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"Du, Papa, das wollte ich dich noch fragen ..." – über den Tod sprechen kann Eltern und Kind näher zueinander bringen.

Foto: Getty Images/A&J Fotos

Wenn die eigenen Eltern altern, ist es an der Zeit, über Dinge zu sprechen, die bisher tabu waren. Eines dieser Tabus ist das Gespräch über den Tod. Sich vorzustellen, dass Mama und Papa irgendwann sterben, ist nicht leicht. Umso größer sei dann die Betroffenheit, wenn es einen unvorhergesehenen Todesfall gibt oder eine schwere Krankheit eintritt, sagt Trauerbegleiterin Verena Brunnbauer. "Von einem Tag auf den nächsten müssen sich Angehörige mit Themen auseinandersetzen, über die sie sich noch nie Gedanken gemacht haben." Gibt es ein Testament? Eine Patientenverfügung? Wie soll die Beerdigung ablaufen? All diese Fragen sollten zu Lebzeiten geklärt werden, findet die ehemalige Bestatterin.

Sie vertritt die aus Amerika stammende "Death Positiv"-Bewegung. Ziel der gesamten Bewegung rund um den guten Tod ist es, Menschen dazu zu bringen, mit Freunden, Eltern und Partnern über den Tod, das Sterben und Wünsche an eine Bestattung zu sprechen. "Die Gespräche sollen das Gefühl für das fördern, was im Leben zählt, und dazu anregen, sich auf die positiven Elemente zu konzentrieren und ein erfülltes Leben zu führen." Aus Erfahrung weiß Brunnbauer, dass es viel Überwindung kostet, mit anderen über das Sterben zu sprechen. Deswegen hat sie gemeinsam mit ihrer Partnerin Nicole Honeck das Kartenspiel "Sarggespräche" entwickelt. Es umfasst 105 Fragen rund um das Leben und den Tod. Gemeinsam mit der STANDARD-Redaktion wurden 15 Fragen ausgewählt, die passend sind für ein Gespräch mit Mama oder Papa. Sie umfassen alle wichtigen Fragen, die man Eltern noch zu Lebzeiten stellen sollte. Ein Tipp von Brunnbauer: "Die Fragen müssen nicht alle auf einmal gestellt werden. Hin und wieder eine Frage einwerfen geht auch, denn oft entstehen bei einer Frage alleine lange Gespräche."

Das Kartenspiel "Sarggespräche", entwickelt von Verena Brunnbauer und Nicole Honeck, ist unter www.deathpositiv.at zu erwerben.
Foto: Verena Brunnbauer/deathpositive.at

Was dabei herauskommen kann, zeigt sich am Gespräch zwischen Benni (31) und seinem Vater Klaus (58), denen wir die Fragen vorab als Test geschickt haben. Benni erzählt: "Ich habe mit meinem Papa bisher noch nie über das Thema Sterben gesprochen. Er ist ja auch noch recht jung. Wir sprechen allgemein nicht über tiefgründige Dinge, sondern meist eher über den Job oder Hobbys. Aber ich fand das ein spannendes Experiment, und ich muss sagen, dass ich die zwei Stunden mit ihm wirklich sehr genossen habe. Ich freue mich, dass er so spontan bereit dazu war. Ich habe Dinge erfahren, die ich noch nicht wusste, und irgendwie sind wir uns nach diesem Gespräch ein Stück näher." (Nadja Kupsa, 31.10.2022)


15 Fragen, die man seinen Eltern stellen sollte, bevor sie sterben

1. Mein Lebensweg … Benenne spontan die schönsten und traurigsten Momente deines Lebens.

Meine Erinnerung geht sehr weit zurück. Ich kann mich zum Beispiel sehr gut erinnern, als ich vier Jahre alt war und einen Oberschenkelbruch hatte. Ich musste vier Wochen lang alleine im Spital verbringen. Ich kann mich noch so gut an dieses Gitterbett erinnern, es war die Hölle. Damals war es so, dass meine Eltern mich nur alle drei Tage besuchen durften.

Positiv war meine gesamte Schulzeit. Ich hatte immer Freunde in der Schule, war beliebt. Später, als ich studiert habe, habe ich deine Mama kennengelernt. Einer der schönsten Momente war, als du auf die Welt gekommen bist. Der traurigste Moment meines Lebens war dann, als deine Mutter mich verlassen hat und als mein Vater gestorben ist. Ein weiser, großherziger Mensch, mit dem ich vieles erlebt habe.

