Dauersnacker: kleine Kinder, die ständig etwas zu essen in der Hand haben. Oft können Eltern ohne Jause gar nicht mehr das Haus verlassen.

Foto: Nadja Kupsa/Privat

"Mamaaaaaa!", kreischt das kleine Mädchen im Kinderwagen. "Mama, Mama, Mama!" – "Gleich", sagt Mama. Sie wirkt gestresst. Im Eiltempo legt sie Milch, Gemüse, Klopapier, Brot auf das Kassenband. Ihre kleine Tochter hat keine Lust zu warten und versucht unterdessen aus dem Kinderwagen zu klettern. Dabei kreischt sie im schrillen Ton. Ihre Mama versucht, sie anzuschnallen, die Kartoffeln fallen herunter. Die in der Schlange stehenden Kundinnen und Kunden beobachten die Situation teils mitleidig, teils verurteilend. Doch plötzlich passiert etwas: Die Mutter öffnet ihre Handtasche, holt eine Minireiswaffel hervor und reicht sie ihrer Tochter. Stille. Das Kind mampft brav sitzend, während Mama in Ruhe bezahlen kann.

Eltern mit kleinen Kinder wissen: Reiswaffeln können ein Segen sein. Sie helfen, den kleinen Hunger zu stillen, Wartezeiten zu überbrücken, schlechte Laune zu vertreiben. Zudem bröseln sie kaum und können bereits von zahnlosen Babys selbstständig gehalten und gegessen werden. Das Fingerfood weicht beim Lutschen praktischerweise auf, die Verschluckungsgefahr ist somit viel geringer als bei anderen Snacks.

Fingerfood-Boom

Schaut man in den Supermärkten und Drogerien in die Babyabteilung, wird man feststellen, dass diese sich in den letzten Jahren ordentlich vergrößert hat. Neben Windeln, Milchpulver und Gläschen türmen sich auf etlichen Regalen spezielle Quetschies (Obstpüree in kleinen Beuteln), Fruchtriegel, Haferhappen oder Hirsestangen in diversen Geschmacksrichtungen. Das Geschäft mit Kindersnacks boomt. Laut Statista beträgt in Österreich der Umsatz im Segment Babynahrung für das Jahr 2022 etwa 187 Millionen Euro.

Meist ist auf den verpackten Snacks das Wort "gesund" zu lesen. Oder andere Aufschriften, die Eltern sofort magisch anziehen: "ohne Zusatzstoffe", "ohne Zuckerzusatz", "mit Vollkorn". Dabei enthalten die Snacks in der Regel wenige Nährstoffe. In den vermeintlich gesunden Quetschies voller Früchten steckt viel Zucker. Und da es meist nicht gelöffelt, sondern direkt ausgetrunken wird, gelangt das Fruchtpüree wegen seiner breiigen Konsistenz schnell in den Darm und kann Bauchschmerzen verursachen. "Zu viel Zucker lässt den Blutzuckerspiegel Achterbahn fahren und irritiert den natürlichen Hunger-und-Sättigungs-Mechanismus", sagt die Kinderdiätologin Stephanie Büchler. "Ein Stück Obst und ein paar Nüsse oder ein Vollkornbrot mit Aufstrich sind bestimmt die bessere Wahl." Aus ihrer täglichen Arbeit mit Familien weiß sie allerdings, dass Eltern häufig die Zeit fehlt, um gesunde, frische Jausen für unterwegs vorzubereiten.

Quetschies: Kinder saugen das Obstmus direkt aus dem Beutel.
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Gifte wie Arsen in Reiswaffeln

Was viele Eltern über die beliebten Reiswaffeln nicht wissen: Sie enthalten oft giftige Substanzen wie krebserregendes Arsen. Dabei handelt es sich um ein Halbmetall, dass durch Umwelteinflüsse in pflanzliche Lebensmittel gelangen kann. Reis kann allgemein aufgrund seiner Herkunft und Anbauweise (geflutete Felder) mehr Arsen enthalten als andere Getreidesorten. Deswegen sollte man Reis vor dem Kochen gründlich abwaschen. Selbst biologische Babyreiswaffeln können mit Arsen kontaminiert sein. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte auf Maiswaffeln oder Hirsestangen ausweichen.

Dauersnacken und Gruppenzwang

Doch es gibt noch ein anderes Problem: Meist bleibt es nicht bei zwei, drei Reiswaffeln zwischendurch. Eltern wissen, dass so eine Packung Minireiswaffeln oder Maisstangen von den Kleinen regelrecht inhaliert wird. Dabei snacken viele Kinder nicht, weil sie Hunger haben, sondern weil ihnen langweilig ist. Will das Kind nicht im Buggy sitzen bleiben: "Hier ein Kringel!" Unterbricht es ständig, während sich Mama mit einer Freundin unterhält: "Hier ein Quetschie!" Viele Eltern werfen all ihre Prinzipien aus Hilflosigkeit über Bord.

Selbst konsequente Eltern werden spätestens auf dem Spielplatz auf die Probe gestellt. Dort wimmelt es nur so vor Knabberzeug: Brezeln, Waffeln, Riegel. Hat man selbst nichts dabei, ist das eigene Kind nur schwer davon abzuhalten, sich etwas bei den anderen Eltern zu schnorren, was auch unangenehm sein kann. Es entsteht eine Art Gruppenzwang. Was man dagegen als Eltern tun kann? Gar nichts, denn vor allem kleine Kinder verstehen nicht, warum andere essen dürfen und sie nicht.

Nie hungrig, nie satt

Bei Tisch dann die Überraschung: Das Kind stochert unmotiviert im Essen, es hat keinen richtigen Hunger, weil es davor schon geknabbert hat. Doch wie bricht man aus diesem Teufelskreis aus? "Eltern sollten auf jeden Fall den Fokus auf die drei Hauptmahlzeiten legen", sagt Büchler. Was auch helfen kann: wenn Kinder möglichst früh lernen, ihre Gefühle zu verbalisieren – auch beim Essen: Wie fühlt es sich an, wenn man hungrig oder satt ist? Knurrt der Magen oder spannt der Bauch schon? Permanentes Snacken resultiert nach Beobachtungen der Kinderdiätologin auch daraus, dass die drei Hauptmahlzeiten nicht ausgewogen sind oder überhaupt nicht eingehalten werden: "Zwischenmahlzeiten sind wichtig, um den Blutzucker stabil zu halten und ein Energietief zu vermeiden, jedoch sollte es, wie der Name schon sagt, nur eine Mahlzeit zwischendurch sein, um den Abstand zwischen Frühstück, Mittag- und Abendessen zu überbrücken."

Fakt ist: Manchmal geht es nicht anders. Manchmal müssen Eltern die Supermarktschlange mithilfe einer Reiswaffel bewältigen. "Und das ist okay", sagt Büchler. "Eltern leisten im Alltag unglaublich viel neben Job und Haushalt. Gerade Eltern, die um die Ernährung ihrer Kinder bemüht sind, machen sowieso sehr viel richtig und müssen sich keine Sorgen machen." (Nadja Kupsa, 8.11.2022)