Innsbruck – Wer immer leistungsfähigere Kutschen baut, bekommt deswegen trotzdem kein Auto. So – oder zumindest so ähnlich – verhält es sich mit Computern und Quantencomputern. Seit Jahren kämpfen Europa, Asien und die USA um die Vormachtstellung für den ersten voll leistungsfähigen Quantencomputer. Diese technischen Wunderwuzzis versprechen Leistungen, die aktuelle Rechner bei weitem nicht erreichen können.

Eine wichtige Rolle in der Forschung und Entwicklung spielt das Innsbrucker Unternehmen Parity QC. Die Tiroler sind Teil eines Konsortiums, das für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in den kommenden vier Jahren Quantenrechner konstruieren und bauen wird. Der Auftrag ist 208,5 Millionen Euro schwer, wie Parity-QC-Mitgründern Magdalena Hauser am Donnerstag bekanntgab. Wie viel der Gesamtauftragssumme genau nach Tirol fließen wird, dürfe man aus vertraglichen Gründen in Abstimmung mit dem DLR aber nicht sagen. Sie spricht aber von einem "sehr gut finanzierten Auftrag".

Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser wollen dafür sorgen, dass Europa beim Thema Quantencomputing nicht den Anschluss verliert – wie es etwa beim Internet oder der künstlichen Intelligenz passierte.
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Problem eines Handelsreisenden

Was kann der Quantencomputer so viel besser? Ein prominentes Anwendungsbeispiel ist das "Problem des Handlungsreisenden". Ein Logistikunternehmen muss Pakete in 20 verschiedene Städte liefern. Ein Rechner vergleicht alle möglichen Routen in Bezug auf Zeit- und/oder Spritersparnis. Er berechnet jede Variante und vergleicht die Ergebnisse. Ein Quantencomputer kann die Schritte alle gleichzeitig ausführen und erkennt sofort die optimale Strecke ohne langwierige Vergleiche.

"Ziel ist es, einen industrierelevanten Quantencomputer zu bauen, der nicht nur akademische, sondern tatsächliche Probleme löst", sagt der zweite Gründer Wolfgang Lechner. "Medikamentendesign, Umbau von Produktionslinien oder der Kampf gegen den Klimawandel, in diesen und vielen weiteren Bereichen werden Quantencomputer viel schneller und effizienter arbeiten als herkömmliche Rechner." Im Oktober rückte Quantenphysik hierzulande in den medialen Mittelpunkt, als der Österreicher Anton Zeilinger für seine Forschung den Nobelpreis erhielt.

Historischer Auftrag

Der DLR-Auftrag zählt zu einem der größten Aufträge, die in diesem Bereich je vergeben worden sind. "Das ist ein Meilenstein für Europa, das in der Grundlagenforschung zwar Vorreiter ist, bei der kommerziellen Umsetzung aber weit hinter den USA und China hinterherhinkt", sagt Hauser. Der DLR-Auftrag könne aber eine Art Initialzündung für Europa in dem Bereich sein. Laut Lechner wäre es "ein Skandal", wenn Europa hier den Anschluss verlöre. Das sei bereits beim Internet oder der künstlichen Intelligenz passiert.

Insgesamt fünf Quantencomputer sollen in den kommenden Jahren in Hamburg entstehen. An zwei davon sind die Innsbrucker beteiligt und werden gemeinsam mit dem Chiphersteller NXP und der deutschen Firma Eleqtron am Quantencomputer arbeiten.

Architektur für den Computer

Das Feld, in dem sich Parity QC bewegt, ist äußerst komplex. Heruntergebrochen kann man sagen, das Unternehmen entwickelt eine Architektur, um das Bauen von Quantencomputern zu vereinfachen und skalierbar zu machen. Das Spin-off der Uni Innsbruck liefert jedenfalls keine Hardware für den Rechner, sondern Baupläne, Algorithmen sowie Betriebssysteme. "Größen wie Google, Amazon oder IBM sind keine Konkurrenz, im Gegenteil, sie sind potenzielle Kunden", sagt Lechner. Man sei weltweit das einzige Unternehmen, das bisher eine derartige Architektur entwickelt habe.

Ein Quantencomputer, der dieses Jahr in China vorgestellt wurde. Europa ist in dem internationalen Wettrennen mit dabei.
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Cybersecurity

Die Entwicklung eines Quantencomputers bringt nicht nur neue Möglichkeiten mit sich, sondern auch Gefahren. Alle gängigen kryptografischen Chiffrierungen werden in naher Zukunft nahezu nutzlos sein, da sie von Quantensystemen spielend leicht gehackt werden können, heißt es etwa in einem Bericht von EY Anfang des Jahres. Abzuwehren gelte es aber nicht nur Echtzeitangriffe. Eine große Gefahr bestehe in "Harvest now – decrypt later"-Verfahren. Das bedeutet: Angreifer können verschlüsselte Daten heute schon sammeln und kopieren, um sie später mit Zugang zu Quantensystemen zu entschlüsseln.

"Regierungen sind extrem interessiert an Quantencomputern. In den USA zum Beispiel gibt es eigene Gremien, die ausschließlich an Standards für quantensichere Systeme arbeiten und Behörden auf die kommenden Herausforderungen vorbereiten", sagt Magdalena Hauser. (Andreas Danzer, 3.11.2022)