Die Symphoniker unter Matthias Pintscher – mit hoher Intensität.

Markus Sepperer

Jene wenigen, die 2020 bei der Wien-Modern-Uraufführung von Zorn Gottes dabei waren, erinnern sich an den eigenen bestandenen Corona-Test und einen publikumslosen Musikvereinssaal. Es war Lockdownzeit, und umso elementarer traf die Wucht dieses vom RSO Wien interpretierten Werkes von Sofia Gubaidulina, das der ORF damals tatsächlich auch aufnahm.

Am Samstag zu Festivalbeginn tauchte das Orchesterstück wieder – nun im Konzerthaus vor ziemlich viel Publikum – auf. Die Symphoniker unter Matthias Pintscher zeigten emotionale Wucht und Prägnanz: Die Blechbläserflut, das Adagiohafte, dann Perkussive, die Streicherwehklage und die sich ins Überreizte steigernden Idyllen; all diese instrumentalen Gesten kommen samt dem monumentalen Finale glanzvoll zur Geltung.

Wilde Geigenkunst

Auch bei Tableau von Helmut Lachenmann traf man interpretatorisch den neuralgischen Punkt: Heftige Einwürfe werden über flächige Strukturen gelegt und mit Einzelpointen verzahnt. György Kurtágs Stele war da ein vergleichsweise introvertierter "Klagegesang". Seine dahinschwebenden Linien mit ihrer melancholischen Noblesse wurden aber ebenso profund evoziert.

Zu welcher Vielfalt des Ausdrucks man fähig war, zeigte sich auch im Zusammenwirken mit der kanadischen Geigerin Leila Josefowicz. Sie präsentierte Pintschers neues, drittes Violinkonzert Assonanza, dessen Ausgangspunkt ein Stück des deutschen Komponisten war, das Josefowicz Lockdown-bedingt virtuell uraufgeführt hatte.

Es ist ein Stück der Extreme geworden: Eruption, Resignation, Aufbäumen und Tonmeditationen prägen den Dialog zwischen Geige und Orchester. In diesem Wechsel zwischen Bewegung und klangerfülltem Stillstand leuchtet das intensive Violinspiel auf. Virtuosität und zupackender Gestus verschmolzen zum aufwühlend-abstrakten Seelenporträt. Wenn das Festival diesen Energielevel halten kann, wird es für Wien Modern ein toller Jahrgang – mit Publikum. (Ljubiša Tošic, 31.10.2022)