Im Bild die Simulation der Aufnahme einer Schlaganfallpatientin an der Klinik Floridsdorf. Die Notaufnahme des Spitals warnte immer wieder vor Engpässen beim ärztlichen Personal.

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Der Konflikt zwischen der Wiener Ärztekammer und dem Wiener Gesundheitsverbund (Wigev) schaukelt sich weiter hoch: Die Kammer fahre eine Schmutzkübelkampagne, wirft der Spitalsträger der Standesvertretung vor. Die Ärztekammer informiert über mehrere Kanäle – eigene Aktionstage bis hin zu Youtube-Videos – darüber, wie man Gefährdungsanzeigen verfasst. Das sind Meldungen, die dazu dienen, Vorgesetzte über organisatorische Mängel zu informieren. Die Kammer weist den Vorwurf zurück, der Wigev solle vielmehr flexibler auf sein Personal eingehen.

Fakt ist: In mehreren Spitalsabteilungen in Wien gerät das Personal immer wieder an seine Grenzen. Es fehlt an Fachärztinnen und Fachärzten und vor allem an Pflegekräften. Zuletzt wurde aus der Klinik Floridsdorf bekannt, dass die Kinderabteilung im Frühjahr ärztlich dem Primar der Klinik Donaustadt unterstellt wird. Der bisherige Leiter warf das Handtuch. Die Neonatologie sucht dringend Fachärzte.

Notaufnahme in Not

Zu Problemen kommt es in Floridsdorf auch in der Notaufnahme. Die Abteilung hat in mehreren Gefährdungsanzeigen – zuletzt im Oktober – auf ihre Personalenge hingewiesen. Im Juni klagte die Belegschaft noch über das Fehlen von 8,3 Vollzeitäquivalenten. 6,3 unbesetzte Dienstposten plus zwei Assistenzärzte, die ohne Tauschpartner auf Rotation sind, weil deren Ausbildungsberechtigungen wegen Kinderkarenzen ruhten.

Die Probleme haben sich über Jahre aufgestaut. In der im Juni eingebrachten Gefährdungsanzeige, die dem STANDARD vorliegt, heißt es, die Abteilung sei "am Zerfallen". Krankenstände und Karenzen nennt Philip Eisenburger, Vorstand der Abteilung für Notfallmedizin, als Ursache für die Probleme auf seiner Station. "Aktuell sind von meinen 46 Mitarbeitern allein sieben in Kinderkarenz, was ja per se nichts Negatives ist", sagt der Primar. Kämen hier Krankenstände hinzu, werde es aber rasch eng.

Betrieb am Laufen halten

Im Oktober habe es deshalb eine weitere Gefährdungsmeldung wegen ungeplanten Personalausfalls gegeben. "Mein Team gibt alles", lobt Eisenburger seine Mannschaft, die den Betrieb am Laufen halte.

Im Juni hatte bereits ein gesamtes Dienstrad gefehlt, das die anwesenden Kollegen ausgeglichen hatten. Hinzu kam, dass zwei Ärzte das Team im Herbst verlassen haben. Ebenso wurde in der Gefährdungsanzeige im Juni Kritik an der Rekrutierung geübt, etwa das Fehlen von Inseraten in vielen der möglichen Medien und Foren.

Für das ärztliche Team auf der Notfallambulanz ist nun aber Entspannung in Sicht. "Drei Personen haben im November ihren Dienst bei uns neu angetreten", sagt Eisenburger. Eine weitere Besetzung laufe derzeit. Zudem kommen im Jänner und im März drei Mitarbeiter aus ihrer Karenz zurück. "Die Lage wird sich also entspannen, das Team entlastet", sagt Eisenburger.

Eklatanter Pflegemangel

Allerdings fehlen der Abteilung auch Pflegekräfte. Den STANDARD erreichten Informationen, wonach die OP-Assistenten Pflegetätigkeiten übernehmen müssen. Der Wigev bestätigt das, verweist aber darauf, dass dies im Sinne der Stellenausschreibung für multiprofessionelle Teams so geschehe. Es gebe für die Pflege laufend "umfassende Maßnahmen" zum Recruiting, auch im Ausland. Zudem würden derzeit beim Wigev insgesamt 1.400 Pflegekräfte ausgebildet, laufend werde aufgestockt. Die Herausforderung liege nun darin, genügend Bewerbungen zu erhalten.

Zur Aufforderung der Ärztekammer an den Wigev, sich als Arbeitgeber flexibler zu zeigen, gibt der Wigev an, stetig an "bestmöglichen Rahmenbedingungen" zu arbeiten: mit Teilzeit- und Kinderbetreuungsoptionen, Fortbildungen und Jobflexibilität im Unternehmen.

Zu den zahlreichen Gefährdungsmeldungen haben die Neos eine parlamentarische Anfrage eingebracht. Sie wollen von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) wissen, welche Konsequenzen die Offenlegung der Personalnot hat. (Bettina Pfluger, Gudrun Springer, 11.11.2022)