Neben Bildungsminister Martin Polaschek besuchten zahlreiche Wirtschaftsvertreter und Firmen die HTL Peter Mahringer in Shkodra – ein "Vorzeigemodell", wie sie es nennen.

Foto: Elisa Tomaselli

Shkodra – Werbegeschenke wie Minisalzstreuer oder Flaschenöffner österreichischer Firmen liegen schön platziert neben Broschüren auf den Ständen. Was sie unterstreichen: Österreichs Industrie will dringend Fachkräfte für sich gewinnen. Und Nachschub wollen die Unternehmen in der gutgefüllten Turnhalle der IT-HTL Peter Mahringer, einer österreichischen Auslandsschule im nordalbanischen Shkodra, gefunden haben. Vor wenigen Tagen wurde dort anlässlich des 15-jährigen Bestehens der Schule eine beachtliche Delegation von Wirtschaftsvertretern mit Bildungsminister Martin Polaschek in Empfang genommen. Die Stände selbst waren nach einstündigen Ansprachen mäßig frequentiert.

Mehr Menschen drängten zu den Abschlussarbeiten der Schüler: "Hier haben wir eine Website programmiert für das Theater in Shkodra", erklärt Edona in perfektem Deutsch, während sie durch die Seite scrollt. Was sie nach der Schule machen will? "Ich möchte in Wien Informatik studieren", sagt die 18-Jährige. Auch für ihre Schulkolleginnen sei es keine Option, in Albanien zu bleiben. "Hier können wir nicht das machen, was wir wollen", sagt Iris. Darum Wien.

Allein sind die Schülerinnen mit diesem Entschluss nicht: Etwa 80 Prozent aller Schulabsolventen dieser HTL zieht es ins Ausland, meist nach Österreich oder Deutschland zum Studieren, erklärt der Schuldirektor Thomas Douschan.

Eine Schule zum Davongehen

Dass die HTL sowohl im In- als auch im Ausland ein gutes Ansehen genießt, darauf ist Douschan stolz. Vergleichbare Schulangebote, die wie an der HTL auf Netzwerktechnik, Web-Development und Verschlüsselung abzielen, würden sonst in Albanien fehlen. Gepaukt wird hier nach einem adaptierten österreichischen Lehrplan – der Abschluss gilt sowohl in Albanien als auch in Österreich. Knapp 500 Schulkinder werden von 23 österreichischen und 24 albanischen Lehrkräften unterrichtet. Mit 19 Millionen Euro stemmt Österreich den Großteil der Personalkosten.

Und weil diese Schule Fachkräfte von morgen hervorbringt, sollen weitere Standorte für Auslandsschulen folgen, verkündete Minister Polaschek am Rande seiner Delegationsreise vor Medienvertretern.

Damit scheint sich der Gedanke hinter den österreichischen Auslandsschulen gewandelt zu haben: Was bisher auf Entwicklungs- und kulturelle Zusammenarbeit abzielte, soll nun im Dienste der österreichischen Arbeitskräftenachfrage stehen. Momentan gibt es neben der HTL in Shkodra sieben weitere Standorte weltweit, unter anderem in Guatemala City, in Prag und in Istanbul, wo in Summe 3.400 Schulkinder unterrichtet werden. Künftig sollen Standorte "in Absprache mit den Zielländern" etwa auf dem Westbalkan oder in der Kaukasusregion entstehen. Polaschek betont dabei, dass es keine Diplomatenschulen seien. "Diese Schulen wenden sich an die Kinder des Landes."

Das nötige Geld braucht es dennoch: Denn die Auslandsschulen werden als Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht geführt. Für die HTL Shkodra belaufen sich die Schulgebühren auf 1.000 Euro pro Jahr. Beachtliche Summen, wenn man bedenkt, dass der oder die durchschnittliche Albanerin 400 Euro am Ende des Monats auf ihrem Konto vorfindet. 80 Schulkinder erhalten hierfür Stipendien vom albanischen Staat.

Unbesetzte Stellen in der IT

Bei den Wirtschaftsvertretern stößt Polascheks "Auslandsschulstrategie" auf viel Zuspruch: Nicht zuletzt, weil Österreich etwa im IT-Bereich derzeit 24.000 Fachkräfte fehlen, wie Mariana Kühnel, stellvertretende Generalsekretärin der Wirtschaftskammer Österreich, festhält. Die HTL Shkodra sei daher ein "Vorzeigemodell". Sie schaffe eine "Win-win-Situation" für die jungen albanischen Fachkräfte und für die Unternehmen. "Die einen bekommen eine hervorragende berufliche Perspektive, die anderen bekommen motivierte, topausgebildete junge Fachkräfte", sagt Kühnel.

All das wirft aber auch Fragen auf: Befeuern Maßnahmen wie diese nicht etwa jenen Braindrain, von dem Länder wie Albanien ohnehin schon betroffen sind? Polaschek sieht das auf Mediennachfragen anders: Es handle sich hierbei um eine "Kooperation zwischen den Ländern". Der Fokus auf den Westbalkan bedinge außerdem, dass die Absolventen aufgrund der geografischen Nähe eher nicht mit der Heimat brechen – und so auch wieder leichter zurück ins Herkunftsland und dessen Arbeitsmarkt finden würden. Das Betreiben von Auslandsschulen an Quoten zu koppeln, also wie viele Absolventen tatsächlich danach nach Österreich abwandern, sei jedenfalls nicht geplant, so Polaschek.

Die, die bleiben

Dass der Besuch der Schule nicht zwingend zur Auswanderung führt, verdeutlicht das Beispiel der Absolventinnen Edra und Juli. Bei der Jubiläumsfeier standen beide hinter dem Stand einer Wiener Softwarefirma, die einen Sitz in Shkodra hat. Am Abend zuvor hatten sie vor der Delegation erzählt, wie froh sie über den Entschluss der Eltern seien, sie für die Schule angemeldet zu haben. "Dieser Abschluss öffnet viele Türen in den Arbeitsmarkt", sagte die Entwicklerin Edra. Für beide sei klar gewesen, dass sie in Albanien bleiben wollen.

Langfristig in Albanien zu bleiben, das kann sich auch die baldige Absolventin Edona vorstellen. Das, was sie bald in Wien lernen werde, wolle sie danach in ihrem Land einsetzen, sagt sie. (Elisa Tomaselli, 8.11.2022)