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Das Medikament Paxlovid aus dem Haus Pfizer scheint auch das Risiko von Long Covid signifikant zu verringern.

Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/JOE RAEDLE

Als das antivirale Medikament Paxlovid im Herbst 2021 auf den Markt kam, weckte das große Hoffnungen. Es war eines der ersten Medikamente, mit denen eine Corona-Infektion bereits in der Frühphase und vor einer Krankenhauseinlieferung behandelt werden kann und die schwere Verläufe signifikant reduzieren. Zielgruppe sind ältere und vulnerable Menschen, die als Risikopersonen für einen schweren Verlauf gelten, wichtig ist dabei, dass das Mittel in den ersten drei bis fünf Tagen nach Infektion eingenommen wird.

Diese Wirkung wurde in zahlreichen Studien auch nach der Zulassung untersucht, etwa in dieser mit Daten aus Israel, publiziert im "New England Journal of Medicine", die zeigte, dass vor allem Menschen ab 65 von dem Medikament profitieren. Oder in dieser mit Daten aus Hongkong, publiziert in "The Lancet", die eine Reduktion der Mortalität um 66 Prozent zeigte.

Nun bringt ein Report mit Daten des US-amerikanischen Veteranen Administration Health System Erkenntnisse, mit denen man so nicht gerechnet hatte: Menschen aus der Risikogruppe für einen schweren Verlauf, die innerhalb der ersten Tage nach Infektion das antivirale Medikament einnahmen, entwickelten in der Folge mit geringerer Wahrscheinlichkeit Long Covid. Die Daten wurden auf dem Preprint-Server medRxiv publiziert und sind noch nicht unabhängig geprüft.

Reduktion um 26 Prozent

Die Forschenden analysierten für den Report die elektronischen Krankenakten von 56.340 Patientinnen und Patienten, die mindestens einen Risikofaktor für einen schweren Covid-Verlauf hatten. Das Durchschnittsalter der Untersuchten war 65 Jahre, 88 Prozent waren männlich, zwölf Prozent weiblich. Bei jenen 9.217 Erkrankten, die innerhalb der ersten fünf Tage nach Infektion Paxlovid einnahmen, war das Risiko von Long-Covid-Symptomen 90 Tage nach der Infektion um 26 Prozent geringer als bei jenen 47.123, die kein Virostatikum einnahmen.

Die Studie gibt außerdem Hinweise darauf, dass der Schutz vor Long Covid auch für jüngere Menschen besteht und das unabhängig von der Anzahl der Risikofaktoren oder Komorbiditäten. Die Reduktion des Long-Covid-Risikos passierte weiters unabhängig davon, ob die Betroffenen geimpft waren oder nicht und ob sie zuvor schon einmal infiziert waren oder nicht. Nicht untersucht wurde, ob Paxlovid in der Behandlung von Long Covid selbst hilfreich sein könnte. Alle Daten stammen aus dem Zeitraum 1. März bis 30. Juni 2022, in dem Omikron-Varianten das Infektionsgeschehen dominierten.

Mit Blick auf diese Erkenntnisse betonen die Studienautoren, wie vorteilhaft die Einnahme des Medikaments für all jene sei, die einer Risikogruppe angehören. Zuletzt hatten ja Berichte über einen Paxlovid-Rebound – die Rückkehr von Symptomen oder ein erneut positives Testergebnis, von dem zum Beispiel US-Präsident Joe Biden betroffen war – das Vertrauen in das Mittel reduziert.

Neue Möglichkeit, Long Covid zu verhindern?

Was bedeutet das nun in der konkreten Anwendung? Diese Frage stellt sich auch Eric Topol, Kardiologe und US-Experte für Corona, in seinem Newsletter Ground Truth. Bisher war ja der einzige sichere Schutz vor Long Covid eine Vermeidung der Infektion. Impfungen und Booster konnten zumindest die Wahrscheinlichkeit um 30 bis 50 Prozent reduzieren. Doch nun sieht Topol eine dritte Möglichkeit, Langzeitfolgen einer Infektion zu verhindern.

"Dieser Bericht ist der erste dieser Art, man muss die Erkenntnisse in weiteren Studien und unabhängig prüfen", stellt er klar, ist aber trotzdem positiv gestimmt und erklärt den möglichen Wirkmechanismus: "Wir wissen, dass ein Grund für Long Covid ein dauerhaftes Virusreservoir im Körper ist, das wurde in mehreren Studien dokumentiert. Paxlovid stoppt die Replikation des Virus, indem es seine Hauptprotease hemmt. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass das Virus ein Reservoir bildet oder Überreste im Körper bleiben."

Und er betont, dass diese Wirkung dringend weiter untersucht werden müsse. Derzeit gebe es nur Fallberichte oder anekdotische Hinweise darauf, dass Paxlovid Long Covid verhindern könne, alle bisherigen entsprechenden Studien seien zu klein, um einen Nachweis für diese These zu liefern. Allerdings planen die National Institutes of Health Anfang 2023 eine Studie zu der Frage mit 1.700 Teilnehmenden ab 18 Jahren. Mit den Ergebnissen könne man aber nicht vor 2024 rechnen.

Mehr medikamentöse Behandlungen gefordert

Topol weist auf Unsicherheiten im Paxlovid-Einsatz hin, wie die Möglichkeit, dass im Laufe der Zeit Resistenzen gegen das Medikament entstehen. "Im Labor wurden natürlich vorkommende Mutationen in der Hauptprotease identifiziert. Doch bisher ist keine Resistenz irgendeiner Art aus den Spitälern dokumentiert, und wir hoffen, dass das so bleibt."

Deshalb fordert er klar: "Die jetzt vorgelegten Daten befürworten meiner Meinung nach schon jetzt den breiteren Einsatz von Paxlovid, um einerseits in der akuten Phase zu profitieren und andererseits einen langfristigen Nutzen zu ziehen." Er selbst sei noch nicht an Corona erkrankt, aber wenn er es bekomme, werde er sein Cholesterinmedikament für fünf Tage – wegen der möglichen Wechselwirkungen – absetzen und das Virostatikum einnehmen. Und auch seinen Patientinnen und Patienten werde er es mit diesem Wissen großzügiger verschreiben. (kru, 9.11.2022)