Der neue Teil ist seit dem 28. Oktober verfügbar.

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Das Amsterdam-Level zeigt die Grafikleistung des Spiels besonders gut.

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Es ist nicht einfach, für die Entwicklung eines neuen "Call of Duty" verantwortlich zu sein. Immerhin erscheint seit mittlerweile 20 Jahren regelmäßig ein neuer Titel. Raum für Innovation bleibt dabei selten, und falls doch, reagiert die Community auf Veränderungen meist allergisch.

Das war nicht immer so. Bis zum heutigen Tage schwärmen Fans von der originalen "Modern Warfare"-Trilogie. Sowohl ihre Kampagne als auch der Multiplayer-Modus bescherte der Franchise damals eine nie dagewesene Beliebtheit und Reichweite. Auch deshalb war es 2019 ein kluger Schachzug von Activision, die Geschichte der beliebten Charaktere Ghost, Soap und Captain Price wiederzubeleben. Ein Engagement, das mit dem nun veröffentlichten "Call of Duty: Modern Warfare 2" unterstrichen wurde. Vom Erfolg des neuen Spiels hängt sehr viel ab. Immerhin soll dieses erstmals für zwei statt nur einem Jahr gespielt werden. Ganz abgesehen davon, dass es das Fundament für "Warzone 2.0" bildet.

Aus monetärer Sicht hat Activision dieses Ziel bereits erreicht. Am Eröffnungswochenende spielte der Shooter stolze 800 Millionen Dollar in die Kassen des Publishers, also fast doppelt so viel wie der Marvel-Blockbuster "Doctor Strange in the Multiverse of Madness". Doch kann das Gameplay die Fanscharen tatsächlich für zwei Jahre an sich fesseln? Gut möglich, so die kurze Antwort. Angesichts des üppigen Spielumfangs lohnt es sich allerdings auszuholen.

Bekannt, aber erfrischend anders

Fangen wir mit der Kampagne an, immerhin dürften die meisten Fans sich diese als Erstes vorknüpfen. Die Story rund um Ghost und Co schließt an die Geschehnisse des Reboots aus dem Jahr 2019 an. Nur wenige Jahre nachdem die Protagonisten die Welt vor einer terroristischen Bedrohung bewahrt haben, wird die Task Force 141 schon wieder gezwungen, die Freiheit des Westens zu sichern. Klingt etwas platt? Ist es auch. Man sollte sich allerdings nicht davon abschrecken lassen, denn zwischen der dick aufgetragenen US-Propaganda verbirgt sich eine wunderschön inszenierte Kampagne samt vielfältigen Leveldesigns und liebevoll gestalteten Schauplätzen.

Auch eine Verfolgungsjagd darf nicht fehlen.
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Insgesamt 17 Missionen muss man bestreiten, für die man insgesamt zwischen sechs und acht Stunden braucht. Ohne allzu tief ins Detail gehen zu wollen, wird man als Spieler an unterschiedlichste Orte in Europa, Mittelamerika und dem Nahen Osten geführt. Einen Großteil der Spielzeit verbringt man allerdings in Mexiko, einem für "Call of Duty" bisher eher unbekannten Schauplatz.

Die einzelnen Levels stechen insbesondere durch ihre Vielfalt hervor. Die Entwickler scheinen aktiv darauf geachtet zu haben, eine gute Mischung aus Passagen mit actionreichen Schießereien und Schleichmissionen abzuliefern, die den Adrenalinpegel in die Höhe treiben (Stichwort Ghillie Suit). Aufgrund der ungeschickten Umstände, in die man während des Verlaufs der Story gerät, kämpft man meist in kleinen Teams.

Daran angepasst ist auch das Leveldesign. Häufig muss man sehr viel taktischer vorgehen als zum Beispiel in "Call of Duty: Vanguard" und den besten Weg durch ein Level finden. Zwischendurch gilt es sogar kleinere "Rätsel" zu lösen, zum Beispiel eine Schlüsselkarte zu finden, die einen Aufzug entsperrt – oder aber einen Alternativweg zu finden, der die Suche unnötig macht. Neu ist außerdem eine Crafting-Mechanik, die in einzelnen Missionen essenziell wird, nachdem man die eigene Ausrüstung verliert. Dabei handelt es sich um kleine, aber doch bemerkenswert umgesetzte Ideen, die einen während des Spielens aus dem gewohnten Trott reißen und Freude bereiten.

