Die Effekte können sich trotz der simplen Grafik sehen lassen.

Foto: Screenshot DER STANDARD, Zellinger

"Who ya gonna call?" – die Frage von Ray Parker jr. im legendären Titelsong lässt natürlich keine andere Antwort zu, als "Ghostbusters". Umso größer ist die Vorfreude, als ich endlich nach Jahren wieder einmal mit meiner Pixelfigur in den khakifarbenen Overall schlüpfen und das Protonenpack umschnallen darf. Die erste Überraschung in "Ghostbusters Spirits Unleashed": In einer Introsequenz begrüßt uns der gealterte Original-Geisterjäger Ray Stantz, gesprochen von Schauspieler Dan Aykroyd persönlich – diesen Produktionsaufwand hätte ich in einem Indie-Titel nicht erwartet. Zugegeben: Von Entwickler Illfonic auch nicht, denn deren Track-Record aus "Friday the 13th" und "Predator Hunting Ground" ist nicht gerade ruhmreich. Leider sollte ich mit meiner Skepsis noch recht behalten.

Der Schmäh sitzt

Doch zuerst setze ich mir die rosarote Fanboy-Brille auf: Wie so mancher meiner Generation habe ich die "Ghostbusters"-Filme als Kind wahrscheinlich an die 30-mal gesehen – noch heute kann ich viele Dialogzeilen mitsprechen (ja, auch die eine aus dem ersten Teil beim Erscheinen des Marshmallow-Mannes). Hier holt mich "Ghostbusters Spirits Unleashed" sofort ab: Der Schmäh und die Oneliner sitzen sofort, und ich habe diebische Freude, als ich den Witz mit der Sammlung von Sporen und Schimmelpilzen kapiere.

Seinen Geisterjäger muss man selbst konfigurieren. Als Peter, Ray, Egon oder Winston darf man nicht spielen.
Foto: Screenshot DER STANDARD, Zellinger

Wie schon die anderen Spiele von Illfonic ist "Ghostbuster Spirits Unleashed" ein asymmetrischer Multiplayer-Shooter. Vier Spielerinnen und Spieler machen Jagd auf einen Geist, der ebenfalls von einem Spieler kontrolliert wird. Während die Geisterjäger zusammenarbeiten müssen und den Geist mit ihren Protonenpacks einfangen und in eine Falle ziehen müssen, um zu gewinnen. Der Geist dagegen muss im Grunde nur etwa 15 Minuten lang überleben, Zivilisten erschrecken und den "Spuklevel" erhöhen, indem er Objekte beseelt oder fernsteuert, Geisterjäger vollschleimt und mit allerhand Spezialfertigkeiten Schabernack treibt.

Chaos zu viert

Als Geisterjäger müssen wir zu viert kooperieren. Wer alleine auf Geisterjagd geht, hat keine Chance. Erstens sind die Ghostbusters viel zu langsam auf den Beinen, um dem Geist überhaupt nachzukommen, und zweitens kann man nicht mit dem Protonenpack auf die Geister feuern und gleichzeitig die Falle auslegen. Kurz: Ohne Teamwork geht hier nichts. Leider dürfen wir nicht in die Haut von Peter Vankman, Ray Stantz, Egon Spengler oder Winston Zeddemore schlüpfen. Stattdessen beginnt die Geisterjägerkarriere als junger Rekrut, den man im umfangreichen Charaktereditor zusammenstellen kann. Bis wir auf die Jagd gehen können, vergeht leider unnötig viel Zeit mit den üblichen Tutoriallevels und einigen allzu gesprächigen Charakteren. Vor allem der Wissenschafter im Hauptquartier will einfach nie die Klappe halten und bremst gerade am Anfang den Spielfluss enorm.

Der Geist gewinnt die Runde, wenn er genug Angst und Schrecken verbreitet.
Foto: Screenshot DER STANDARD, Zellinger

Hat man das nervige Pflichtprogramm einmal absolviert, kann man sich per Schnellspiel sofort in die Jagd nach Slimer und seinen cartoonhaft-lustig aussehenden Kameraden aus der Spektralwelt stürzen. Die ersten Partien laufen dabei höchst chaotisch ab, und der Trupp aus Geisterjägern wird nach Strich und Faden eingeschleimt, erschreckt und vollgespukt. Eine krachende Niederlage gegen den Geist. Aber mit der Zeit klappt die Koordination besser, wir lernen, uns als Zweiertrupps zu bewegen, wie wir das PKG genannte Geistersuchgerät effektiv einsetzen, den Geist schneller aufspüren und ihn sogar für kurze Zeit betäuben können, während die Kameraden die Fallen auslegen. Man muss jeden Geist viermal gefangen haben, um als Geisterjäger zu gewinnen. Alternativ kann man auch die Geisterportale, also seine Respawn-Punkte, zerstören, bevor man den Final in die Falls bugsieren muss.

Schleimig-schaurige Tricks

Der Geist hat aber auch einige Tricks auf Lager: So darf er die genannten Portale einfach einpacken und damit davonfliegen, nur um sie in einen umherstehenden Gegenstand wie einer Statue oder einem Walmodell zu verstecken. Außerdem kann der spukende Spieler Gegenstände beleben und diese kontrollieren. Das hat handfeste spielerische Vorteile, bewegt sich ein Geist doch viel schneller, wenn er einen Staubsauger oder einen Rollstuhl übernimmt. Rücken ihm doch einmal die Geisterjäger zu nahe, kann er kleine Helfer beschwören oder eine ultimative Fähigkeit wie einen Schleimtornado zünden. Sind die Geisterjäger einmal voll mit Ektoplasma, gehen sie zu Boden und müssen von einem Kameraden "wiederbelebt" werden.

