Das Observatorium am Cerro Tololo im Norden Chiles, wo der große Brocken mit dem Vier-Meter-Teleskop Blanco entdeckt wurde. Im Hintergrund die Milchstraße.
Reidar Hahn/Fermilab VMS/PA

Der Film "Don’t Look Up" und die erfolgreiche Dart-Mission, bei der ein Asteroid leicht aus seiner Bahn abgelenkt wurde, haben zuletzt wieder daran erinnert, dass für die Erde Gefahr aus dem All lauert. Bevor der Mensch den Planeten in mehr oder weniger ferner Zukunft schlecht bewohnbar macht, könnte der Aufprall eines Asteroiden schon sehr viel früher dafür sorgen. Kandidaten sind dafür zum Glück nicht in Sicht – und die Kontrolle durch die Astronomie scheint auch recht gut zu klappen.

Mehr oder weniger überraschende Entdeckungen kommen aber immer wieder vor. Von der jüngsten berichten Scott Sheppard (Carnegie Institution for Science in Washington) und seine Kolleginnen und Kollegen im "Astronomical Journal". Sie haben mit dem Vier-Meter-Teleskop Blanco der Sternwarte Cerro Tololo in Chile drei "ziemlich große" Asteroiden gefunden, von denen einer – 2022 AP7 – die Erdbahn kreuzt, was ihn zu einem potenziell gefährlichen Asteroiden (Potentially Hazardous Asteroid, PHA) macht.

Beeindruckender "Planetenkiller"

Mit einem Durchmesser von etwa 1,1 bis 2,3 km ist 2022 AP7 der größte PHA, der seit 2014 entdeckt wurde. Er gehört wahrscheinlich sogar zu den fünf Prozent der größten jemals gefundenen Asteroiden. "Jeder Asteroid mit einer Größe von mehr als einem Kilometer gilt als Planetenkiller", sagte Sheppard im Interview mit dem "Guardian" und fügte hinzu, dass der Einschlag eines solchen Objekts auf der Erde verheerende Auswirkungen auf das Leben, wie wir es kennen, hätte. Und dies nicht nur am unmittelbaren Ort des Impact: Staub und Schadstoffe würden in die Atmosphäre aufgewirbelt, wo sie jahrelang verblieben.

"Die Erdoberfläche würde sich wahrscheinlich stark abkühlen, da kein Sonnenlicht mehr auf den Planeten trifft. Es wäre ein Massenaussterben, wie es auf der Erde seit Millionen von Jahren nicht mehr stattgefunden hat", sagte der Astronom. Die Entdeckung von 2022 AP7 mag zwar an den Asteroiden Armageddon aus dem Film "Don't Look Up" erinnern. Doch die Studie gibt fürs Erste Entwarnung. "Er hat derzeit keine Chance, die Erde zu treffen", sagte Sheppard und wies darauf hin, dass 2022 AP7 derzeit die Erdbahn kreuzt, wenn sich die Erde auf der anderen Seite der Sonne befindet.

Weitere erdnahe Objekte

Der Astronom fügte aber hinzu, dass der Asteroid mit der Zeit beginnen wird, die Erdumlaufbahn näher an unserem Planeten zu kreuzen. Aber, so Sheppard, "das liegt noch Jahrhunderte in der Zukunft, und wir kennen die Umlaufbahn von 2022 AP7 nicht genau genug, um viel über die von ihm ausgehenden Gefahren in Jahrhunderten zu sagen."

Ein Problem bei den Berechnungen besteht darin, dass die Bahn des Asteroiden allmählich durch die Gravitationskräfte der Planeten verändert wird. Sheppard sagte, das Team erwarte in den nächsten ein bis zwei Jahren mithilfe des Blanco-Teleskops in Chile "einige weitere" erdnahe Objekte von einem Kilometer Größe oder mehr zu finden.

Keine schlaflosen Nächte

Eigentlich wurde das Instrument entwickelt, um Dunkle Materie zu erforschen, doch nun erhellte es auf einem anderen Gebiet den Kenntnisstand. Wobei gerade die "Erhellung" der Grund war, weshalb 2022 AP7 erst jetzt gesichtet wurde: Wer ihn sehen will, muss in Richtung Sonne blicken – was in etwa vergleichbar ist mit dem Versuch, eine winzige Fliege zu erkennen, während man direkt in das grelle Licht einer riesigen Schreibtischlampe starrt.

Damit tun sich reguläre Teleskope schwer, weshalb sich dieser Asteroid bisher verborgen halten konnte. Fachleute gehen aber davon aus, dass abgesehen von 2022 AP7 die meisten Asteroiden ähnlicher Größe schon entdeckt wurden. Aktuell befindet sich der "Neue" im Bereich zwischen Erde und Venus und umrundet im Laufe von etwa fünf Erdenjahren die Sonne, konnte das Forschungsteam feststellen.

Unserem Planeten kommt er dabei aber maximal mehrere Millionen Kilometer nah. Jay Tate, der Direktor des National Near Earth Objects Information Centre in Wales, sagte dem "Guardian", dass er wegen 2022 AP7 keine schlaflosen Nächte habe, und fügte hinzu, dass die Erde eigentlich ein sehr kleines Ziel sei. "Im Moment ist die Einschlagswahrscheinlichkeit jedenfalls ziemlich gering. Ich würde nicht sagen, vernachlässigbar, aber ziemlich gering."

Mehrere Darts nötig

In Sachen interplanetarer Abwehr stellt das Jahr 2022 bisher einen Höhepunkt dar: Im September startete die Nasa ihre Dart-Mission, bei der eine Raumsonde in einen Asteroiden einschlug, um diesen aus seiner Umlaufbahn abzulenken. Die Mission war ein Versuch, eine Technologie zu testen, die später zur Bekämpfung von Weltraumfelsen eingesetzt werden könnte, die eine Bedrohung für die Erde darstellen. Im vergangenen Monat bestätigten die Fachleute, dass Dart ein Erfolg war: Die Umlaufzeit des Asteroiden Dimorphos um den größeren Gesteinsbrocken Didymos wurde um 32 Minuten verkürzt. Es war das erste Mal, dass die Menschheit die Bewegung eines Himmelskörpers absichtlich abgelenkt hat.

Könnte eine ähnliche Intervention auch dafür sorgen, den neu entdeckten 2022 AP7 umzulenken? Tate schätzt, dass ein Ansatz wie Dart angesichts der Größe des Asteroiden möglicherweise nicht geeignet sei, dass es aber andere mögliche Methoden gäbe. Es könne etwa möglich sein, mehrere Dart-ähnliche Einschläge zu nutzen, um die Bahn des Asteroiden nach und nach zu verändern. "Abgesehen davon haben wir jede Menge Zeit", sagte der Astrophysiker. (tasch, sic, 2.11.2022)