Um eine "Call of Duty"-typische Inszenierung von Ereignissen zu ermöglichen, haben die einzelnen Orte natürlich weiterhin ein schlauchartiges Design. In einigen Fällen wird einem aber viel mehr Spielraum gegeben als noch in früheren Teilen. So zum Beispiel in "Wetwork" oder den Akten "Recon by Fire" und "Alone". Dort wird man in ein offenes Areal unterschiedlicher Größe geworfen und hat freie Hand, wie man vorgehen möchte. Schleicht man sich von hinten an die Gegner heran, um sie still und heimlich aus dem Weg zu räumen oder konfrontiert man sie frontal? Die Entscheidung liegt beim Spieler. Immer wieder hat man außerdem die Möglichkeit, aktive Dialoge zu führen und Charaktere besser kennenzulernen. Bis auf einen Ausnahmefall sind die Unterhaltungen zwar optional, aber eine nette Idee. Klar, Infinity Ward erfindet hier das Rad nicht neu. Die Entwickler schaffen es aber, gleichzeitig dem eigenen Konzept treu zu bleiben und frischen Wind in das Spiel zu bringen.

Augenrollen vorprogrammiert

Auch optisch ist "Modern Warfare 2" ein wirklicher Hingucker. Das Spiel wurde auf Basis einer neuen Engine entwickelt, die ein deutliches Upgrade in Sachen Grafik mit sich bringt. Die Spielwelt ist sehr viel detaillierter, die Wasser- und Lichteffekte realistischer und atmosphärischer. Dasselbe gilt für die Waffenmodelle und Animationen des Spielcharakters – und sowohl für die PS5, die Xbox Series X als auch die PC-Version. Alle drei konnte der STANDARD ausprobieren, für einen Großteil des Tests wurde allerdings die Xbox verwendet.

Unter anderem verschlägt es einen für eine Stealth-Mission nach Spanien.
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Fehlerfrei ist das Spiel aber keinesfalls. Gerade wegen der eigentlich hohen Detailtreue ist es irritierend, dass der eigene Charakter als einzige Figur im Spiel weder einen Schatten wirft, noch ein Spiegelbild hat. Letzteres ist vielleicht auch der Tatsache geschuldet, dass man in der Ego-Perspektive noch immer keine Beine hat. Man sollte allerdings meinen, dass ein AAA-Budget es ermöglicht, sich in Spiegeln oder Pfützen am Boden selbst zu sehen. Was nach einer Kleinigkeit klingt, hat während des Durchspielens des Amsterdam-Levels für einen Bruch der Immersion gesorgt.

Für Augenrollen sorgen außerdem die eingeblendeten Zitate, wenn man stirbt. Rot hinterlegt werden einem immer wieder Stehsätze von Machiavelli, Frida Kahlo, Aristoteles – oder auch dem "Call of Duty"-Charakter Captain Price aufgetischt. Was auf Teenager vielleicht tiefgründig wirkt, ist in Wirklichkeit eine unnötig kitschige Peinlichkeit. Deshalb: Bitte, Infinity Ward, hört auf damit!

Nicht zuletzt springt immer wieder die etwas dümmliche KI ins Auge. Dabei wurde vor Release noch damit geworben, dass die Gegner sich in diesem Jahr viel klüger bewegen würden, einen flankieren könnten und realistischer wirken sollen. Im fertigen Spiel ist davon leider nichts zu sehen. Noch immer rennen die Widersacher einem stumpf entgegen. Statt mit steigendem Schwierigkeitsgrad intelligenter zu werden, werden sie nur zielsicherer. Zum Glück fällt das nur gelegentlich auf, meist ist man so mit dem Gesamtspektakel eingespannt, dass einzelne Missgeschicke untergehen und verzeihbar werden.

