Die Protestzüge gegen die tägliche Gewalt des Mullah-Regimes reißen nicht ab. In Europa (Bild: Köln) versammeln sich viele in Solidarität.

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Ein Mann kniet auf der Erde, seine Augen sind verbunden. Er hebt die Hände und sagt mit brüchiger Stimme in die Kamera: "Ich bin Toomaj Salehi. Ich habe einen Fehler gemacht." Dies sind die ersten Bilder des iranischen Rappers nach seiner Festnahme vor einer Woche.

Laut iranischer Darstellung wurde Salehi bei dem Versuch, das Land zu verlassen, verhaftet. Für seine Angehörigen ist klar: Salehi muss gefoltert worden sein. Sein Geständnis sei jedenfalls erzwungen.

Denn von Salehi ist man andere Töne gewohnt: Von Beginn an unterstützte er die Anti-Regime-Proteste, die seit nunmehr 52 Tagen andauern. Auf Demos leitete er Sprechchöre, und seine Musiktexte sind regimekritisch. Auf Instagram rief er dazu auf, sich der "Revolution" anzuschließen.

Bericht über Folter

Dafür könnte ihm nun offenbar die Todesstrafe drohen. Laut Medienberichten lastet ihm die iranische Justiz Kooperation mit ausländischen Mächten und propagandistische Aktivitäten zur Destabilisierung des Landes an. Bei einer Verurteilung reicht das Strafmaß bis zum Todesurteil.

Demonstranten in Köln in Sorge um den verhafteten Rapper Toomaj Salehi.
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Damit droht Salehi ein ähnliches Schicksal wie dem kurdischen Rapper Saman Yasin. Dieser soll nach seiner Festnahme Anfang Oktober gefoltert und jüngst zum Tode verurteilt worden sein. In Medienberichten ist von weiteren fünf Männern die Rede, die sich derzeit wegen mit dem Tod sanktionierbaren Delikten – etwa "Krieg gegen Gott" oder Gewalt gegen Sicherheitskräfte – vor Gericht verantworten müssen.

Sorge wegen Hinrichtungen

Menschenrechtsgruppen, etwa Human Rights Watch, sprechen von Schein- und Schauprozessen gegen Aktivistinnen, anhand derer ein Exempel statuiert werden soll, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Insgesamt wurden demnach bereits 1000 Demonstranten für diverse Delikte angeklagt. Der zuständige Uno-Sonderberichterstatter, Javaid Rehman, warnt, dass Proteste im Iran stets mit einer steigenden Zahl an Hinrichtungen einhergehen.

Schon jetzt steht fest, dass die Proteste zu den blutigsten der jüngsten Geschichte des Landes gehören: Nach Angaben von Menschenrechtlern wurden in den vergangenen sieben Wochen bereits mehr als 300 Protestierende getötet. Neben kurdischen Regionen zählt auch das südöstliche Belutschistan zu den besonders blutigen Protestzentren: Laut der in Norwegen ansässigen Menschenrechtsgruppe Iran Human Rights (IHR) starben alleine dort mindestens 118 Menschen.

Sunnitische Mehrheit

Die nahe der Grenze zu Afghanistan und Pakistan gelegene Provinz ist eine der ärmsten des Landes und Heimat der belutschischen Minderheit. Sie hängt mehrheitlich dem sunnitischen Islam an, während der Iran schiitisch dominiert ist. Die Proteste hatten sich dort an der Vergewaltigung eines 15-jährigen Mädchens durch einen Polizeioffizier entfacht. Erst vor wenigen Tagen wurde ein schiitisches Oberhaupt einer Moschee erschossen. An diesem Wochenende sollen zudem vier Polizisten getötet worden sein.

Präsident Ebrahim Raisi versucht, die USA für die Proteste verantwortlich zu machen. Ihm kam wohl gelegen, dass Amtskollege Joe Biden jüngst versprach, den "Iran zu befreien". Der Iran sei seit der Islamischen Revolution und dem Sturz des vom Westen unterstützen Schahs im Jahr 1979 frei, entgegnete darauf Raisi und sprach von einem gescheiterten westlichen Versuch, den sogenannten Arabischen Frühling im Iran zu wiederholen. Die Lage auf den Straßen sei sicher und ruhig.

Dass das Weiße Haus klarstellte, Biden habe nur Solidarität mit den Protesten ausgedrückt, und dass diese unvermindert anhalten, fand in Raisis jüngsten Aussagen keine Beachtung. Bemerkenswert ist aber, dass mit Rahman Jalali, dem Vizegouverneur der Provinz Kerman, ein Beamter nun öffentlich Schwierigkeiten bei der Eindämmung der Proteste einräumte. (Flora Mory, 7.11.2022)