Laut Energiebehörde E-Control sind derzeit über tausend Gemeinschaftsanlagen in Planung.

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Gemeinsam Strom zu produzieren und untereinander zu teilen: Das ist die Idee hinter Energiegemeinschaften. Die gesetzliche Grundlage dafür gibt es in Österreich seit knapp einem Jahr, mittlerweile sind rund hundert Projekte aktiv. Die Ausgangslage für Energiegemeinschaften ist aufgrund der aktuellen Situation am Strommarkt aber nicht ideal.

Frage: Was sind Energiegemeinschaften, und wie funktionieren sie?

Antwort: Haushalte, Gemeinden oder Unternehmen, die ihren eigenen Strom produzieren, können Gemeinschaften gründen und so ihre überschüssige Energie an Verbraucher in der Umgebung verkaufen. Voraussetzung dafür ist, dass die Mitglieder der Energiegemeinschaft am selben regionalen Stromnetz hängen. Wer überregional Strom teilen will, kann eine sogenannte Bürgergemeinschaft gründen, an der Mitglieder aus ganz Österreich teilnehmen dürfen.

Frage: Wird man mit einer Energiegemeinschaft völlig unabhängig?

Antwort: Nein, davon sind die meisten Gemeinschaften weit entfernt. Ziel ist es, einen möglichst großen Teil des Bedarfs mit der eigenen Produktion zu decken. Mitglieder einer Energiegemeinschaft bleiben weiterhin Kunden bei ihrem bisherigen Stromversorger. Völlige Unabhängigkeit ist derzeit schwer erreichbar: Energiegemeinschaften setzen bisher fast nur auf Solarstrom. Wind-, Wasser- oder Biomassekraftwerke sind für Private schwer umsetzbar. Viel Potenzial gäbe es hier allerdings auf Ebene der Gemeinden.

Seit 2021 können Erneuerbare Energiegemeinschaften (EEG) gegründet werden. Sie versprechen einen ökologischeren Zugang zu Energie und günstigere Preise. Was ist dran? Der Standard hat eine EEG in Deutsch-Wagram besucht.
DER STANDARD

Frage: Was ist der Vorteil der Energiegemeinschaften?

Antwort: Abseits von Zielen wie Unabhängigkeit und Klimaschutz gibt es finanzielle Anreize: Je nachdem, wie groß das Einzugsgebiet ist, reduziert sich der Arbeitspreis für das Netznutzungsentgelt zwischen 28 und 64 Prozent, weil die Gemeinschaften den Strom regional austauschen und so das Stromnetz entlasten. Bei überregionalen Bürgergemeinschaften fallen dagegen die vollen Netzgebühren an. Abgesehen davon muss für Strom aus Energiegemeinschaften kein Erneuerbaren-Förderbetrag und keine Elektrizitätsabgabe bezahlt werden. Die hohen Marktpreise führen derzeit allerdings dazu, dass diese finanziellen Vorteile teilweise verpuffen.

Frage: Warum das?

Antwort: Haushalte können ihren überschüssigen Strom derzeit teurer am Markt über die Ökostromabwicklungsstelle (OeMAG) verkaufen als innerhalb der Gemeinschaften. Auch für Verbraucher gibt es aktuell Nachteile: Energiegemeinschaften zählen nicht als Energielieferanten. Damit gilt für sie die Strompreisbremse nicht. Dazu kommt, dass die Regierung aufgrund der hohen Preise den Erneuerbaren-Förderbeitrag gestrichen und die Elektrizitätsabgabe deutlich reduziert hat – und das für alle Konsumentinnen und Konsumenten. Laut E-Control werden trotzdem laufend neue Gemeinschaftsanlagen gebaut. Derzeit sind mehr als tausend in Planung.

Frage: Warum wird trotzdem so stark ausgebaut?

Antwort: Energiegemeinschaften bieten den Vorteil, dass viele Menschen gemeinsam in eine Anlage investieren können, sagt Anwalt Florian Stangl. "Das ist die Grundidee." Zudem dürften sich die Marktpreise mittelfristig wieder beruhigen, womit auch die finanziellen Vorteile zurückkehren dürften. Ganz abgesehen davon sind für viele Energiegemeinschaften nicht finanzielle, sondern ideologische Anreize ausschlaggebend: Ihre Mitglieder wollen ein Stück weit unabhängig sein und einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Heribert Strasser: So-Strom, Graz

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"Ich habe lange in der Start-up-Szene gearbeitet und berate derzeit drei Energiegemeinschaften im Umkreis von Graz. Mich fasziniert, dass die Projekte die Themen Versorgungssicherheit und Zivilgesellschaft miteinander verknüpfen. Erzeuger können ihren Strom am Markt derzeit teurer verkaufen als innerhalb der Energiegemeinschaft. Der wirtschaftliche Vorteil ist damit weggefallen. Meist steht aber ohnehin ein ideeller Gedanke im Vordergrund. Sobald sich die Marktsituation beruhigt, lohnen sich die Gemeinschaften auch finanziell."

Michaela Turetschek: Grätzl Energie, Wien

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"Derzeit haben wir circa 30 Mitglieder und vier Produktionsanlagen. Die Struktur des 23. Bezirks ist dafür ideal. Hier gibt es sowohl Einfamilienhäuser als auch Industriegebäude mit großen Flachdächern für Photovoltaikanlagen. In den inneren Bezirken ist es dagegen schwieriger, Gemeinschaften umzusetzen. Den meisten unserer Strombezieher geht es weniger darum, Geld zu sparen. Viele von ihnen sind dabei, weil sie Strom aus der Gegend beziehen möchten, sich aber keine eigene Photovoltaikanlage auf ihr Dach bauen können."

Jürgen Neubarth: Unser Strom Landeck, Tirol

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"Wir waren die erste Gemeinschaft in Tirol und haben derzeit sechs Mitglieder. Zu Beginn wollten wir klein bleiben, um Erfahrungen zu sammeln. Mittlerweile nehmen wir neue Mitglieder auf, achten dabei aber auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Produzenten und Verbrauchern. Die Umsetzung der Projekte ist zum Teil mit bürokratischen Hürden verbunden. Dabei wird es einem nicht leicht gemacht. Das Gesetz ist aber erst ein Jahr alt. Es dauert natürlich, bis sich die Prozesse einspielen." (Jakob Pflügl, 11.11.2022)