Keine Besucher hochentwickelter außerirdischer Zivilisationen, sondern Spionagetechnik anderer Nationen, Müll und optische Täuschungen stecken hinter vielen bisher unerklärten Ufo-Sichtungen des US-Militärs in jüngerer Vergangenheit. Das berichtet die "New York Times" unter Berufung auf namentlich nicht genannte Regierungsbeamte, die Einblicke in die als geheim eingestuften Ufo-Untersuchungen des Pentagons haben sollen. So sollen etwa chinesische Überwachungsdrohnen hinter bisher rätselhaften Beobachtungen stecken, aber auch Überreste von Wetterballons und Trugbilder, deren Entstehung durch Fachleute nachvollziehbar gemacht worden sei.

Aufnahme eines "nicht identifizierten Luftphänomens" vom 28. April 2020. Sie stammt aus dem Cockpit eines US-Navy-Piloten.

Foto: APA/AFP/US Department of Defense

Eine Sprecherin des US-Verteidigungsministeriums wollte gegenüber der Zeitung keine Details nennen. Das Pentagon bleibe zwar Grundsätzen der Offenheit verpflichtet, müsse diese aber stets mit seiner "Verpflichtung zum Schutz sensibler Informationen, Quellen und Methoden" in Einklang bringen, hieß es. Ein Großteil der Analysen zu "nicht identifizierten Luftphänomenen" (UAPs) – dem vom US-Militär genutzten Begriff für Ufos – ist dementsprechend nach wie vor unter Verschluss.

Geheimdienstbericht zu unerklärten Sichtungen

Dennoch hat sich im Umgang mit unidentifizierten Flugobjekten in den vergangenen Jahren in den USA ein bemerkenswerter Wandel vollzogen. Jahrzehntelang war das Thema von offizieller Seite grundsätzlich unkommentiert geblieben, während Verschwörungstheorien rund um Sichtungen, angebliche Landungen von Außerirdischen und behauptete Experimente des US-Militärs blühten. 2021 ließ Ex-Präsident Barack Obama in einer Talkshow aufhorchen, als er derartigen Theorien zwar eine Absage erteilte aber erwähnte, dass es für manche Beobachtungen des US-Militärs in der jüngeren Vergangenheit tatsächlich keine Erklärung gebe. Wenig später räumten auch Militär und Geheimdienste erstmals ein, dass es Forschungsbedarf zu Ufos gibt.

Von 143 unerklärten Sichtungen war in einem Geheimdienstbericht die Rede, der 2021 veröffentlicht wurde.
Foto: EPA/US DEPARTMENT OF DEFENSE

In einem im Juni 2021 veröffentlichten Geheimdienstbericht über Ufo-Sichtungen durch das US-Militär ist von 143 Beobachtungen ungeklärter Phänomene im erdnahen Luftraum zwischen 2004 und 2021 die Rede. In 80 Fällen habe es sich wahrscheinlich um physische Objekte gehandelt, sie seien mithilfe mehrerer Sensoren gleichzeitig registriert worden. Bei 18 Vorfällen lägen zudem Hinweise auf "ungewöhnliche Bewegungsmuster oder Flugcharakteristiken" vor, hieß es in dem Bericht. Eine Folge der Veröffentlichung war die erste Anhörung zum Thema Ufos im US-Repräsentantenhaus seit mehr als 50 Jahren, die im vergangenen Mai stattfand. Bei der nur teilweise öffentlichen Sitzung war von einer steigenden Zahl von Vorfällen seit den frühen 2000er-Jahren die Rede. Es wurden weitere Untersuchungen beschlossen.

Nasa-Projekt zur wissenschaftlichen Ufo-Forschung

Parallel zu den militärischen Anstrengungen, die Vorfälle aufzuklären, wurde auch die US-Raumfahrtbehörde Nasa mit einem Ufo-Projekt beauftragt. Ein Team unter der Leitung des Astrophysikers David Spergel soll sich "Beobachtungen von Ereignissen am Himmel, die nicht als Flugzeuge oder bekannte Naturphänomene identifiziert werden können", widmen. Ziel der Gruppe ist es zunächst, verfügbare und brauchbare Daten zu identifizieren und Wege zu finden, wie derartige Phänomene in Zukunft besser wissenschaftlich untersucht werden können.