Ray Stantz wird von Dan Aykroyd vertont.
Foto: Screenshot DER STANDARD, Zellinger

Das alles macht unglaublich viel Spaß´, und es ist nichts so befriedigend, wie in letzter Sekunde eines Matches doch noch den Geist einzufangen – vor allem, wenn sich der Geisterspieler im gleichen Discord-Channel befindet und man dessen Flüche richtig genießen kann. In diesen Momenten ist "Ghostbusters" eine Verbeugung vor dem Originalmaterial und ein richtig gutes Multiplayer-Spektakel.

Die Entwickler haben die Atomsphäre meisterlich eingefangen.
Foto: Screenshot DER STANDARD, Zellinger

Die Technik: Ein Debakel

Doch jetzt ist es Zeit, die rosarote Fanbrille abzunehmen und über die Schattenseiten der Geisterjagd zu reden. Die beiden größten Probleme von "Ghostbusters Spirits Unleashed" lassen sich in Technik und Umfang zusammenfassen. Technisch ist das Game in einem nahezu erbarmungswürdigen Zustand. Immer wird das Team ohne Grund aus dem Match geworfen, das Spiel crasht das gesamte Testsystem, und wenn eine der recht unnötigen Story-Sequenzen ansteht, kann es schon mal passieren, dass wir kommentarlos aus der Gruppe geschmissen werden, weil uns das Spiel jetzt einen Filmschnipsel zeigen möchte.

Wollen wir und vom Schleim befreien, müssen wir laut Spiel auf F-Taste hämmern, nur dass leider nichts passiert. Tatsächlich ist nämlich die C-Taste gemeint. Dazu kommt, dass in einem Match plötzlich sechs Geisterjäger waren, von denen vier in T-Pose herumstanden, während es keinen Geist gab. In einem anderen Match konnten wir plötzlich Ausrüstung benutzen, die für unseren Level noch gar nicht freigeschaltet war.

Wie viele Crashes tatsächlich dem Spiel anzulasten sind oder dem nach wie vor mangelhaften Unterbau durch den Epic Games Client, lässt sich freilich nicht zweifelsfrei sagen. Der Launcher von Epic ist nach wie vor eine Katastrophe: Nehmen wir eine Freundschaftsanfrage an, müssen alle Beteiligten das Spiel neu starten, um gemeinsam eine Gruppe bilden zu können. Dazu kommt der beschränkte Funktionsumfang des Epic Stores: Warum kann ich im Jahr 2022 immer noch nicht die Sprache des Spiels im Client ändern? Warum ist die Freundeverwaltung so unnötig kompliziert? Xbox, Sony und Steam bekommen das auf ihren Plattformen deutlich besser hin, wieso Epic nicht nachzieht, bleibt wohl auf ewig das Geheimnis des Fortnite-Entwicklers.

Charaktere in T-Pose: Derartige Bugs dürfen es nicht in eine Releaseversion schaffen.
Foto: Screenshot DER STANDARD, Zellinger

Das zweite große Manko ist der Umfang: Lediglich fünf Karten stehen zur Verfügung, und nach einigen Partien hat man das Gefühl, man hätte schon alles gesehen. Der Levelfortschritt wirkt sich kaum aus, und die Freischaltungen neuer Waffenupgrades sind zweifelsohne nett, aber nicht besonders motivierend. Hier darf Illfonic gerne noch Inhalte nachliefern – hoffentlich nicht in Form von fragwürdigen DLCs.

Fazit: Fixt die Technik

Wer fünf Freunde hat, die ohnehin regelmäßig gemeinsam zocken, für den ist "Ghostbusters Spirits Unleashed" definitiv einen Blick wert. Selten hatte ich so viel Spaß, im Discord-Chat mit ein paar Freunden auf Geisterjagd zu gehen. Richtig lustig wird es, wenn Geist und Jäger demselben Spielerkreis angehören und sich via Voicechat klassische Ghostbusters-Oneliner um die Ohren hauen. Dazu kommt ein trotz cartoonhafter Grafik spektakuläres Effektgewitter und eine solide Soundkulisse, die mich richtig ins Geisterjäger-Universum ziehen.

Zumindest solange die Technik mitspielt: Verbindungsabbrüche, Spielfiguren in T-Pose und falsche Bildschirmeinblendungen sollten auch bei einem AA-Game nicht in der Releaseversion vorkommen. Der Client von Epic Games tut leider ebenfalls sein Möglichstes, zusätzlichen Sand ins Technik-Getriebe zu werfen. Das ist unendlich schade, denn wenn Illfonic mehr Inhalte nachliefert, dann könnte "Ghostbusters Spirits Unleashed", wenn schon kein Blockbuster, so zumindest ein grundsolider Multiplayer-Spaß sein, den man gerne für zwei bis drei Runden anwirft. Die respektvolle Verbeugung vor dem originalen "Ghostbusters"-Material allein reicht leider noch nicht. (Peter Zellinger, 5.11.2022)