Flüssigkeiten und Gase können Strudel bilden. Das gilt auch für Quantengase, doch wie so oft kommt es in der Quantenwelt zu interessanten Abweichungen von den bekannten Gesetzen. Ein Team um die Innsbrucker Quantenphysikerin Francesca Ferlaino hat nun erstmals in sogenannten dipolaren Quantengasen Wirbel beobachtet. Wie das Team im Fachjournal "Nature Physics" berichtet, gilt dies als eindeutiger Hinweis auf Suprafluidität, also reibungsfreies Strömen.

Eine Visualisierung der Dichteverteilung der Wolke zeigt deutlich die kleinen Wirbel.
Foto: Ella Maru Studio

Quantisierte Wirbel gelten als grundlegendes Merkmal von Suprafluidität, bei der ein Gas oder eine Flüssigkeit ohne jegliche innere Reibung strömt. Solche Minitornados wurden bereits in zahlreichen verschiedenen Quantenflüssigkeiten nachgewiesen, etwa in flüssigem Helium, im Kern von Neutronensternen oder in Supraleitern.

Spezialistin für kalte Gase

Extrem kalte Gase sind das Spezialgebiet von Francesca Ferlaino vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt von minus 273 Grad Celsius tritt eine Materieform auf, bei der die Teilchen ununterscheidbar werden und das Gas sich wie ein einzelnes Objekt verhält. Sie wird Bose-Einstein-Kondensat genannt und bestimmt eine ganze Reihe von Effekten bei niedrigen Temperaturen.

Besonders interessieren sich Ferlaino und ihr Team für Quantengase aus stark magnetischen Elementen, sogenannte dipolare Quantengase. In diesen gibt es eine starke Wechselwirkung zwischen den Atomen. Der Physikerin ist es nun erstmals gelungen, in einem Quantengas aus dem chemischen Element Dysprosium solche quantisierten Rotationen nachzuweisen. "Ein Suprafluid kann ohne Reibung fließen, aber es ist nicht drehbar – in dem Sinn, dass es sich dem Versuch widersetzt, es von außen zu drehen, und zwar auf spektakuläre Weise", erklärte Ferlaino.

In seinem Experiment legt das Team ein Magnetfeld an sein Quantengas an. Damit verformt sich das zunächst runde, palatschinkenartig geformte Gas elliptisch. Durch das Drehen des Magnetfelds beginnt auch das Quantengas zu rotieren.

"Wenn wir versuchen, es schneller zu drehen, widersetzt es sich, hört auf zu rotieren und versucht, sich von dem Drehimpuls zu 'heilen', indem es Wirbel erzeugt", so die Physikerin. Dabei entstehe nicht ein einziger großer Wirbel, "sondern viele kleine Wirbel, und zwar die kleinstmöglichen".

Francesca Ferlaino bei ihrer Antrittsvorlesung.
Universität Innsbruck

Reihen mit Wirbeln

Es bilden sich entlang des Magnetfelds auffällige Streifen mit vielen identischen Wirbeln – ein besonderes Charakteristikum dipolarer Quantengase, wie der Erstautor der Arbeit, Lauritz Klaus, betonte. Aufgrund der Gesetze der Quantenmechanik koste es viel weniger Energie, viele kleine Wirbel zu erzeugen als einen großen Wirbel.

Die Forschenden wollen ihre neue Methode künftig zur Untersuchung der Suprafluidität in sogenannten suprasoliden Zuständen einsetzen. In diesen erst seit kurzem bekannten Zuständen ist Materie gleichzeitig fest und flüssig, allerdings ist noch immer unklar, ob sie tatsächlich supraflüssig sind.

Ferlainos Gruppe ist laufend auf der Suche nach ungewöhnlichen Formen ultrakalter Materie. Indem die Forschenden neue Elemente für ihre Experimente verwenden, gelingt es ihnen immer wieder, die exotischen Materieformen besser kontrollierbar zu machen, wie etwa als es Ferlaino gelang, das weltweit erste Bose-Einstein-Kondensat aus dem Element Erbium herzustellen, das wegen seiner besonderen magnetischen Eigenschaften neue Experimente ermöglicht. Als Anwendung für Forschungen wie diese werden oft extrem genaue Messgeräte genannt, doch ist bei Forschung wie dieser das Anwendungspotenzial schwer abschätzbar. Sie ist wie alle echte Grundlagenforschung in erster Linie der Neugierde gewidmet – vorerst. (rkl, APA, 3.11.2022)