Das übergroße Bild einer Frau – und ihrer Gedanken.

Erst etwas Positives. Die sexistische Werbung im öffentlichen Raum ist in den vergangenen Jahren deutlich weniger geworden. Sich räkelnde Frauenkörper in Hotpants und knappen Oberteilen oder dumpfe Geschlechterklischees gibt es zwar noch immer. Sie finden sich inzwischen allerdings eher via Airbrush auf Lkw-Türen als in teuren und aufwendig gestalteten Werbekampagnen. Sexismus kann für ein Unternehmen inzwischen ziemlich peinlich sein – oder, besser: offensichtlicher Sexismus. Die weniger sichtbare Firmenpolitik steht wieder auf einem ganz anderen Blatt.

Trotzdem wuchern die "Männer sind so, Frauen so"-Behauptungen weiterhin. Und das ist ebenso ein Hemmschuh auf dem Weg zur Befreiung von engen Geschlechtergrenzen wie eine primitive Objektivierung von Frauen. Ein hervorragendes Beispiel dieses stereotypen Hintergrundrauschens, das schier ständig zu hören ist, bietet derzeit eine riesige Werbefläche für die Kampagne "Glaub an dich" der Erste Bank.

Das Bild ist sage und schreibe 350 Quadratmeter groß, die Frau darauf ist somit kaum zu übersehen, ebenso die ihr ins Gesicht geschriebenen Sorgen, Gedanken und unerledigten Aufgaben, die ihr offenbar durch den Kopf gehen. "Mama anrufen" zum Beispiel. Die großen Sorgen der Frau betreffen hingegen die "Zukunft", "Krieg" oder die "Inflation". Und dann sind da noch diese klischeehaften Vorstellungen, was in einem Frauenkopf so vor sich geht. "Warum ruft er nicht an?", "Wie sehe ich wohl mit 40 aus?", "Mist, da ist ein Pickel", "Ich glaube, ich habe zugenommen".

Verstehen, ohne Klischees

Es gibt Schlimmeres, könnte man einwenden. Stimmt, das gibt es immer – und früher stand es auch ständig auf Plakatwänden. Andererseits: Muss das wirklich noch immer sein? Es beschleicht eine fast das Gefühl, als ob die Annahme herrschte: Ohne Klischee würden Menschen nicht verstehen, dass da eine Frau denkt. Aber warum soll das auch ständig eine Rolle spielen?

Nun wird es schon wahr sein, dass sich manche öfter genau diese Dinge denken. Das Problem daran ist aber, dass selbst die, die kaum ängstlich darüber nachdenken, warum "er" etwas tut oder nicht tut, angesichts solcher Bilder glauben könnten, das wäre der Standard. Sich über die Figur das Hirn zermartern, die Haut, den Typen. Sicher, kann man machen. Aber dann schreiben wir es wenigstens allen zu und hören auf, derlei als "Frauending" zu framen. Wegen der sexistischen schlechten Nachrede, die damit verbunden ist, wäre es.

Um die Ecke denken

Geschlecht dient noch immer als Leitplanke, um sich von Unbekannten ein erstes Bild zu machen. Damit sind nervige Klischees verbunden, die von uns fordern, erst einmal um die Ecke zu denken, um womöglich draufzukommen: Aha, der ist ein Mann – er schläft aber deshalb noch lange nicht mit Frauen. Oder: Das ist eine Frau, die will deshalb aber noch lange keine Kinder. Denn früher, ja, früher dachte man immer sofort, dass das so ist. Das ist aber doch vorbei, oder?

Es wäre wirklich nicht viel Aufwand, hier zukunftsgewandter zu agieren. Auch einmal einem männlichen Mittdreißiger Sorgenfalten auf die Stirn zu zaubern, weil er das Kindergeburtstags-Gastgeschenk vergessen hat oder der Hintern nicht mehr in die Jeans passt. Wäre einmal was anderes. (Beate Hausbichler, 9.11.2022)