Der einstige US-Präsident Theodore Roosevelt 1911 und ein getötetes Nashorn. Derartige Trophäenbilder gibt es seit den 1950er-Jahren immer seltener.

Die Geschichte der Nashörner ist eigentlich eine erfolgreiche: Die Tierfamilie, die sich vor ungefähr 50 Millionen Jahren herausbildete, konnte sich über die Kontinente Nordamerika, Asien, Europa und Afrika ausbreiten. Vor etwa fünf Millionen Jahren wurde das Leben für die massiven Säugetiere immer beschwerlicher. Klimabedingungen veränderten die Umgebung, in der sie sich wohlfühlten, und sorgten dafür, dass mehrere Arten ausstarben.

Heute ist es vor allem die Spezies Mensch, die Rhinozerossen zu schaffen macht. Die Jagd auf die Wildtiere hat ihre Bestände massiv angegriffen, auch wenn die südafrikanische Regierung zuletzt von einem Rückgang der Wilderei berichtete. Zwischen 2018 und 2021 wurden mehr als 2.700 in Afrika gejagt und getötet. Von den Nördlichen Breitmaulnashörnern gibt es nur noch zwei Exemplare – Fachleute überlegen, wie sich die Art mit Hilfe gentechnischer Methoden noch nachzüchten ließe.

Folgenreiche Traditionen

Warum jagen Menschen Nashörner? Neben der Jagd als "Privatvergnügen" gibt es auch eine gewisse – und mittlerweile meist illegale – Nachfrage nach Rhinozeros-Horn. Dabei handelt es weder um Knochen noch um Elfenbein wie bei den Stoßzähnen von Elefanten und Mammuts: Ähnlich wie Fingernägel und Haare besteht das Horn der Tiere aus Keratin, wenngleich es wesentlich härter ist. Die Übertragung dieser Eigenschaft erhofft man sich offenbar auch in Sachen Potenz, jedenfalls werden Mittel aus zerkleinertem Rhino-Horn in mitunter gegen Erektionsprobleme und als Aphrodisiakum angewandt.

Nicht nur Alter und Abnutzung bestimmen, wie groß ein Rhinozeroshorn wird: Es könnte wie bei Elefanten auch einen genetischen Trend zu schwächer ausgeprägten Markenzeichen geben.
Foto: Kees Rookmaaker

Wissenschaftliche Evidenz gibt es für die Wirksamkeit keine, genauso wenig bei Behandlungen gegen Fieber, Krämpfe oder andere Erkrankungen, wie sie in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) Erwähnung finden. Dies hält den illegalen Handel mit dem Horn jedoch kaum zurück – auch wenn selbst TCM-Schulen mitunter betonen, dass Rhinozeroshorn-Arzneien nicht als Heilung gegen Krebs wirken und eine derartige Anwendung in traditionellen Schriften keine Erwähnung finde.

Höhere Überlebenschancen

Die evolutionären Folgen zeigen sich nicht nur darin, dass die Tiere an den Rand des Aussterbens gedrängt werden. Wie ein internationales Forschungsteam feststellte, dürften sich die Hörner infolge der Jagd zudem verkleinert haben. Für die Studie, die im Fachblatt "People and Nature" der British Ecological Society veröffentlicht wurde, untersuchte das Team mehr als 3.000 Fotografien und künstlerische Darstellungen von Nashörnern, die vom 15. bis ins 21. Jahrhundert reichen.

Diesem Rhinozeros in Südafrika wurden die Hörner gekürzt. Das Foto stammt aus dem Jahr 2012.
Foto: APA/AFP/STEPHANE DE SAKUTIN

Je nach Spezies haben Nashörner ein bis zwei Hörner am Kopf. Diese wurden der Auswertung zufolge seit mindestens dem 19. Jahrhundert im Durchschnitt immer kleiner im Verhältnis zur Körpergröße. Je größer die Hörner, desto weiter oben steht ein Tier auf der Abschussliste von Wilderern. Entsprechend steigen die Überlebenschancen bei kleineren Hörnern, diese Individuen können sich also eher fortpflanzen und somit für eine Tendenz zu weniger wuchtigen Hörnern sorgen.

Der Nutzen des Horns

Während des ganzen Lebens kann das Horn wachsen, aber auch brechen und sich abnutzen – etwa durch Kämpfe und bei Reibung an Steinen und dem Boden. "Nashörner haben ihre Hörner aus einem bestimmten Grund entwickelt", sagt Erstautor Oscar Wilson von der Universität Helsinki in Finnland. "Verschiedene Arten nutzen sie auf unterschiedliche Weise, zum Beispiel zum Greifen von Nahrung oder zur Verteidigung gegen Raubtiere – daher denken wir, dass kleinere Hörner ihrem Überleben abträglich sind." Diesen Nachteil nehmen sie evolutionär offenbar in Kauf, wenn dies die Überlebenschancen gegen den menschlichen Feind erhöht.

Das Horn eines Rhinozeros kann zeit seines Lebens wachsen, sich aber auch abnutzen und brechen. Diese beiden Nashörner leben im Zoo Basel.
Foto: APA/AFP/SEBASTIEN BOZON

Der Trend gilt für alle fünf Nashornarten, wobei die Studienautoren bezüglich des seltenen Javanashorns zurückhaltend sind, weil dies nur auf relativ wenigen Bildern dargestellt wurde. Eine ähnliche Entwicklung wurde vor etwa einem Jahr auch in einem Bericht über Elefanten nachgezeichnet: Wie es damals im Fachjournal "Science" hieß, gibt es immer mehr Individuen, die erst gar keine Stoßzähne ausbilden. Auch hier sorgt die Jagd für einen gerichteten Selektionsdruck, der die Tiere möglichst unattraktiv für Wilderer macht.

Indische Nashörner – Mutter und Kalb – in einem britischen Zoo.
Foto: Oscar Wilson

Einen positiven Aspekt konnten die Biologen ihrer Analyse jedoch abgewinnen. Sie berichten, dass Nashörner einst vor allem als Beute neben den stolzen Jägern fotografisch oder zeichnerisch abgebildet wurden – oder als Bedrohung, die die Jagd rechtfertigen könnte. Ab 1950 gab es aber immer mehr Darstellungen als schützenswerte Tiere.

Dem Forschungsteam zufolge beginnt dieser Trend mit dem Zusammenbruch europäischer Imperien. Die Unabhängigkeit afrikanischer Staaten könne dazu beigetragen haben, dass Jäger aus dem globalen Norden nicht mehr so leichten Zugang hatten. Generell konnte sich aber der Schwerpunkt hin zum Artenschutz entwickeln – auch wenn der illegalen Jagd noch immer nicht ausreichend Grenzen gesetzt sind. (Julia Sica, 5.11.2022)