Gemeinschaften mit Fokus auf erneuerbare Energien stehen in Österreich hoch im Kurs.
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Beim Aufbau von Energiegemeinschaften stehen die Verantwortlichen vor der nicht ganz trivialen Aufgabe, eine transparente und nachvollziehbare Abrechnung des lokalen Stromhandels zu gewährleisten. Gleichzeitig ist es wünschenswert, den Teilnehmenden ein Gefühl für die ablaufenden Energieflüsse zu vermitteln und den besonderen Wert erneuerbarer Energieformen sichtbar zu machen.

Im Südburgenland wird aktuell ein Ansatz erprobt, der alle diese Anforderungen erfüllen soll. Abgerechnet wird mithilfe von Kryptotechnologien, genauer gesagt über eine Blockchain-Architektur. Das Prinzip der verteilten Datenbanken, das mit Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum bekannt wurde, wird hier für eine Energiewährung genutzt. Die Coins, die man etwa durch den Verkauf von Strom von der eigenen Solaranlage auf dem Dach verdient, können aber nicht nur für den Bezug weiterer Haushaltsenergie genutzt werden. Auch an öffentlichen E-Ladestationen und sogar in regionalen Supermärkten kann damit bezahlt werden. Damit soll auch die lokale Wertschöpfung gestärkt werden. Die Blockchain-Lösung sorgt zudem dafür, dass die Zuordnung des produzierten Stroms und die Abrechnung fälschungssicher sind.

Burgenland im EU-Vergleich

Das Südburgenland mit seinem im Innovationslabor Act4.energy entwickelten Energie-Token ist eine der Demoregionen des Forschungsprojekts CLUE. Energieversorger, wissenschaftliche Einrichtungen und Technologieunternehmen arbeiten dabei unter der Leitung des AIT Austrian Institute of Technology zusammen, um die Planung und Umsetzung von Energiegemeinschaften zu verbessern.

Die Demoquartiere des insgesamt 22 Partner zählenden Projekts – darunter FH Technikum Wien und TU Wien – liegen aber nicht nur im Burgenland und in der Steiermark, sondern auch in anderen EU-Staaten. Der Blick auf die Pendants in Schweden, Schottland und Deutschland soll einen Ländervergleich ermöglichen und den Fokus auf unterschiedliche Rahmenbedingungen und Ausgangslagen richten, die die Entwicklung der Energiegemeinschaften beeinflussen. In Österreich wird CLUE von der Förderagentur FFG mit Mitteln des Klimaschutzministeriums unterstützt. Es wird zudem im Rahmen der Forschungsinitiative Green Energy Lab? realisiert, die sich als Anlaufstelle für Unternehmen und Institutionen zum Thema Energiewende versteht.?

Zusammenspiel verschiedener Energieträger

Das aktuelle Energieprojekt baut in Österreich auf einer Reihe von Vorgängerprojekten auf. "Es geht darum, neue technische Möglichkeiten und rechtliche Rahmenbedingungen in der Weiterentwicklung der Energiegemeinschaften abzubilden", beschreibt Projektleiter Mark Stefan vom AIT die Hintergründe. Schwerpunkte der Forschungsarbeit liegen etwa in der besseren Nutzung flexibler Verbraucher und Verbraucherinnen und im Zusammenspiel verschiedener Energieträger. Geschäftsmodelle sollen im Rahmen der Demoregionen, die als "Reallabore" verstanden werden, weiterentwickelt und lokale Akteure eingebunden werden. "Ein Ergebnis werden Planungswerkzeuge sein, die das Entwerfen lokaler Energiegemeinschaften auf Basis individueller Gegebenheiten optimieren", hebt Stefan hervor.

Steirische Fernwärme

Die zweite heimische Demoregion des Projekts liegt in Gasen in der Steiermark. Die kleine Gemeinde eignet sich aufgrund eines bestehenden Fernwärmesystems und der hohen Anzahl von Photovoltaikanlagen gut für den Aufbau einer Energiegemeinschaft. Neue Speichertechnologien und die gezielte Steuerung der Nachfrage sollen hier zu einer vollständig autarken Energieversorgung über das ganze Jahr hinweg führen.

Während für eine kurzfristige Stromspeicherung und Netzstabilisierung Batterien eingesetzt werden, soll die Energie für eine langfristige Speicherung in Wasserstoff umgewandelt werden. "Eine Möglichkeit ist, den mit Überschussstrom produzierten Wasserstoff bei Bedarf – etwa im Winter – wieder zu verstromen", beschreibt Stefan das dahinterliegende Konzept. "Wir wollen dabei herausfinden, wie gut die verschiedenen Speicherformen in einem lokalen Netz zusammenspielen und sich ergänzen können." So fließt etwa die Abwärme, die bei der Umwandlung von Elektrizität in Wasserstoff und zurück anfällt, in das lokale Fernwärmenetz.

Wärmepumpen oder Ladestationen von Elektroautos haben den Vorteil, dass ihr Strombedarf nicht unbedingt an bestimmte Zeitpunkte gebunden ist. Diese Flexibilität, die in den Stromnetzen der Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird, soll auch in CLUE bestmöglich genutzt werden. Ein Teil der bislang 15 Pilotkunden in Gasen wird etwa mit eigenen Energiemanagementsystemen ausgestattet, die diese Verbraucher zum richtigen Moment einschalten, um das lokale Netz zu stabilisieren oder den Eigenverbrauch in der Energiegemeinschaft zu optimieren. Daneben kann auch auf gemeinschaftliche "Flexibilisierungsassets" zugegriffen werden – neben den Batterien sind das etwa öffentliche Ladestationen für E-Autos.

Österreich vorn mit dabei

Aus der Sicht Stefans ist die Entwicklung der Energiegemeinschaften in Österreich bereits weit gediehen – gerade im Vergleich zu den weiteren teilnehmenden Staaten im Projekt. "Man muss positiv hervorheben, dass Österreich die einschlägigen EU-Direktiven bereits voll umgesetzt hat", erklärt der Forscher.

In den anderen Ländern, wo zum Teil noch keine Gesetzesentwürfe vorliegen, werde dennoch bereits versucht, Energiegemeinschaften umzusetzen. Dabei stehe aber anders als bei uns noch weniger die Umsetzung im Echtbetrieb im Fokus, sondern eher die Entwicklung von Demonstrationsanlagen. In der Praxis heißt das, dass funktionierende Konzepte existieren, diese allerdings in der Praxis noch nicht in Betrieb genommen wurden.

Ungeachtet der hierzulande bereits bestehenden Rahmenbedingungen sollen die rechtlichen Voraussetzungen aber auch für Österreich noch weiterentwickelt werden. Am Ende des CLUE-Projekts wollen die Forschenden folglich Empfehlungen für neue Regulierungsansätze rund um Energiegemeinschaften geben. (Alois Pumhösel, 12.11.2022)