Multiplayer, das Sahnehäubchen

Ähnlich positiv fällt auch das Urteil über den umfangreichen Mehrspielermodus aus. Zum Launch stehen hier zehn Maps zur Auswahl, die allesamt von Orten der Kampagne inspiriert wurden und sich bestens dafür eignen, sich mit Gegenspielern zu messen. Die meisten von ihnen wurden anhand des klassischen Three-Lane-Design entworfen, das drei primäre Laufwege vorsieht, um ans andere Ende vom Spielfeld zu gelangen. Gleichzeitig schaffen sie es, ausreichend Neuerungen mit sich zu bringen, um nicht altbacken zu wirken.

Zum Beispiel finden sich immer wieder mehrstöckige Gebäude, die den Kampf auch vertikal erstrecken. Aber auch Wasserpassagen, die einem ermöglichen, bestimmte Bereiche der Map noch schneller zu erreichen – oder aber hinter Gegnern aufzutauchen und zu überraschen. Das macht zwar die Lernkurve etwas steiler, weil es recht viel Laufwege gibt, öffnet aber neue Türen für ein taktischeres Vorgehen.

Primärwaffen haben zehn Slots für Aufsätze.
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Erstaunlich ist außerdem, dass fast alle Karten unterschiedliche Spielweisen ermöglichen. Keine von ihnen ist derzeit ausschließlich auf Fern- oder Nahkampf ausgelegt, stattdessen bieten sie sowohl engere Räumlichkeiten für SMG- und Schrotflinten-Spieler als auch längere Sichtwege für all jene, die lieber mit einem Sturm- oder Scharfschützengewehr ausrücken möchten.

Dennoch sollte man sich vor dem Start jeder Runde ganz genau überlegen, welche Waffe man tatsächlich auswählt. Im Vergleich zu früheren Teilen ist es deutlich schwieriger, mit einer Maschinenpistole eine Auseinandersetzung auf längere Distanz zu gewinnen. Umgekehrt gilt dasselbe auch für Sturmgewehre auf engem Raum. Letztere handhaben sich deutlich schwerfälliger und erfordern ein langsameres, taktischeres Vorgehen.

Taktik gefordert

Das liegt auch daran, dass sich Infinity Ward vom Bewegungsmodell des Vorgängers verabschiedet hat. Vorbei sind die Zeiten, in denen man wie auf Schienen über die halbe Map rutschen konnte oder wie ein Kaninchen in Auseinandersetzungen hineinhoppelte. Man kommt nicht drumherum zu entschleunigen. Denn sprintet man weiterhin um jede Ecke, erntet man vor allem eines: Frust. "Modern Warfare 2" ist ganz klar auf ein taktisches Spielmodell ausgelegt, einerseits wegen der Bewegungs- und Waffenmechaniken, andererseits wegen des sehr knapp bemessenen Lebensbalkens. Das dürfte manche "Warzone"-Fans zwar erzürnen, ist aber eine Erfrischung – und zeigt, dass sich die Entwickler Gedanken darüber gemacht haben, ein wirklich neues Spiel abzuliefern, das sich anders spielt als der Vorgänger.

Ähnliches gilt für das Herzstück des Multiplayers: die Waffen. Insgesamt stehen derzeit 40 Primärwaffen zur Verfügung, darunter Sturmgewehre, SMGs, Schrotflinten, Leichte Maschinengewehre, Marksman Rifles, Scharfschützengewehre und ein Schutzschild. Hinzu kommen fünf Pistolen, vier Raketenwerfer und ein Messer, die wahlweise als Sekundärwaffe ausgerüstet werden können.

Spieglein, Spieglein ...
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Wie für "Call of Duty" üblich, können all diese Waffen individualisiert und aufgerüstet werden. Einerseits mit Tarnungen, andererseits mit einer Vielzahl von Aufsätzen. Im sogenannten Waffenschmied stehen diesmal insgesamt zehn Slots zur Auswahl, von denen maximal fünf pro Waffe befüllt werden können.

