Am Sonntag wurde auf dem Prager Wenzelsplatz erneut demonstriert – diesmal für die Ukraine.

Foto: EPA / Martin Divisek

"Wir schaffen das – Tschechien gegen die Angst": Das war das Motto einer Kundgebung, zu der sich am Sonntag zehntausende Menschen auf dem Prager Wenzelsplatz versammelten. Zentrale Anliegen waren die weitere Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine sowie der Widerstand gegen Einschüchterungsversuche durch Moskau.

Zu der Kundgebung aufgerufen hatte die Organisation "Eine Million Momente für die Demokratie". Die Menschen schwenkten tschechische, ukrainische und EU-Fahnen. Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft nahmen in ihren Redebeiträgen Bezug auf die aktuellen Sorgen angesichts von Teuerung und drohender Energieknappheit. Es gelte, diese Ängste ernst zu nehmen, lautete der einhellige Befund. Allerdings dürfe man den Populisten nicht erlauben, sie für sich zu instrumentalisieren.

Die Rednerinnen und Redner nahmen dabei auch Bezug auf eine andere Demonstration, die erst am Freitag, ebenfalls auf dem Prager Wenzelsplatz, über die Bühne gegangen war. Damals hatten zehntausende Menschen unter anderem eine Distanzierung von der Ukraine, direkte Verhandlungen mit Moskau über Gaslieferungen und einen Rücktritt der Mitte-rechts-Regierung von Premier Petr Fiala gefordert, die sich klar zur Unterstützung Kiews bekennt.

Eintreten für sozial Schwache

Die Organisatoren der Kundgebung vom Freitag hatten ihre Veranstaltung unter das Motto "Gewaltlose Revolution – Tschechien zuerst" gestellt. Vertreten waren damals vor allem die politischen Ränder von ganz links bis weit rechts. Auf der Demonstration am Sonntag zeigte man Verständnis für all jene, die angesichts von Inflation und explodierenden Energiekosten vor finanziellen Problemen stehen, und forderte die Regierung auf, in der Krise die Schwächsten nicht aus den Augen zu verlieren. Den Organisatoren der Kundgebung zwei Tage zuvor warf man jedoch vor, mit der Angst der Menschen nur ihr eigenes politisches Süppchen kochen zu wollen.

Per Videobotschaft wendete sich am Sonntag auch Olena Selenska, die Ehefrau des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, an die Teilnehmenden und bedankte sich für die Unterstützung für ihr Land. Den Widerstandsgeist in der Ukraine illustrierte sie mit Berichten von Konzerten und anderen Kulturveranstaltungen, bei denen infolge der russischen Angriffe auf die ukrainische Energieinfrastruktur der Strom ausgefallen war – und die dann im Schein von Taschenlampen fortgesetzt worden seien.

Weder für noch gegen Regierung

Ansprachen hielten unter anderem auch der bekannte Ökonom Tomáš Sedláček, der Prager Weibischof Václav Malý oder eine junge Ukrainerin aus dem Donbass, die seit 2014, als dort die Kämpfe mit den pro-russischen Separatisten ausbrachen, auf der Flucht ist.

Die Organisation "Eine Million Momente für die Demokratie", die hinter der Kundgebung vom Sonntag stand, wurde 2018 gegründet und rief zunächst erfolgreich zu Massenprotesten gegen die Politik des damaligen Premiermisters Andrej Babiš und seiner populistischen Partei Ano auf.

Seit Dezember vorigen Jahres regiert nun der Konservative Petr Fiala mit seiner Mitte-rechts-Koalition. Die jüngste Demo habe sich weder für noch gegen die Regierung gerichtet, sagte eine Sprecherin der Organisatoren. Zentral sei das Eintreten für eine Stärkung des gesellschaftlichen Dialogs, für Zusammenhalt in der Krise sowie gegen die vermeintlich einfachen Lösungen von Populisten und Radikalen. (Gerald Schubert aus Prag, 30.10.2022)