Elektrische Ladungen beeinflussen die Eigenschaften von Wassertropfen – in natürlichen Wolken wurde der Effekt bislang aber noch kaum systematisch erforscht.
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Früher haben Menschen Stoßgebete Richtung Himmel geschickt, auf dass es regnen möge, teilweise passiert das auch noch heute. Inzwischen greift man aber auch zu unmittelbareren Methoden, um das Wetter zu beeinflussen. Giles Harrison, Meteorologe an der Universität Reading in Großbritannien, fällt nicht zum ersten Mal mit Ideen zur künstlichen Regenerzeugung auf. Nun legt er eine Arbeit im Fachblatt "Geophysical Research Letters" vor, in der ein Experiment zur künstlichen Erzeugung von Regen vorgestellt wird.

Harrison und Kollegen von der University of Bath haben im Vorjahr viele Morgen damit verbracht, mit unbemannten kleinen Flugzeugen in den Frühnebel der Küstenebene Somerset Levels zu fliegen und dort Ladungen freizusetzen. Die nun veröffentlichten Ergebnisse demonstrieren, dass der Nebel mehr Wassertröpfchen bildet, wenn positive oder negative Ladungen freigesetzt werden. "Die Veränderung der Tröpfchenladung ist eine mögliche Methode zur Beeinflussung von Nebeln oder Wolken", resümieren die Forscher.

Reicht ein wenig elektrische Ladung, um aus Wolken Regen zu machen? Ein neues Experiment zeigt, wie das funktionieren könnte.
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Einsatz von "Drohnen"

Der Effekt, dass sich Wassertröpfchen anders verhalten, wenn sie elektrisch geladen sind, ist seit langem bekannt. Die elektrische Ladung beeinflusst etwa Oberflächenspannung, Verdunstungsrate oder hydrodynamische Stabilität. "Elektrische Ladung kann die Verdunstung verlangsamen oder sogar – was mich immer wieder erstaunt – Tropfen zum Explodieren bringen, weil die elektrische Kraft die Oberflächenspannung, die sie zusammenhält, übersteigt", sagt Harrison.

Allerdings wurde dieser Effekt bislang noch wenig bei natürlichen Wolken untersucht. "Das liegt zum Teil auch daran, dass es schwierig ist, an die Wolken heranzukommen, um die Ladung freizusetzen", schreiben die Forscher in ihrer Arbeit. Doch diese Herausforderung konnte durch den Einsatz von unbemannten, elektrisch betriebenen Flugzeugen gemeistert werden – diese werden einzeln vom Boden aus gesteuert oder können als Flotte autonom fliegen.

Erhöhte Reflexion im Sonnenlicht

Die im Nebel freigesetzte Ladung kam dabei direkt aus den Antriebsbatterien der Flugzeuge. Weiters wurde eigens ein kleines Flugzeug mit einer Messausrüstung entwickelt, um Daten zu den Vorgängen in der Luft zu erheben. Wie sich zeigte, erhöht die freigesetzte Ladung die Reflexion des Sonnenlichts im Nebel, woraus die Forscher schließen, dass "die Ladung die Wolkeneigenschaften in einer Vielzahl von Situationen beeinflussen kann".

Bereits in einer früheren Arbeit hat das Team, dessen Forschung zu Regenverstärkung unter anderem von den Vereinten Arabischen Emiraten finanziert wird, in einer theoretischen Arbeit gezeigt, wie durch das Einbringen elektrischer Ladung in Wolken künstlich Regen erzeugt werden kann. Der Ansatz könnte in trockenen Regionen wie im Mittleren Osten oder in Afrika nützlich sein, um Regen zu stimulieren.

Für trockene Wüstenregionen könnte künstlicher Regen eine Erleichterung bringen – allerdings mit noch weitgehend unerforschten Folgen.
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Unerforschte Folgewirkungen

Künstliche Eingriffe in das Wettergeschehen gehen freilich auch immer mit Risiken einher: Wie wirkt sich künstlich erzeugter Regen auf den globalen Wasserkreislauf aus? Wie wirken sich die Veränderung von Nebel und Wolken auf die Strahlenbilanz und folglich die Erderwärmung aus? Wer bestimmt, wann wo Regen fallen soll? Welche unerwünschten Nebenwirkungen könnte die Methode haben?

Womöglich böte der Einsatz von Elektrizität anstelle anderer Methoden Vorteile. In China kommt etwa bereits eine Strategie zum Einsatz, bei der Silberjodidpartikel durch Drohnen ausgebracht werden und als Kondensationskeime für winzige Wassertröpfchen fungieren, sodass Regen entstehen kann. Welche Folgen es haben kann, wenn bestimmte chemische Verbindungen vermehrt künstlich in höhere Luftschichten transportiert werden, ist aber noch nicht klar abzusehen – vor allem angesichts der komplexen Zusammenspiele, die die Meteorologie zu verstehen versucht. Vor dem großflächigen Einsatz gilt es jedenfalls noch etliche Fragen zu klären. (Tanja Traxler, 7.11.2022)