Zum Beispiel kann man einen Schalldämpfer, ein neues Visier oder einen neuen Vordergriff anbringen, um Vorteile wie einen stabileren Rückstoß zu erhalten. Bei der Auswahl muss man allerdings außergewöhnlich vorsichtig sein, da den Vorteilen meist ein Nachteil gegenübersteht – der wiederum mit einem anderen Aufsatz ausgeglichen werden muss. Rüstet man eine Waffe zum Beispiel für den Fernkampf auf, kann es schnell passieren, dass sie wahnsinnig träge wird und allzu langsam ins Visier hineinzoomt.

Individualisierung gewünscht

Da in vielen Auseinandersetzungen ein Sekundenbruchteil über das eigene Schicksal entscheidet, kann das verheerend sein. Man sollte sich teilweise also überlegen, ob man alle vorhandenen Slots befüllt oder einzelne leer lässt. Interessant ist in diesem Kontext auch, dass man zum Freischalten bestimmter Aufsätze nicht nur die gewünschte Waffe aufleveln muss. Für einen nicht unerheblichen Teil der Verbesserung muss man fast das ganze Angebot durchprobieren.

Das Gunplay wirkt jedenfalls ausgereifter und durchdachter als noch im letzten oder vorletzten Serienteil. Die Waffen haben einen spürbaren Rückstoß, den man als Spielerin oder Spieler erst mal kontrollieren lernen muss. Das mag zwar mühsam sein, macht schlussendlich aber Spaß, da es einen Unterschied macht, welche Wahl man vor Matchbeginn trifft.

Individuell wählen kann man übrigens auch die "Killstreaks", also Belohnungen dafür, eine gewisse Anzahl Gegner zu besiegen, ohne selbst zu sterben. Hier stehen insgesamt 19 Stück zur Auswahl, darunter eine Drohne, Konterdrohne oder auch ein Präzisionsluftschlag oder Helikopterpilot. Außerdem stehen zahlreiche "Operators" zur Verfügung, die das Aussehen des eigenen Charakters in Multiplayerspielen verändert. Eine Option, die Activision künftig sicherlich für die Monetarisierung des Spiels verwenden wird.

Man kann im Multiplayer unterschiedliche "Operators" wählen.
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Neben herkömmlichen Spielmodi wie Team Deathmatch, Herrschaft und Stellung gibt es nun auch den Modus Prisoner Rescue. Wie der Name bereits nahelegt, muss man bei diesem eine Geisel entweder retten oder die Retter aufhalten. Das Ziel ist, möglichst viele Punkte zu erreichen. Das erinnert stark an Spiele wie "Rainbow Six: Siege", spielt sich aber auch in "Call of Duty" erstaunlich gut. Darüber hinaus gibt es mit Ground War und Invasion die Möglichkeit des Kräftemessens auf deutlich größeren Karten. Hier wird die maximale Spieleranzahl angehoben, außerdem gibt es die Möglichkeit, mit diversen Fahrzeugen in den Kampf zu ziehen.

Fazit

Mit "Call of Duty: Modern Warfare 2" machen Infinity Ward und Activision vieles richtig. Die Kampagne liefert dank vielfältiger Level- und Missionsdesigns erstaunlich kurzweilige sieben Stunden Unterhaltung. Die Inszenierung erinnert phasenweise an einen Action-Blockbuster, der auch im Kino laufen könnte. Die Stärken wiegen tatsächlich so schwer, dass auch die platte Storyline voller US-Propaganda verzeihbar wird, ebenso wie die teils dümmliche KI. Zwei Schwachstellen, an denen beim nächsten Teil wirklich nachgebessert werden sollte.

Abgerundet wird das Erlebnis von einem umfangreichen Multiplayer, der dank zahlreicher Spielmodi, vieler guter Maps und eines umfassend überarbeiteten Bewegungs- und Waffenmodells für unzählige Stunden Spaß sorgt. Schon jetzt haben die Entwickler weitere Maps angekündigt, darunter Neugestaltungen bekannter und beliebter Klassiker. Allesamt gute Anzeichen dafür, dass "Modern Warfare 2" auch in zwei Jahren noch ein Publikumsmagnet sein wird – was unweigerlich für Vorfreude auf den Release von "Warzone 2.0" sorgt. Dieses erscheint am 16. November. (Mickey Manakas, 7.11.2022)