38 Prozent der Tourismuslehrlinge glauben, in der Branche ihren Wunschberuf zu finden. Bei vielen tritt die Ernüchterung allerdings bereits nach wenigen Jahren ein.

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Ungünstige Arbeitszeiten und eine geringe Wertschätzung – die Lehrlingsausbildung im Tourismus kommt bei der aktuellen Sonderauswertung des Lehrlingsmonitors des Instituts für Berufsbildungsforschung (ÖIBF) schlecht weg. Jeder zweite Lehrling im Tourismus denkt demnach darüber nach, die Ausbildung abzubrechen. Zudem hätten 28 Prozent der Tourismuslehrlinge vor, nach der Lehre den Beruf oder die Branche zu wechseln. "Ich würde keinem jungen Menschen empfehlen, im Tourismus oder Handel eine Lehre zu beginnen", sagt Richard Tiefenbacher, Vorsitzender der Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ).

Dabei erscheint es gerade im Tourismus dringend nötig, die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen zu attraktiveren. Seit langem kämpft die Branche mit einem Fachkräftemangel, die Pandemie tat ihr Übriges. "Die Zukunft des heimischen Tourismus wird unter anderem davon abhängen, ob wir es schaffen, wieder mehr junge Menschen für die Branche zu begeistern", sagte etwa Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) im Oktober.

Es scheitert an der Bezahlung – oder etwa doch nicht?

Und tatsächlich sind die Ausbildungszahlen im Tourismus seit Jahren rückläufig, sowohl in Tourismusschulen als auch bei den Lehrbetrieben; auch wenn im Oktober im Vergleich mit 2021 fast acht Prozent mehr junge Menschen eine Lehre begonnen haben, wie Daten der Wirtschaftskammer zeigen. Den größten Zuwachs verzeichnete zuletzt die Industrie, gefolgt vom Tourismus.

Vor allem die Industrie sei aufgrund des KV-Abschlusses und somit erhöhter Lehrlingseinkommen auch finanziell attraktiv. 1.050 Euro gibt es in der Metalltechnischen Industrie im ersten Lehrjahr, bis zum vierten steigt das Entgelt auf 2.110 Euro. Die Tourismusbranche kann damit nicht Schritt halten: Für das erste Lehrjahr gibt es lediglich 815 Euro, bis zum dritten erhöht sich die Entlohnung auf gerade einmal 1.055 Euro monatlich.

Dass der finanzielle Anreiz fehle, eine Lehrausbildung im Tourismus zu beginnen beziehungsweise in der Branche zu bleiben, sieht Mario Derntl nicht ein. "Am Geld scheitert es nicht", ist der Geschäftsführer der Unternehmensinitiative Zukunft Lehre Österreich überzeugt. Stattdessen solle vermehrt auf ein wertschätzendes Umfeld sowie sinnstiftende Tätigkeiten geachtet werden – dies wäre den jungen Menschen wichtiger. Prinzipiell müsse aber ein Hygienefaktor erreicht werden, sprich das Entgelt einen gewissen Schwellenwert erreichen; das sei derzeit aber bereits der Fall.

AK: Gezielte Lehrstellenförderung statt Gießkannenprinzip

Richard Tiefenbacher erachtet eine Entlohnung "nach dem Vorbild der Metaller" hingegen als wünschenswert. In die gleiche Kerbe schlägt er allerdings bei der Bedeutung eines respektvollen Arbeits- und Ausbildungsumfelds. Dieses könne durch eine Stärkung der Jugendvertrauensräte sowie durch eine professionelle "Ausbildungsbegleitung" gewährleistet werden. Für Letztere läuft derzeit ein Leuchtturmprojekt bei den Malerinnen und Malern: Qualifiziertes Personal informiert und berät dabei die Lehrlinge und unterstützt sie so auf dem Weg zum Lehrabschluss.

Zudem pochen AK und ÖGJ auf strukturelle Änderungen, insbesondere bei den finanziellen Unterstützungen der Ausbildungsbetriebe. Da gebe es zum einen den seit Jahren geforderten Facharbeitsfonds, in den nicht ausbildende Betriebe einzahlen sollen, um ausbildungsbereite Unternehmen zu unterstützen. Zum anderen müsse die Lehrstellenförderung überarbeitet werden. Anstelle des Gießkannenprinzips müsse die Förderung mit Qualitäts- und Sozialkriterien verknüpft werden, um Anreize für bessere Ausbildungsbedingungen zu schaffen. (Nicolas Dworak, 8.11.2022)