"Die sollen schon merken, dass sie nicht unter dem Radar sind": ORF-Chefredakteur Matthias Schrom rät H.-C. Strache zur ORF-1-Intervention.

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Der Redakteursausschuss der "Presse" lädt Chefredakteur Rainer Nowak für Montag, 13 Uhr zur Redaktionsversammlung – und betont in der Einladung, dass hier "rote Linien" nicht erst mit strafrechtlichen Handlungen überschritten würden.

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Wien – Zwei Chefredakteure haben am Montag Erklärungsbedarf gegenüber ihren Redaktionen. Beide kommen in einem aktuellen Bericht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft vor, mit bemerkenswerten Chats mit politischen Funktionären. DER STANDARD berichtete.

  • Update: Rainer Nowak stellte am Montag seine Funktionen als Chefredakteur und Herausgeber der "Presse" ruhend und nahm nicht an der Redaktionsversammlung teil.

Da ging es um Jobs und eigene Jobhoffnungen, um Tipps für Interventionen und Anfragen der eigenen Journalistinnen. Die Chats zeigen einen amikalen Umgang zwischen Journalisten und Politikern und alles andere als Distanz einer kontrollierenden vierten Gewalt.

Montag, 10 Uhr, ORF

Am Montag um 10 Uhr stellt sich der TV-Chefredakteur des ORF, Matthias Schrom, Fragen und Kritik seiner Redakteurinnen und Redakteure. Der Anlass liegt dreieinhalb Jahre zurück. Sebastian Kurz (ÖVP) ist Bundeskanzler mit Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ).

Matthias Schrom war in der ZiB-Redaktion zuständig für die FPÖ. Wenige Monate nach Amtsantritt der Koalition bekam ORF 1 und ORF 2 eine Channel-Managerin, wie der neue Chefredakteur von ORF 1 der ÖVP zugerechnet. ORF 2 mit Schrom einen Chefredakteur, der als Wunsch der Freiheitlichen galt.

"ORF 1 ist noch viel linker"

Kurz vor Mitternacht beschwert sich Strache bei Schrom am 14. Februar 2019 über eine ZiB 24. "Das ist natürlich unmöglich", schreibt Schrom dem FPÖ-Chef und Vizekanzler recht prompt zurück. Aber: "Du weißt, ich bin ja nur für ORF 2 zuständig. ORF 1 (das noch viel linker ist) gehört ja Lisa Totzauer (und Wolfgang Geier)."

Und gleich in derselben Nachricht fügt Schrom an: "Unser Problem ist ja auf gewisse Weise, dass uns (Hofer & mir) finanzielle Ressourcen weggenommen werden und in ORF 1 gesteckt werden. Also es wird grad mit Gewalt versucht, den maroden Kanal hochzukriegen. Ich wundere mich ja ehrlich schon lange, dass sich darüber, was dort inhaltlich abgeht, keiner aufregt."

Mit Inhalten von ORF 2 müht sich Schrom: "Es ist schon bei uns genug zu tun und jeden Tag mühsam, aber langsam wird’s, und die, die glauben, die SPÖ retten zu müssen, werden weniger."

Schrom schreibt Strache auch, einen Personalwunsch habe er fixiert; einen empfiehlt er für ORF 1. Und er rät Strache, sich über ORF-Stiftungsratsvorsitzenden Norbert Steger (FPÖ) über die ZiB 24 zu beschweren: "Die sollten schon merken, dass sie nicht unter dem Radar sind." Wortgleich fordert daraufhin Strache Steger zur Intervention auf. Und wortgleich schreibt er Steger, er möge sich für den Personalwunsch bei ORF 1 einsetzen. Dessen Channel-Managerin wolle ja ORF-Generalin werden.

"Vernadert die Redaktion"

In einer Mail an rund 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ORF-Information räumte Schrom am Freitag ein, der "Chat-Verlauf hat zugegebenermaßen keine glückliche Außenwirkung". Schrom erklärt die "Strache angepasste" Tonalität vor dem damaligen "Hintergrund massiver Angriffe durch die FPÖ auf den ORF".

Schrom schreibt: "Faktum ist, dass der Intervention von Strache weder inhaltlich noch in Bezug auf personelle Postenbesetzungen entsprochen wurde. Der Redaktion wurde immer der Rücken frei gehalten (was, wie ich denke, auch die Kolleg:innen der ZiB 2 und des Investigativteams bestätigen können)."

Das bestätigt Redaktionsratsvorsitzender Dieter Bornemann in seiner Mail-Antwort in die Runde. Er verlangt aber eine "ordentliche Aufarbeitung" von Schroms Chats. Denn: "Sie vernadern die Redaktion auf unangebrachte Weise und beschädigen unseren Ruf, weil Sie das Narrativ der FPÖ bedienen, der ORF wäre ein 'Linksfunk'."

Neuerlich werde mit Schroms Nachrichten an Strache "der Eindruck verstärkt, die Politik regiert den ORF, und es gibt Führungskräfte, die das tatkräftig unterstützen".

Montag, 13 Uhr, "Presse"

Am Montag um 13 Uhr stellt sich Rainer Nowak der "Presse"-Redaktion zu seinen Chats mit Thomas Schmid über Ambitionen auf die ORF-Führung und Wünsche an die Berichterstattung. Eine öffentliche Erklärung wird erwartet; ein Rücktritt galt, auf dem Stand vom Sonntag, als fraglich. DER STANDARD wird aktuell berichten. (Harald Fidler, 7.11.2022)