Im Dunkeln in die Arbeit, im Dunkeln nach Hause: Die wenigen Sonnenstunden drücken auf die Stimmung.

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Es sind keine besonders guten Voraussetzungen für gute Laune: Die Tage werden kürzer, das Wetter schlechter, die sozialen Kontakte weniger. Bei vielen macht sich dann melancholische Stimmung breit. In der Psychotherapie sprechen Fachleute in diesem Zusammenhang häufig von saisonalen Depressionen, kurz SAD (Seasonal Affective Disorder). Im Volksmund kennt man das Phänomen unter dem Namen Winterdepression, weil saisonale Verstimmungen meist im Herbst und Winter vorkommen.

Aber nicht alle, die angesichts der kürzeren Tage schlapp, müde und gereizt sind, haben gleich eine Winterdepression, sagt Barbara Haid, Präsidentin des Österreichischen Bundesverbands für Psychotherapie. Entscheidend ist, wie lange die Antriebslosigkeit anhält. Von einer saisonalen Depression spricht man erst, wenn die Symptome über mehrere Wochen oder Monate anhalten. "Das ist aber bei den allermeisten Menschen aufgrund des Mini-Jetlags durch die Zeitumstellung nicht der Fall. In vielen Fällen pendelt sich die Stimmung nach ein paar Tagen wieder ein", beruhigt die Expertin.

Körperliche Ursache für schlechte Stimmung

Aber unabhängig von der Bezeichnung: Viele sind dieser Tage besonders gereizt, schlapp und verstimmt, wenn sie an die bevorstehenden dunklen Monate denken. Oft hilft es laut Haid schon, zu verstehen, woher diese Müdigkeit kommt.

Die Schlappheit kurz nach der Zeitumstellung mag nämlich im ersten Moment wie ein psychisches Phänomen anmuten, hat aber einen körperlichen Ursprung. Zeitumstellung bedeutet für unseren Körper Stress. "Der gesamte Biorhythmus muss sich umgewöhnen", erklärt Haid. Das heißt: Durch die Veränderung des Schlaf-Wach-Rhythmus ist unser bio-psychosoziales Gleichgewicht aus dem Takt. Das hat Auswirkungen auf den Kreislauf und unseren Stoffwechsel. Es ist also nur normal, dass die Umstellung von Sommer- auf Winterzeit nicht spurlos an uns vorübergeht.

Grund dafür ist die Produktion sogenannter Botenstoffe. Sobald es dunkel wird, wird vermehrt das Schlafhormon Melatonin ausgeschüttet, dadurch werden wir müde. Das Gegenstück dazu ist das Wohlfühlhormon Serotonin – und das wird eben vermehrt bei Tageslicht produziert. "Wenn man die Möglichkeit hat, in der Mittagspause Sonne zu tanken, sollte man das unbedingt tun. Dadurch können wir die Serotoninspeicher füllen", rät Haid. Am besten in Kombination mit Bewegung, denn auch das fördert die Botenstoffproduktion und hebt die Stimmung.

Kinder und Jugendliche leiden besonders unter Zeitumstellung

Wenn für die natürliche Serotonin-Aufnahme keine Zeit ist, können alternativ spezielle Tageslichtlampen helfen. Sie regen die Ausschüttung von Botenstoffen an und können zu Hause als Pendant zum fehlenden Sonnenlicht eingesetzt werden.

Auch Sozialkontakte fördern die Ausschüttung des Wohlfühlhormons. Es sei deshalb wichtig, sich trotz früher Dunkelheit abends hin und wieder mit Freundinnen und Freunden zu verabreden. Das hilft gegen das unangenehme Gefühl, nichts vom Tag gehabt zu haben.

Aber alles mit der Ruhe, rät Haid. Erst einmal sei in den kommenden Tagen wichtig, den Körper langsam an die neue Zeit zu gewöhnen. "Wichtige Termine sollten nicht zu bald in der Früh stattfinden, sondern, wenn möglich, eine Stunde nach hinten verschoben werden", sagt Haid. Und auch abends sollte man dem Körper mehr Zeit gönnen. "Statt um 19 Uhr könnte man dieser Tage schon um 18 Uhr essen, damit der Körper noch etwas mehr Zeit hat und man später besser schläft." Diese Abendrituale seien vor allem bei Kindern und Jugendlichen ganz besonders wichtig, sie sind am anfälligsten für negative Auswirkungen durch die Zeitumstellung und verbringen dieser Tage womöglich besonders viel Zeit im Bett. "Zum Teil wohnen Kinder und Jugendliche außerhalb der Schule im Bett", berichtet Haid. Aber wenn die Person dadurch keinen Leidensdruck hat und schlichtweg in den nächsten Wochen mehr Ruhe braucht, müssten sich Eltern keine Sorgen machen: "Das ist ganz normal."

Für künftige Zeitumstellungen rät die Expertin, bereits zwei bis drei Wochen vor der Zeitumstellung den Körper schrittweise auf die Umstellung von Sommer- auf Winterzeit vorzubereiten, sprich Tag für Tag die Schlafenszeit an die neue Zeit anzupassen. (poem, 31.10.2022)