Selbstbewusste Farbpracht: Samuel Fosso in "The Liberated American Woman of the 1970s" aus der Serie "Tati" (1997).

Foto: Samuel Fosso, Courtesy of Jean Marc Patras, Paris

Ein blutjunger Mann versteckt sich hinter einer riesigen Sonnenbrille und einer tiefsitzenden Matrosenmütze, posiert mit nacktem Oberkörper und aufregenden Schlaghosen. Schon im Teenageralter setzte sich Samuel Fosso in seinen Schwarz-Weiß-Fotografien mit modischem Geschick und gemusterten Kulissen dandyhaft in Szene.

Mit nur 13 Jahren hatte er mithilfe seines Onkels 1975 ein eigenes Fotostudio in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik, eröffnet. Abends, nach den Auftragsarbeiten für seine Kundschaft, diente die Kamera nur ihm und seinen experimentellen Selbstporträts. Erst in den 1990er-Jahren kam Fosso mit dem Begriff der Kunst in Verbindung, bis dahin blieben sie privates Vergnügen.

Für ihn und seine Großmutter

Gedacht waren die Bilder nämlich für ihn und seine Großmutter, die in Nigeria geblieben war. Dort hatte auch Fosso seine Kindheit verbracht, er wurde aber in Kamerun geboren. Aufgrund der Folgen des Biafra-Kriegs Ende der 1970er-Jahre zog er in die Zentralafrikanische Republik. Die Porträts schickte er seiner Großmutter, damit sie sich weniger Sorgen um ihren Enkel machte – und auch sah, was er beruflich trieb.

Diese frühen Selbstbildnisse, die durch Fotografien in Zeitschriften beeinflusst wurden, können als doppelte Identitätssuche verstanden werden: Nicht nur der junge Fosso versuchte sich in der neuen Heimat zu finden. Auch das Land selbst steckte in einer politischen und gesellschaftlichen Umbruchphase.

Heute lebt der Künstler in Bangui und Paris und gilt als einer der renommiertesten zeitgenössischen Fotografen Afrikas. Seine Bilder finden sich u. a. im Museum of Modern Art in New York, dem Pariser Centre Pompidou oder der Londoner Tate. Die Tatsache, dass dem Künstler im deutschsprachigen Raum bisher keine museale Einzelausstellung gewidmet wurde, möchte das Museum der Moderne Salzburg mit einer Retrospektive am Mönchsberg nun ändern.

Bereits mit der GruppenschauThis World Is White No Longer sowie der Soloschau des britisch-nigerianischen Künstlers Yinka Shonibare setzte man einen Schwerpunkt mit Positionen Schwarzer Künstler sowie People of Color. Dieser wird mit der von der Generali Foundation organisierten Ausstellung mit Fossos wichtigsten Werkgruppen fortgesetzt.

Für ein Kaufhaus

Eine davon ist die Serie Tati, die Fosso 1997 für ein gleichnamiges französisches Kaufhaus schuf und sich nicht selbst in Szene setzte, sondern in sehr aufwendig gestalteten Kostümen in unterschiedliche Rollen schlüpfte. Dabei stellte er keine realen Personen dar, sondern inszenierte oft in witzig-überzeichneter Manier diverse Archetypen afrikanischer und westlicher Gesellschaften: Der Geschäftsmann in Oversize-Anzug telefoniert mit seinem XXL-Handy, der Golfer stützt sich mit behandschuhten Händen auf seinen Schläger, und die bürgerliche Frau präsentiert Pelz und Schmuck. Mit dem bekanntesten Porträt aus der Serie, The Chief [Who Sold Africa to the Colonists], wirft er einen selbstkritischen Blick auf die Geschichte Afrikas: Fosso thront als Stammesführer in einem bunten Setting samt Goldketten und Leopardenfell und verkörpert die Verlockungen der Macht im Zeitalter des europäischen Kolonialismus.

Wieder in Schwarz-Weiß und stark politisch sind hingegen die African Spirits, in denen sich Fosso in historische Protagonisten der panafrikanischen Unabhängigkeits- und Bürgerrechtsbewegung verwandelt. Er stellt Personen wie Angela Davis, Muhammad Ali oder Martin Luther King Jr. dar und würdigt so die Kämpfer und Kämpferinnen für Bürgerrechte und postkoloniale Unabhängigkeit.

Fosso als Mao Zedong oder Black Pope

Jüngere Werkgruppen, in denen sich Fosso als Mao Zedong oder Black Pope abbildet, würzen die gesellschaftspolitischen Fragestellungen mit einiger Ironie. Als androgyner, kommunistischer Parteiführer übt er Kritik an der Einflussnahme Chinas in Afrika. Mit seiner Vision als schwarzer Papst stellt Fosso die Frage, wann denn das erste nichtweiße Oberhaupt der katholischen Kirche gewählt würde.

Mit einem Bein auf einem Meteoriten posierend, zitiert er in liturgischer Kleidung ein Werk des italienischen Künstlers Maurizio Cattelan, in dem Papst Johannes Paul II. von einem kosmischen Felsbrocken niedergestreckt wird. Ein süffisanter Grinser streift das porträtierte Gesicht des Papstes. (Katharina Rustler, 2.11.2022)