Melody Gardot: Coole Stimme, aber etwas resrviert.

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Ja, die Stimme ist cool: samtig, dunkel, elastisch. Die Songs: angenehm und leicht zu hören. Der Abend mit Melody Gardot im Wiener Konzerthaus geriet auch dank der Instrumentalisten abwechslungsreich – und ebenso deshalb, weil er die zwei jüngsten Alben der Singer-Songwriterin miteinander verbindet.

Auf dem einen, "Sunset in the blue", werden die meist balladesken Nummern von einem satten Streichersound ummantelt, auf dem anderen, "Entre eux deux", ist Reduktion angesagt: Nur der Pianist Philippe Powell ist neben der Sängerin zu hören.

Im Wiener Konzerthaus kommt zur klassischen Jazz-Trio-Besetzung (mit Chris Thomas, kb, und Jorge Bezerra, perc) ein Streichquartett mit Mitgliedern des nationalen philharmonischen Orchesters von Armenien: fähige, vielseitige Leute, die manchmal auch einmal andeutungsweise ihr Können zeigen, aber meist einen gefühlsseeligen Klangteppich bilden. Ob man darin schwelgen mag oder das einfach nur kitschig findet, ist eine Frage des Geschmacks.

Effekt und Plätschern

Powell ist eine Nummer für sich: Er wirkt versiert und spontan zugleich, singt mit Gefühl und Wärme. Gardot selbst wirkt eher wie die Routine in Person – wenn es darum geht, froh zu sein, hier zu sein, ebenso wie beim Scherzen und beim Singen selbst: ganz nah an der täuschend echten Emotion, zugleich aber immer etwas distanziert.

Sehr viel geht es um Effekt, auch bei den vielen Zwischenstationen des Abends, etwa bei Bezerras Schlagzeugsolos mit Naturgeräusch wie Wasserplätschern und Vogelgezwitscher und lautem Schrei, aber auch bei der wirklich guten und sehr aufwändigen Tontechnik.

Dass hier manche im Publikum die Effekte von Hall und Loops mit der Leistung der Musiker verwechseln, was wohl auch so beabsichtigt ist, wirkt ein wenig symptomatisch für das Ganze. Aber ja: Der große Konzerthaus-Saal war begeistert. Und die Begeisterung war wahrscheinlich wirklich echt. (Daniel Ender,31.10.2022)