Die Zeichnung ist ein echter Basquiat, der Rahmen nicht.

Foto: Faksimile Katalog Wienerroither & Kohlbacher, Wien 2016

Frage: Hat sich Heller durch sein Verhalten strafbar gemacht?

Antwort: Theoretisch könnte Betrug vorliegen. Voraussetzung dafür wäre, dass Heller beim Verkauf des Rahmens bewusst hinsichtlich dessen Entstehungsgeschichte getäuscht und versucht hätte, Profit daraus zu schlagen. Der Rahmen wurde zunächst 2017 in Maastricht und New York als vermeintliche Basquiat-Arbeit zusammen mit einer Zeichnung des Künstlers angeboten. Auch als der Rahmen 2018 um 800.000 Euro verkauft wurde, hat Heller laut Zwischenhändler Amir Shariat nicht über seine wahre Herkunft aufgeklärt. Heller bestreitet das: Er habe das Werk als Rahmen mit eingearbeiteten Basquiat-Zeichnungen bezeichnet und nicht als eigenständige Arbeit. Einen Vorsatz, sich zu bereichern, habe er nicht gehabt.

Frage: Der Rahmendeal wurde mittlerweile rückabgewickelt. Wie kam es dazu?

Antwort: Im Zuge der "Falter"-Recherchen revidierte André Heller Mitte Oktober seine Angaben aus dem Jahr 2016, wonach Basquiat den Rahmen in seinem Atelier angefertigt habe. Vielmehr habe er diesen mit Freunden in Wien selbst gebastelt. Am 23. Oktober informiert Heller den "Falter" telefonisch, "den Rahmen dieser Tage zurückgekauft" zu haben. Wann die Rückabwicklung genau erfolgte? "Rechtzeitig", erklärt Hellers Anwalt Thomas Höhne auf STANDARD-Anfrage. Die Rücküberweisung des ursprünglichen Kaufpreises in der Höhe von 800.000 Euro wurde dieser Tage veranlasst.

Frage: Hat Heller mit dem Rückkauf eine Strafe verhindert?

Antwort: Das ist gut möglich. Juristinnen und Juristen sprechen dabei von "tätiger Reue". Bei Vermögensdelikten können Täter eine Strafe verhindern, indem sie den Schaden rechtzeitig wiedergutmachen. Die Voraussetzungen dafür sind allerdings streng: Täter müssen "tätige Reue" üben, noch bevor die Behörden von dem Delikt erfahren. Das dürfte hier zutreffen: Die Staatsanwaltschaft Wien hat erst durch Medienberichte von dem Fall erfahren, heißt es auf Anfrage des STANDARD. Diese weitreichende "tätige Reue" ist übrigens eine österreichische Besonderheit. In den meisten westeuropäischen Staaten gibt es die Möglichkeit nicht – auch nicht in Deutschland.

Frage: Hat der "Falter" also mit seinen Recherchen André Heller geholfen?

Antwort: Aus der Titelgeschichte des "Falter" gehen die unterschiedlichen Etappen der Recherche hervor, die das begünstigt haben könnten. Die Entscheidung zur Rückabwicklung des 2018 erfolgten Rahmenverkaufs kam offenkundig erst nach dem Did-it-myself-Geständnis Mitte Oktober zustande. André Heller kam damit einer Strafanzeige zuvor, die durch die Veröffentlichung des Artikels hätte ausgelöst werden können. Für Verwunderung in der Medienbranche sorgt auch ein anderes Detail: Am 30. Oktober bekamen eine Vertraute Hellers und sein Anwalt den Artikel des "Falter" vorab zu lesen. Ein unübliches Vorgehen, das weltweit und auch beim STANDARD als absolutes No-Go gilt.

Frage: Kann nicht auch gezielte Täuschung strafrechtliche Folgen haben?

Antwort: Theoretisch schon. Auch eine Täuschung allein kann strafbar sein. Dass jemand dabei Profit schlägt, ist nicht unbedingt erforderlich. Es genügt etwa, dass das Opfer aufgrund der Täuschung in anderen sogenannten Individualrechten verletzt wird – etwa in Privatsphäre, Hausrecht oder Freiheit. Eine reine Verletzung der Ehre, an die man im aktuellen Fall denken könnte, reicht laut Heidemarie Paulitsch, Anwältin für Strafrecht, nicht aus. Dazu kommt eine weitere Hürde: Strafrechtliche Ermittlungen wegen reiner Täuschung werden nur eingeleitet, wenn das mutmaßliche Opfer das will.

Frage: Ermittelt die Staatsanwaltschaft?

Antwort: Nein, derzeit ist bei der Staatsanwaltschaft Wien kein Verfahren anhängig. Die Medienberichte seien zu wenig, um einen Anfangsverdacht zu prüfen, heißt es. Dafür brauche es eine Anzeige, die bisher nicht vorliege. Dass Medienberichte strafrechtliche Ermittlungen auslösen, kommt in der Praxis zwar vor, dafür muss es allerdings "eindeutige Anhaltspunkte" geben, sagt Paulitsch. "Ich kann mir gut vorstellen, dass die Staatsanwaltschaft hier eindeutig herausliest, dass Heller tätige Reue geübt hat."

Frage: Könnte der Käufer oder die involvierten Kunsthändler privat auf Schadenersatz klagen?

Antwort: Bisher ist unbekannt, wer der Käufer des Rahmens war. Schadenersatz käme hier allerdings nur bedingt infrage, weil Heller den Kauf rückgängig gemacht hat. Der Käufer könnte laut Paulitsch aber zum Beispiel Kosten für Anwälte oder Gutachterinnen geltend machen. Denkbar wären auch private Klagen der involvierten Kunsthändler und Experten, die sich durch Heller getäuscht fühlen. Sie könnten etwa damit argumentieren, dass sie durch die mutmaßliche Fälschung einen Reputationsverlust erleiden. Ein solcher "Reputationsschaden" ist in der Praxis freilich schwer in Geld zu messen. Die Kläger müssten nachweisen, dass ihnen durch den Vorfall künftige Geschäfte entgehen.

Frage: Welche Rolle spielen in diesem Fall Echtheitszertifikate?

Antwort: Basquiat ist ein Sonderfall: Sieht man von Publikationen ab, die teils noch zu Lebzeiten, teils nach dem Tod des New Yorker Künstlers 1988 erschienen, gibt es keine mit einem Werkverzeichnis vergleichbare vollständige Dokumentation seines Schaffens. Die Authentifizierung unbekannter Arbeiten erfolgte deshalb über den Nachlass des Künstlers, 2012 stellte das Komitee seine Arbeit jedoch ein. Seither gibt es keine weiteren Autorisierungen mehr. Was hat es mit jenem Echtheitszertifikat auf sich, das André Heller im "Falter"-Interview vermeint "als Besitzer" hätte "ausstellen zu müssen"? Nichts, denn das Zertifikat eines Verkäufers ist auf dem Kunstmarkt ohne Belang. (Olga Kronsteiner, Jakob Pflügl, 4.11.2022)