2. Weißt du schon, wo deine letzte Ruhestätte sein soll?

Ich freunde mich immer mehr mit der Idee meines eigenen Vaters an, der ja bei uns im Garten begraben wurde. Ein Platz neben ihm fühlt sich nicht so schlecht an.

3. Du stirbst. Willst du, dass deine Familie noch an deiner Seite ist, oder willst du alleine sein?

Meine Frau hätte ich schon gerne an meiner Seite. Euch Kinder vielleicht nicht unbedingt, das würde ich euch gerne ersparen irgendwie.

4. Hast du Angst vor dem Sterben?

Nein, ich bin jetzt fast 60 Jahre alt und muss sagen: Der Großteil meines Lebens war leiwand, ich wäre jetzt im Reinen mit mir.

5. Wen würdest du jetzt schon gerne auf deine Beerdigung einladen, wen nicht?

Neben meiner Verwandtschaft meine Freunde. Da hoffe ich, die kommen alle. Ausschließen würde ich aktuell niemanden, ich habe keine Feinde.

6. Welches Lied möchtest du hören, bevor du stirbst?

Bist du wahnsinnig, das ist eine Frage … Ich als alter Klassikfan würde sicher etwas Dramatisches hören wollen: eine Puccini-Arie vielleicht.

7. Gibt es etwas, das du mit mir gemeinsam noch erleben willst?

Das muss nichts Großartiges sein, spontan fällt mir ein, dass ich gerne mit dir und deinen Brüdern einen guten Abend verbringen möchte mit ein paar Bier und guten Gesprächen. Ja, so eine Männerrunde wäre super, zumindest einmal im Jahr!

8. Mein letzter Tag auf Erden würde folgendermaßen aussehen …

Ich hätte meine Frau und euch Kinder um mich, würde Krautfleckerln von der Oma essen und hier im Haus chillen.

9. Willst du von mir im Alter gepflegt werden?

Nein, ich möchte nicht, dass ihr das macht. Ich möchte jedenfalls niemanden belasten. Im Heim hat man vielleicht sogar mehr Angebot, man findet noch einmal Freunde und so ...

10. Hast du ein Testament? Wenn ja, wo liegt es?

Nein. Ihr Kinder erbt sowieso alles.

11. Wärst du bereit, deine Organe zu spenden?

Ja, wenn sie zum Brauchen sind, gerne. Mein Cholesterinspiegel ist ja jetzt schon so hoch (lacht).

12. Was könnten deine letzten Worte sein?

Da fällt mir spontan Spike Milligans "I told you I was ill" ein (lacht). Die letzten Worte meines Vaters weiß ich noch genau, das war zu Mittag: "Wüst a Suppn?" Am Nachmittag war er dann tot. Meine letzten wären vielleicht: "Wir sehen uns!"

13. Besitzt du eine Patientenverfügung?

Nein, aber das muss ich noch machen! Wenn ich nur mehr mit Schmerzmitteln leben kann oder seit einem Jahr im Koma liege, dann würde ich lieber gleich sterben.

14. Wie sollte deine Bestattung aussehen?

Ich will es so machen wie mein Vater. Der hatte bei seiner Beerdigung schöne Musik. Dort hat ein Chor das Lied "Auf der Sonnenseite" gesungen. Das Lied ist mir egal, das könnt ihr Kinder aussuchen, aber ich finde Musik ganz wichtig. Das muss nichts Trauriges sein, das Jazzkonzert von New Orleans gefällt mir fast besser, das ist positiv! Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass die Leute eine richtige Party feiern mit Disco. Es sollen einfach alle noch mal zusammenkommen und an mich denken – ein letztes Mal. Danach will ich verbrannt werden und in eine Urne.

15. Gibt es etwas, das du in deinem Leben bereust? Das du heute anders machen würdest?

Eigentlich nichts, nur an eine Sache denke ich öfters: Ich habe mein Musikstudium nicht durchgezogen. Ein ehemaliger Kommilitone von mir ist heute erfolgreicher Jazzmusiker und ist echt viel herumgekommen. Das hätte ich vielleicht auch haben können. (Protokoll: Nadja Kupsa, 31.10.2022)