Twitter hat Mitarbeiter in vielen Teilen der Welt. Jedes Land verfügt über eigene rechtliche Grundlagen, was Kündigungen betrifft.

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Bei Twitter zu arbeiten ist dieser Tage nicht einfach. Am Donnerstag bekam jeder Mitarbeiter eine E-Mail zugeschickt, in der geschrieben stand, dass man am nächsten Tag in einer Folgemail erfahren würde, ob man weiterhin Teil des Unternehmens bleiben dürfe. In der Information an die Mitarbeiter stand weiter, dass es sich bei diesem Prozess um eine "fordernde Erfahrung" für alle Beteiligten handle, dies aber nötig sei, um Twitter auf einen "gesunden Weg" schicken zu können.

Bei einer vom Neo-Chef Elon Musk angedrohten Kündigungsquote von mindestens 50 Prozent sind das mit Sicherheit angespannte 24 Stunden für jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter. Dieser Paukenschlag beendet ein für die Tech-Branche turbulentes Jahr, das in vielen Bereichen von radikalem Stellenabbau begleitet wurde. Nicht immer rechtlich sauber.

Via E-Mail erfuhren die Twitter-Mitarbeiter von ihrer Zukunft.
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Rechtlicher Graubereich

"Das kalifornische Recht verlangt vom Unternehmen Twitter, dass bei einer Kündigungswelle dieser Größe Mitarbeiter 60 Tage vor der Kündigung informiert werden", schreibt die US-Anwältin Lisa Bloom auf der Nachrichtenplattform. Dies gelte für Firmen ab einer Größe von über 75 Personen, erklärt sie. Damit solle sichergestellt werden, dass die Gekündigten Zeit haben, mit der neuen Situation umzugehen und sich etwa nach einem neuen Arbeitgeber umzusehen.

Wer sich als Unternehmen nicht an diese Regel hält, muss laut Gesetz mit 500 Dollar Strafe pro Mitarbeiter und Tag rechnen. Zusätzlich müsste laut Bloom Twitter für etwaige Arztkosten aufkommen, die bei einer bestehenden Anstellung vom Arbeitgeber hätten übernommen werden müssen. Basierend auf diesen Anschuldigungen wurde laut Bloomberg auch bereits die erste Klage gegen Twitter eingereicht.

Für Musk ist eine solche Klage nicht neu. Im Juni 2022 wurden bei Tesla mehr als 500 Beschäftigte auf eine ähnliche Weise gekündigt. Als offizieller Grund wurde die anstehende Rezession genannt. Auch vor fünf Monaten wurden rechtlich vorgesehene Fristen nicht eingehalten, was eine Klage nach sich zog. "Es ist ziemlich schockierend, dass Tesla so eklatant gegen das Bundesarbeitsrecht verstößt, indem es so viele Beschäftigte entlässt, ohne die erforderliche Frist einzuhalten", sagte damals die Anwältin Shannon Liss-Riordan, die die Kläger vertritt, der Nachrichtenagentur Reuters.

Kein Einzelfall

Kündigungen dieser Art sind kein Einzelfall. Die Häufung von Massenentlassungen in der Tech-Branche hat allerdings vor allem in den letzten zwölf Monaten immer wieder für Schlagzeilen gesorgt – oftmals auch die Art und Weise.

Better.com entließ im Dezember 2021 900 Mitarbeiter. Der CEO informierte die Betroffenen via Zoom-Call. Im Juni 2022 erwischte es die bereits erwähnten Tesla-Mitarbeiter: 229 von 350 Angestellten der Abteilung "Autopilot" mussten gehen. Coinbase, eine der größten Handelsplattformen für Digitalwährungen, kündigte ebenfalls im Juni einen Abbau von 18 Prozent des Personals an. Dieser sei aufgrund der unsicheren Geschäftsaussichten und der zu optimistischen Wachstumsprognosen für die eigene Firma nötig. 1.100 Mitarbeiter verloren ihre Stelle. Es hagelte auch zahlreiche Beschwerden von Menschen, die aufgrund einer Zusage von Coinbase bereits ihren alten Job gekündigt hatten und nun vor einem Scherbenhaufen standen.

Der "Krypto-Winter" erreichte auch Österreich. Bitpanda kündigte nach öffentlichen Durchhalteparolen nach eigenen Aussagen rund ein Viertel der Angestellten. Im Nachgang setzte es aber heftige Kritik von ehemaligen Mitarbeitern. Diese stellten in den Raum, dass der Personalstand höher war und deutlich mehr Leute gekündigt wurden als behauptet, was Bitpanda als "Spekulation" zurückwies.

Auch die Art und Weise der Trennung von den Mitarbeitern wurde kritisiert. Demnach mussten die Mitarbeiter am Stichtag bis 16 Uhr ausharren, um zu erfahren, ob sie bleiben konnten oder gehen mussten. Die Betroffenen seien bereits fünf Minuten später aus allen Systemen ausgeloggt und kurz darauf vom Sicherheitsdienst aufgefordert worden, das Büro zu verlassen.

Die Liste ließe sich fast beliebig weiterführen, etwa mit der Snapchat-Mutter Snap oder der Finanzplattform Robinhood. Auch das vielgelobte Gostudent aus Österreich reduzierte seine Belegschaft aufgrund steigender Inflation und immer schwierigen Zugangs zu Kapital um über zehn Prozent.

Unsichere Zukunft

Wenn sogar Meta und Google zu einem Aufnahmestopp in Sachen Personal aufrufen, dann scheinen die Ereignisse der letzten Jahre – sei es die Pandemie oder auch der Krieg in der Ukraine – die Tech-Branche nachhaltig zu verändern. Die an der Börse offenbar viel zu hoch eingestuften Riesen, bei denen es in den letzten Jahren fast ohne Unterbrechung steil nach oben ging, aber auch die zahlreichen Newcomer in diesem Bereich müssen sich einer neuen Realität stellen.

Die Art und Weise, wie so mancher Vertreter der Branche mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Zuge solcher Kündigungswellen umgeht, ist mit Sicherheit verbesserungswürdig und mit jedem rechtlichen Mittel zu bekämpfen, das zur Verfügung steht. Pauschalisiert kann hier allerdings nicht werden. Es gibt zahlreiche Vertreter, die sehr wohl auf ihre Angestellten achten, in Verträgen zahlreiche Boni festhalten und großzügige Kündigungsfristen einhalten. Dass Musk hier nicht dazuzählt, hat er nicht erst bei Twitter bewiesen. Die Rechnung dafür bekommt er wohl bald serviert. (Alexander Amon, 4.11.2022)