2006 ersteigerte der 2018 verstorbene Microsoft-Co-Gründer Paul Allen das Bild für 40,33 Mio. Dollar – nun hat Christie’s einen Auktionserlös von zumindest 90 Millionen Dollar garantiert.

Foto: Courtesy Paul G. Allen Family Collection

Den Spitznamen Waldschrat hatte sich Gustav Klimt unter den Einheimischen redlich erarbeitet, so oft, wie er mit seinen Malutensilien beladen schon in den frühen Morgenstunden in die Wälder in der Umgebung abtauchte: In Litzlberg am Attersee, wo Klimt von 1900 bis 1907 die Sommermonate verbrachte und mehr als 20 Gemälde entstehen sollten.

Darunter jenes als "Birkenwald" bezeichnete, das kommende Woche bei Christie’s in New York zumindest 90 Millionen Dollar einspielen wird: wenigstens, denn diesen Erlös hat das Auktionshaus bereits im Vorfeld garantiert – dem Estate des Microsoft-Co-Gründers Paul Allen, der die Sammlung des 2018 verstorbenen Milliardärs am 9. und 10. November für einen guten Zweck versteigern lässt.

Sammlung eines Milliardärs

Wie berichtet, geht es insgesamt um mehr als 150 Werke, die 500 Jahre Kunstgeschichte dokumentieren und etwa eine Milliarde Dollar schwer sein sollen. Wie viele Rekorde purzeln werden, ist nicht absehbar. Ein neuer Auktionsrekord für ein Gemälde von Gustav Klimt ist jedenfalls schon durch den Schätzwert (exklusive Aufgeld) verbürgt, der über dem bisherigen von 87,94 Millionen Dollar (inklusive Aufgeld) liegt: die vor 16 Jahren für das Porträt "Adele Bloch-Bauer II" (1912) erzielt wurden, ein Bild, das in der internationalen Preisentwicklung für Werke des österreichischen Künstlers eine prominente Rolle spielt.

Zurück zum "Birkenwald", der in der Fachliteratur auch als "Buchenwald" bezeichnet wird. Ein Landschaftsbild, das – pathetisch formuliert – die Atmosphäre einer Sommerfrische atmet, die teils über Klimts Briefwechsel mit den Müttern seiner unehelichen Kinder in jenem Jahr dokumentiert ist.

Regen trübte die Stimmung

Die Ankunft in Litzlberg und der Bezug seines Quartiers im Bräuhof erfolgten am 29. Juli. Der straff organisierte Tagesablauf sah, neben Malstunden am frühen Morgen und am späten Nachmittag, "mit aller Vorsicht" eingenommene Seebäder, Lesen und "ein kleines Schläfchen" nach dem Mittagessen vor. Bis zum Abendessen schob Klimt bisweilen eine Kegelpartie im Nachbarort ein.

Was ihn in diesen Tagen nervte? Der immer wieder über Tage andauernder Regen, der seine Produktivität in die Grenzen wies. Er sei "allerschlechtester Gemütsverfassung", die Arbeit bliebe "vorläufig auf das Zimmer beschränkt", meldet er Mitte August nach Wien, "mit den Landschaftsbildern schaut es demgemäß sehr traurig aus, ich habe vorläufig erst zwei angefangen".

"Teppich abgefallener Blätter …"

Der "Birkenwald" war eines davon. "Wie Säulen einer von der Natur geschaffenen Kathedrale erheben sich die eleganten, jenseitig wirkenden silbernen Stamme aus einem bronzefarbenen Teppich abgefallener Blätter", beschreibt der Kunsthistoriker Johannes Dobai das Bild Jahre später.

Am 6. September 1903 reiste Klimt aus Litzlberg ab. Zurück in seinem Wiener Atelier befasste er sich mit den Vorbereitungen für die im November-Dezember anberaumte Schau in der Secession. Eine Präsentation, die für ihn von besonderer persönlicher Relevanz war, handelte es sich doch um die erste Einzelausstellung seiner Karriere überhaupt. Der "Birkenwald" wird in dieser und anderen wichtigen Ausstellungen zu sehen sein.

