Wieder an der Staatsoper: Tomasz Konieczny in "Cardillac".

Foto: Staatsoper/Pöhn

Zwölf Jahre ist die Inszenierung alt – dass nun bei der Wiederaufnahme an der Staatsoper erst die zwölfte Aufführung der Produktion auf dem Abendzettel stand, weist das Stück als absolute Rarität aus.

E. T. A. Hoffmanns Novelle Das Fräulein von Scuderi war 1819 die erste deutschsprachige Kriminalgeschichte. Gut 200 Jahre später schuf Paul Hindemith mit Cardillac einen Opernkrimi ganz nach dem Geschmack der Zeit: motorisch durchpulst, nach außen hin sachlich und kühl, aber doch mit poetischen Inseln, mit denen er nolens volens an der für ihn eigentlich überholten Musiksprache des 19. Jahrhunderts anknüpfte.

Präzis und zupackend

Musikalisch wirkt die Partitur auch heute noch erstaunlich frisch und packend. Cornelius Meister dirigierte sie präzis, zupackend, das Staatsopernorchester zeigte Freude und Energie, doch Meister ist immer auch Kapellmeister genug, um meist die richtige Dosis für die Bühne zu finden. Das ist in der Oper leider keine Selbstverständlichkeit.

Sven-Eric Bechtolfs Inszenierung – schon bei der Premiere im Herbst 2010 vielgelobt – knüpft ziemlich überzeugend an die Ästhetik der 1920er-Jahre an. Über weite Strecken kann man sich fast in einem Stummfilm aus dieser Ära wähnen. Über weite Strecken ist die holzschnittartige Szenerie in Schwarz-Weiß gehalten, dazu kommen expressionistische Grimassen oder ruckartige, schemenhafte Bewegungen der Akteure. Gekonnt haben Rolf und Marianne Glittenberg in Bühnenbild und Kostümen farbenreiche Kontraste geschaffen: grelle Einsprengsel mit symbolträchtigem Potenzial, welche die blutrünstige Geschichte auch dann erfassen lassen würden, wenn man vom Text weniger verstünde.

Gesungen wird von allen Beteiligten beeindruckend: Tomasz Konieczny ist ein kraft- und prachtvoll auftrumpfender Titel(anti)held, der das Abgründige seines Wahnsinns hinter der glänzenden Fassade ahnen lässt.

Bei der Wiederaufnahmepremiere blieben allzu viele Sitze leer. Der Besuch einer der nächsten Aufführungen sei empfohlen. (Daniel Ender, 4.11.2022)