache in den Medien gelesen habe, so Ohneberg zum STANDARD. (Renate Graber, Fabian Schmid, 29.10.2022)

*Der Artikel wurde am 30. Oktober, 7 Uhr, ergänzt.