Elon Musk führt Twitter – aber wohin?

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Eines muss man Elon Musk schon lassen: Mit der Twitter-Übernahme hält er die Öffentlichkeit seit nunmehr einer Woche auf Trab. Tagtäglich, so scheint es, hat er eine neue Idee dafür, wie die Zukunft des Kurznachrichtendienstes aussehen sollte. Weniger Moderation, eine Verifizierung ohne Verifizierung um acht Dollar – und die Entlassung mehrerer Tausend Mitarbeiter am vergangenen Freitag.

Allzu gut durchdacht scheint keine dieser Maßnahmen. So berichtete Bloomberg schon am Sonntag, dass Twitter zumindest einen Teil der entlassenen Belegschaft zur Rückkehr bewegen wollte. Bei manchen, weil die Kündigung ein Versehen gewesen sei (ups!), aber auch deshalb, weil man die hinausgeschmissenen Menschen leider doch für die Weiterentwicklung des sozialen Netzwerks benötige. Welch Wunder! Irgendeinen Grund dürfte es gegeben haben, dass diese einst dort arbeiteten.

Verifiziert, aber doch nicht

Das Ethical-AI-Team zum Beispiel, das bis hin zum letzten Mitarbeiter hinausgeworfen wurde. Dabei ist gerade diese Abteilung für einen Themenkomplex verantwortlich, den Musk einst als besonders wichtig bezeichnete: eine transparentere und fairere Gestaltung von Algorithmen. Im Rahmen seiner Ankündigung, den Kurznachrichtendienst zu einem "Marktplatz der Redefreiheit" umgestalten zu wollen, behauptete der 208-fache Milliardär im Frühling immerhin, offenzulegen, warum manche Inhalte eine größere Reichweite haben als andere. Nun stellt sich die Frage, wer den Plan in die Realität umsetzen soll.

Mindestens genauso wirr ist seine Kurzschlussentscheidung rund um die Kontoverifizierung. Acht Dollar soll diese nunmehr kosten und in das Twitter-Blue-Abonnement integriert werden. Nette Idee, wenn man außen vor lässt, dass die Identität der dahinterstehenden Personen gar nicht verifiziert werden soll. Diese müssen also keinen Ausweis vorlegen, um zu beweisen, dass sie keine Betrüger sind. Dass das die Grundidee des blauen Hakerls ad absurdum führt, scheint Musk zumindest öffentlich nicht eingestehen zu wollen.

Verloren im Social-Media-Dschungel

Zweifel am Umbau der Verifizierung dürfte er – oder manch ein übriggebliebener Twitter-Mitarbeiter – dennoch haben. Immerhin wurde die Einführung des neuen Systems nach hinten verschoben, um eine Welle an Fake-Accounts im Vorfeld der US-Midterm-Wahlen am 8. November zu verhindern. Zu groß ist offenbar die Angst, dass Dritte sich als Präsident Joe Biden oder andere Politikerinnen und Politiker ausgeben könnten. Blöd nur, dass dieses Problem auch nach den Wahlen bestehen bleibt.

So selbstbewusst er sich selbst auch darstellen mag, Elon Musk irrt planlos durch den Social-Media-Irrgarten. Das schadet nicht nur seinem Ruf als Visionär und Unternehmer, sondern auch Twitter. In kürzester Zeit pausierten nicht nur der VW-Konzern und General Motors die Schaltung von Anzeigen. Wegen eines rasanten Anstiegs von Hassrede empfahl der Werbekonzern IPG, der unter anderem Coca-Cola und Spotify vertritt, seinen Kunden, lieber abzuwarten. Bleibt nur zu hoffen, dass der Tesla-CEO das Lenkrad rechtzeitig herumreißt – und Twitter nicht in den Abgrund steuert. (Mickey Manakas, 7.11.2022)