Österreichs Alpinchef Herbert Mandl hofft auf einen guten Spirit, der Teamgeist muss besser werden.

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Im November 2020 lag in Lech/Zürs zumindest ein bisserl Schnee, die Rennen fanden trotz Pandemie statt.

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Der Riesentorlauf der Frauen in Sölden ist ebenso ins Wasser gefallen wie vier Abfahrten (je zwei für Männer und Frauen) in Zermatt. Auch die fürs Wochen-ende geplant gewesenen Parallelrennen in Lech/Zürs wurden Opfer der globalen Erwärmung. Alpinchef Herbert Mandl spricht darüber.

STANDARD: Lässt sich in Zeiten des Klimawandels und der Teuerung der enorme Aufwand mit Schneedepots und Beschneiung noch rechtfertigen, wenn ohnehin viele Rennen abgesagt werden müssen?

Mandl: Grundsätzlich geht der Tenor dahin, dass der Saisonstart zu früh kommt, auch in Sölden. Man erwägt, den Auftakt dort eine Woche später anzusetzen. Das Zermatt-Projekt ist allein schon wegen der schwierigen Wetterbedingungen sehr mutig. Wenn nun der Klimawandel hereinspielt, dann sind diese Überlegungen wieder zu verschmeißen. Es war aber nicht absehbar, dass man dort oben mit dem Schnee ein Problem hat. Auch dass man in Zürs trotz Höhenlage um die 2000 Meter nicht in der Lage ist, eine Piste zu beschneien. Da ist man klüger geworden.

STANDARD: Angesichts der Erwärmung wäre ein um mehrere Wochen späterer Saisonstart wohl vernünftig. Wie viel Spielraum sehen Sie?

Mandl: Ich gehe davon aus, dass die Fis zumindest auch für den nächsten Kalender wieder für die Zermatt-Rennen plädiert. Aber es ist sicher ein Thema, ob man sie nicht ein bis zwei Wochen später ansetzt. Man wird versuchen, an den Terminen im November festzuhalten, damit der Wettkampfkalender kompakt bleibt. Weil es auch im Frühjahr temperaturmäßig schwieriger wird. Für Trainingszwecke in Höhenlagen ist es jedoch ein Muss für uns, das Frühjahr besser zu nützen, um das zu kompensieren, was wir im Sommer und Herbst verlieren. Wir hatten irres Glück, dass wir in Sölden und im Pitztal eine kalte Woche im September hatten und dass es Niederschlag gab. Die Gletscher sind massiv zurückgegangen.

STANDARD: Sie haben als Alpinchef des ÖSV den gesamten Skirennsport Österreichs zu verantworten. Worauf liegt Ihr Hauptaugenmerk?

Mandl: Eines meiner Hauptanliegen ist, im Trainerteam wieder Nachwuchs zu lukrieren und auch vermehrt junge Leute zum grundtechnischen Skifahren zu holen. Um eine skitechnische Basis zu legen. Daran mangelt es, weil einfach das Rennfahren von klein auf zu sehr forciert wird und die Basis liegen bleibt. Ganz wichtig ist, im Gelände zu fahren, um die Flexibilität am Ski wieder zu erhöhen. Das Skifahren ist wegen des Materials einfacher geworden. Es genügt, in die Schräglage zu gehen und umzulegen. Bei den jungen Leuten fehlen die Komponenten des Entlastens weitgehend, weil sie das nicht mehr lernen. Dann wird es schwierig, auf höherem Niveau oder einer schlechteren Piste zu reüssieren.

STANDARD: Inwieweit haben die Auswirkungen der Pandemie dem Nachwuchs zugesetzt?

Mandl: Ich sehe es im Skisport sehr positiv. Weil man hier mit den Maßnahmen vom Verband, gesteuert über das Ministerium, bis hinunter zu den Kinderrennen Möglichkeiten geschaffen hat, zu trainieren und Rennen zu fahren. Das ist im Vergleich zu anderen Sportarten gut gelungen und war weniger hektisch, weil nicht so viele Leute auf den Pisten und bei den Liften waren.

STANDARD: Das ÖSV-Team ist zuletzt unter den Erwartungen geblieben. Wo müssen die Hebel angesetzt werden, um dem hohen Anspruch wieder gerecht zu werden?

Mandl: Wir waren bei den Großevents sehr erfolgreich, haben aber im Weltcup über weite Strecken wenige Siege eingefahren und haben keine Kugel erlangt. Wir waren auch in der Breite nicht mehr so stark, haben die Nationenwertung nicht mehr immer gewonnen. Das müssen wir mit den Läufern ändern, die bei uns an der Spitze sind. Aber die wichtigste Aufgabe ist, die Fähigen aus dem Mittelbau zu fördern und zu fordern. In dem Bereich ist zu wenig passiert. Bei den Männern sind drei Jahre lang keine Läufer mehr in den Weltcup vorgestoßen. Da ist eine Stagnation drin.

STANDARD: Die Gründe dafür?

Mandl: Es ist auszuloten, ob sie zu wenig getan haben oder ob sie zu minder bemittelt sind, um wirklich top zu fahren. Ich glaube, dass beides der Fall ist und wir einen guten Spirit brauchen. Wir haben groß in Trainerpersönlichkeiten investiert, die sich mit der Sache auseinandersetzen. Es geht darum, den Teamgeist zu schärfen, auch gewisse Routinebequemlichkeiten abzustellen und dass alle wieder voll fokussiert arbeiten, Trainer und Athleten. Ich sehe das gesamtheitlich. Denn dann entsteht auch in Summe wieder ein besserer Teamgeist.

STANDARD: Ist es während der Energiekrise vertretbar, zu Trainingszwecken nach Südamerika zu fliegen und den CO2-Fußabdruck zu vergrößern?

Mandl: Einerseits ist uns das Reisetechnische ein bisschen aufgezwungen worden, andererseits haben uns die klimatischen Veränderungen in unseren Breiten veranlasst, mit allen Mannschaften nach Übersee zu gehen. Es ist ein Muss, um in der obersten Liga mitspielen zu können. Es hat sehr viel Aufwand und auch finanzielle Mittel beansprucht, weil vieles teurer geworden ist.

STANDARD: Die Versuche der Fis, Formate zu reformieren, lassen zu wünschen übrig. Haben Sie zweckdienliche Ideen?

Mandl: Ich sehe die ganzen Basteleien der vergangenen zehn Jahre, sei es in der Kombination oder im Parallelbereich. Die Fülle an Rennen wurde erhöht, und ich glaube, man sollte zurück zu den Kerndisziplinen. Das langt vom Rahmen her, sonst ist der Kalender ohnehin überfüllt. Das ist neben dem Materialbereich auch eine Ursache, warum es für Allrounder nicht mehr machbar ist, alle Disziplinen zu fahren.

STANDARD: Hatten Sie 2013 nach 26 Jahren Trainererfahrung genug vom Rennsport?

Mandl: Ich zog damals auch aus familiären Gründen die Reißleine, es war einfach überstrapaziert, weil ich nur unterwegs war, die Kinder klein waren und meine Frau sehr belastet war. Es war fast ein Muss, mehr daheimzubleiben. Und jetzt war die Zeit irgendwie wieder reif, auch wenn ich es selbst gar nicht angesteuert habe. Aber sie haben mich in Gesprächen animiert, in dem Bereich wieder etwas zu tun. Es macht mir Spaß, ich bin wieder beim Rennsport, meiner Leidenschaft. (Thomas Hirner, 10.11.2022)