Der Vizedirektor des US-Marine-Geheimdiensts Scott Bray bei einer Anhörung zum Thema Ufos im US-Repräsentantenhaus im Mai 2022.
Foto: Reuters/JOEY ROULETTE

Vergangene Woche nahm das Forschungsteam die Arbeit auf und soll in den nächsten neun Monaten ein Konzept erarbeiten, wie Daten aus unterschiedlichen zivilen und kommerziellen Quellen besser zusammengeführt und wissenschaftlich analysiert werden können. Die Nasa habe dafür weltweit führenden Wissenschafter, Fachleute für Daten und künstliche Intelligenz sowie Sicherheitsexperten für die Luft- und Raumfahrt zusammengebracht, sagte Daniel Evans vom Nasa-Direktorat für Forschung. "Die Ergebnisse werden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht."

Hinweise auf Drohnenüberflüge

Vom Pentagon ist eine solche Offenheit nicht zu erwarten. Einige Vorfälle aus der jüngeren Vergangenheit wurden inzwischen zwar offiziell chinesischen Spinagedrohnen zugeordnet, nach Angaben der "New York Times" gibt es weitere Verdachtsfälle von Überwachungstechnik anderer Staaten. Auch der US-Kongress wurde über ausländische Überwachung informiert. Doch viele Details sind darüber nicht bekannt – wohl auch um zu verhindern, dass betreffende Länder wissen, dass ihre Bemühungen entdeckt worden und damit wenig effektiv sind. Bei den identifizierten Drohnen soll es sich übrigens nicht um besonders fortschrittliche Militärtechnologie handeln, sondern um prinzipiell bekannte Geräte, die aber durch Faktoren wie Spiegelungen oder Aufnahmen durch Nachtsichtgeräte ungewöhnlich wirkten.

Wie sieht es andernorts mit militärischen Ufo-Sichtungen aus? Dass es in der Ukraine in den vergangenen Monaten zu einem sprunghaften Anstieg von Beobachtungen unidentifizierter Flugobjekte und unerklärbarer Luftphänomene kam, darf nicht überraschen. Durch den russischen Angriffskrieg auf das Land ist auch der ukrainische Luftraum umkämpftes Gebiet, Drohnen, Militärflugzeuge, Artilleriewaffen und Satelliten sind alltäglich im Einsatz. Ukrainische Astronomen haben zahlreiche ungewöhnliche Beobachtungen gemacht, ein Zusammenhang mit dem Krieg ist in diesen Fällen äußerst wahrscheinlich.

Keine Rätsel über Österreich, Deutschland und der Schweiz

Dem österreichischen Verteidigungsministerium liegen keine unerklärlichen Beobachtungen im nationalen Luftraum vor. "Es kommt vor, dass es Meldungen aus der Bevölkerung gibt, die sich meistens schnell aufklären lassen – etwa Flugzeuge im Abendlicht, die merkwürdig aussehen", sagt Andreas Kramer, Referent für Luftraumüberwachung im Verteidigungsministerium, zum STANDARD. "Was natürlich schon vorkommt, sind Luftraumverletzungen, aber dabei handelt es sich um nichts Mysteriöses, sondern um unangemeldete Luftfahrzeuge. Aus Sicht der Luftraumüberwachung kann ich sagen, dass es keine unerklärlichen Vorfälle gab, auch nicht in den vergangenen Jahrzehnten."

Auch im deutschen Verteidigungsministerium sind keine ernstzunehmenden Fälle von Ufo-Sichtungen bekannt, wie ein Sprecher zum STANDARD sagt. Die Veröffentlichungen aus den USA und die Studien der Nasa zum Thema würde man grundsätzlich nicht kommentieren. In der Schweiz zeigt man sich über eine diesbezügliche Anfrage wenig begeistert: "Das Eidgenössische Departement für Verteidigung hat keinen Grund, an die Existenz von Ufos zu glauben. Es richtet seinen Einsatz zum Schutz der Schweiz auf die realen Bedrohungen und Naturgefahren aus. Ufos gehören nicht dazu." (David Rennert, 6.11.2022)