Noch zu Lebzeiten verkauft Gustav Klimt das Gemälde an das legendäre Sammlerehepaar Adele und Ferdinand-Bloch-Bauer. Ferdinand war Industrieller und Bankier, Adele eine bedeutende Mäzenin des Künstlers, der sie – als einzige Frau je – sogar zwei Mal porträtieren sollte.

In der NS-Zeit beschlagnahmt

Das weitere Schicksal der Sammlung Bloch-Bauer wurde einer breiten Öffentlichkeit spätestens 2015 durch die Verfilmung "Die Frau in Gold" ("Woman in Gold") bekannt. Der Beschlagnahme in der NS-Zeit folgte ein unwürdiger und mit Unterbrechungen über Jahrzehnte andauernder Kampf um die Restitution, die erst 2006 über ein Schiedsverfahren entschieden wurde.

Der anschließende Verkauf der insgesamt sechs Klimt-Gemälde aus der Sammlung Bloch-Bauer bescherte dem Markt für Werke des Künstlers eine Zäsur. Dank eines einen gelungenen Marketingcoup, wie sich rückblickend herausstellte. Im Juni 2006 blätterte Ronald Lauder – mit Finanzierungshilfe von Christie’s – 135 Millionen Dollar für den Kauf des Porträts "Adele Bloch-Bauer I" (1907) hin, das als Hauptwerk Klimts "goldener Periode" gilt.

Das nun in der Klimt-Ausstellung in Amsterdam gastierende Bild "Wasserschlangen II" wird aufgrund seines hohen Versicherungswertes von 300 Millionen Euro nicht in Wien zu sehen sein.
Foto: Courtesy HomeArt

Restitution folgte Verkauf

Ein Preis, der weder dementiert noch je bestätigt wurde, damals jedoch den bis dahin höchsten Kaufpreis in der Geschichte des Kunstmarktes markierte und die monetäre Bewertung für Arbeiten Klimts in die Höhe schraubte: Zeitgerecht vor der im November 2006 sodann bei Christie’s in New York anberaumten Versteigerung, in der die anderen vier restituierten Gemälde insgesamt 193 Millionen Dollar einspielten.

Für den "Birkenwald" bewilligte Paul Allen damals 40,33 Millionen Dollar, den vorläufigen Auktionsweltrekord für das "bunte" Adele-Porträt wiederum Talkshow-Queen Oprah Winfrey. 2017 verkaufte die Self-Made-Milliardärin das Bild mit stattlichem Aufschlag für kolportierte 150 Millionen Dollar: an einen chinesischen Sammler oder Sammlerin.

Eine Annahme, die über die seit Anfang Oktober laufende Ausstellung in Amsterdam neue Nahrung bekam, in der auch Klimt-Bilder aus der Sammlung des Unternehmens "HomeArt" zu sehen sind. Dabei dürfte es sich um die in den Panama Papers aufscheinende und auf den British Virgin Islands registrierte "Home Art HK Limited" handeln. Diese führt wiederum über Hongkong zu einer Shareholderin namens Rosaline Wong Wing-Yue, Freundin des Immobilienmagnaten Henry Cheng Kar-Shun.

Versicherungswert 300 Millionen

Zu deren Leihgaben gehört nicht nur das Adele-Porträt von 1912, sondern auch die "Wasserschlangen II" von 1904, die sich zuletzt bis zumindest 2014 im Besitz des russischen Milliardärs Dmitri Rybolowlew befanden. Wenn die gemeinsam vom Van Gogh Museum und Belvedere organisierte Ausstellung ab 3. Februar 2023 in Wien gastiert, werden diese beiden Bilder allerdings nicht zu sehen sein, wie Kurator Markus Fellinger auf STANDARD-Anfrage bestätigt.

Der Grund? Der mit je 300 Millionen Euro bezifferte Versicherungswert, der eine Staatshaftung in Österreich aufgrund der gesetzlich festgelegten Obergrenze von 120 Millionen Euro ausschließt. Für Werte darüber müsste eigens eine separate Privatversicherung abgeschlossen werden, die das Budget des Bundesmuseums sprengen würde. (Olga Kronsteiner, 5.11.2022)