Blindgänger von Streumunition können auch nach Jahren noch Menschen verletzen und töten.

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Damaskus – Im Norden Syriens sind Aktivisten zufolge neun Menschen bei Bombardierungen getötet worden. Rund 70 weitere Menschen seien bei Artilleriebeschuss durch syrische Regierungstruppen verletzt worden, teilten die in London ansässige oppositionsnahe Syrische "Beobachtungsstelle für Menschenrechte" und die Rettungsorganisation Weißhelme am Sonntag übereinstimmend mit. Dabei soll auch international geächtete Streumunition eingesetzt worden sein.

Die Angriffe trafen demnach mehrere Flüchtlingscamps in der Region Idlib. Russische Kampfflugzeuge sollen ebenfalls Stellungen bombardiert haben. Details dazu gab es jedoch zunächst keine.

Mit Streumunition werden viele kleinere Sprengsätze bezeichnet, die in Behältern aus Flugzeugen und Raketenwerfern abgeschossen werden. Sie werden wahllos und großflächig verteilt und explodieren. Viele landen auch als Blindgänger in Böden und töten oder verletzen Menschen noch Jahre später. Die allermeisten Opfer sind Zivilisten.

"Nicht nur ein oder zwei Raketen, sondern ein Dutzend"

Ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP beobachtete vor Ort zerstörte und ausgebrannte Zelte, Blutflecken und Raketentrümmer. Opfer wurden in ein nahegelegenes Krankenhaus gebracht, wo der AFP-Reporter auch die Leichen zweier Mädchen sah.

Als sie die Einschläge hörten, hätten sie sich gerade für die Arbeit fertiggemacht, sagte Camp-Bewohner Abu Hamid der AFP. "Die Kinder hatten Angst und fingen an, zu schreien."

"Es waren nicht nur eine Rakete oder zwei, sondern ein Dutzend", sagte er weiter. "Die Splitter flogen aus allen Richtungen. Wir wussten nicht, wie wir uns schützen sollten."

Idlib letztes großes Rebellen-Refugium

Die Region um Idlib ist nach mehr als zehn Jahren Bürgerkrieg das letzte große Rebellengebiet des Landes. Russland und die Türkei haben sich als Schutzmächte der syrischen Regierung beziehungsweise der Opposition auf eine Waffenruhe für das lange umkämpfte Gebiet geeinigt. Seitdem geht die Gewalt zwar zurück. Dennoch kommt es immer wieder zu Angriffen, bei denen häufig auch Zivilisten getötet werden.

Der Konflikt in Syrien hatte im Frühjahr 2011 mit Protesten gegen die Regierung von Machthaber Bashar al-Assad begonnen. Die Regierung ging mit Gewalt dagegen vor. Die Anhänger des Staatschefs kontrollieren mittlerweile wieder rund zwei Drittel des Landes. Eine politische Lösung für den Konflikt ist nicht in Sicht. (APA, 6.11.2022)